Ouigo
Ouigo (/wi'go/) ist eine Marke und Zuggattung der französischen Staatsbahn SNCF für preisgünstigen Zugverkehr. Seit 2013 verkehren TGV-Züge unter dieser Marke zu niedrigen Preisen, zunächst zwischen Marne-la-Vallée (bei Paris) und dem Südosten Frankreichs. Seither wurde das Netz weiter ausgebaut, so dass Ende 2020 Mitte 41 Bahnhöfe in ganz Frankreich bedient wurden.[1] Im Mai 2021 nahmen auch im Nachbarland Spanien Hochgeschwindigkeitsverbindungen unter der Marke Ouigo den Betrieb auf.[2] Seit April 2022 werden unter der Marke Ouigo Train Classique (OTC) auch lokbespannte Züge auf klassischen Strecken angeboten. Zur Abgrenzung zu diesem neuen Angebot wurde das bestehende Angebot in Ouigo Grande Vitesse umbenannt.[3]
Konzept
Service
Das Konzept der Ouigo-Züge basiert auf der Idee der Billigfluggesellschaften im Flugverkehr. So können Fahrkarten ausschließlich online oder über die mobile App gekauft werden. Ein Kauf an Automaten und Fahrkartenschaltern ist nicht möglich. Fahrkarten müssen mindestens vier Stunden vor Beginn der Fahrt gekauft sein. Die Fahrkarten selbst bestehen aus einem QR-Code, der entweder ausgedruckt oder auf dem eigenen Mobiltelefon angezeigt werden kann. Fahrgäste müssen bereits 30 Minuten vor Abfahrt am Bahnhof sein.[4][5] Da die Fahrkarten bereits beim Einstieg kontrolliert werden, wird nur das Minimum von vier Mitarbeitern für die Betreuung eines Zuges eingesetzt.[5] Auf der Fahrt ist nur ein vergleichsweise kleines Gepäckstück (35 cm × 55 cm × 25 cm) sowie ein Handgepäckteil mit dem Maß von 27 cm × 15 cm × 36 cm inklusive. Für weitere oder größere Gepäckstücke muss ein Aufpreis gezahlt werden. Dadurch können Passagiere allerdings auch komplette, verpackte Fahrräder mitnehmen.[4][6] Der Kundendienst ist stark eingeschränkt. Die einzige Möglichkeit, Ouigo zu kontaktieren, ist das Webformular auf der eigenen Homepage. Es gibt keine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse, an die sich Kunden wenden können.
Die Züge von Ouigo Train Classique werden von einer Tochtergesellschaft der SNCF betrieben, womit für das Personal nicht die SNCF-Arbeitsbedingungen übernommen werden mussten.[7] Die Gesellschaft trägt den Namen Oslo, was der Codenamen des Angebots während dessen Aufbau war.[8] Oslo hat ungefähr 80 Mitarbeiter, wovon rund die Hälfte von der SNCF eingestellt wurden. Jeder Zug wird von drei Mitarbeitern geführt: einem Triebfahrzeugführer, einem Zugbegleiter und einem On-Bord-Komfort- und Service-Mitarbeiter. Die Mitarbeiter erhalten verglichen mit SNCF-Zugspersonal eine 20 % höhere Entlohnung, müssen aber auch zusätzliche Aufgaben übernehmen. Im Zug wird ein Minibar-Service angeboten.[3]
Preise
Das Ouigo-Konzept besteht darin, so viel Kosten wie möglich zu sparen, um den Fahrpreis gering zu halten. Teil des Billigkonzepts ist der Verzicht auf eine 1. Klasse. Fahrkarten für Erwachsene variieren zwischen 10 und 115 Euro,[9] je nach Strecke und Zeitpunkt des Kaufes. Des Weiteren gelten die folgenden Preisregelungen: Kinder unter zwölf Jahren bezahlen unabhängig von der Strecke fünf Euro. Im Fahrpreis sind ein Gepäckstück und ein Handgepäck inbegriffen. Weitere Gepäckaufpreise variieren zwischen fünf Euro pro Gepäckstück (direkt beim Erwerb des Tickets), zehn Euro (online, nach Kauf des Tickets, aber vor Abreise) und 20 Euro (direkt am Bahnhof). Reservierungen für Sitze mit Steckdosen sind nach Verfügbarkeit möglich und mit 2 € Mehrpreis verbunden.[10] Mitreisende Kinder unter 12 Jahren erhalten bei Buchung der Option durch mindestens einen Erwachsenen kostenfreien Zugang zu einer Steckdose. Wählt ein Fahrgast einen Sitzplatz mit Steckdose, muss die Gebühr von allen gemeinsam reisenden Fahrgästen ab 12 Jahren entrichtet werden, weil die Steckdosen in den jeweiligen Wagen gruppiert sind. Reiseinformationen per SMS kosten 1 €.[11] Des Weiteren gibt es Kleingruppentarife.[5]
Für die Ouigo Train Classique-Zügen wird die Reservation 45 Tage vor Zugabfahrt freigegeben. Die Preise sind ab Reservationsfreigabe fest und verändern sich nicht mit der Nachfrage wie bei Ouigo Grande Vitesse. Sie liegen zwischen 10 und 30 € für eine Einzelfahrkarte für Erwachsene, Kinder zahlen pauschal 5 €. Große Gepäckstücke kosten 5 €, Fahrräder 10 €.[3]
Rollmaterial
Für die Ouigo-Verkehre werden modifizierte TGV-Duplex-Züge verwendet[12], die ausschließlich über eine zweite Reiseklasse mit 2+2- oder 3+1-Sitzen und keinen Speisewagen verfügen. Mittels dieser Modifizierungen können bis zu 634 Fahrgäste in einem Zug befördert werden[4] – 20 Prozent mehr als in üblichen TGV-Zügen. Die Züge verkehren meistens als Doppeleinheit und bieten somit 1268 Sitzplätze.[12] Sie erbringen jeweils Tagesleistungen von bis zu 3800 km, doppelt so viel wie ein herkömmlicher TGV. Die Wartung findet nachts im „Technicentre“ Lyon-Gerland statt.[12]
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 wurden vier neue TGV-Einheiten zu Ouigo-Zügen äußerlich umgestaltet. Die Inneneinrichtung wurde unverändert übernommen. Im Dezember 2016 wurden das Angebot und die Fahrzeugflotte weiter ausgedehnt.[13]
Seit dem 11. April 2022 verkehren auf den Relationen Paris–Nantes und Paris–Lyon unter der Marke Ouigo Train Classique auch lokbespannte, aus ehemaligen Corail-Wagen gebildete Züge abseits der Hochgeschwindigkeitsstrecken, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h[3] verkehren.[14] Für die OTC-Züge standen bei Betriebsaufnahme neun Zweisystem-Lokomotiven der Baureihe BB 22200 und 36 Corailwagen zur Verfügung. Jeder Zug besteht aus acht Wagen und bietet ungefähr 600 Sitzplätze. Die rosafarbenen Züge werden nachts in Masséna im Vorbahnhofbereich von Paris-Austerlitz unterhalten.[3]
Streckennetz
Entwicklung
Ab dem 2. April 2013 verkehrten Züge vom Typ TGV unter der Marke Ouigo zwischen Marne-la-Vallée (bei Paris) und dem Südosten Frankreichs. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 wurde das Angebot auf 50 Verbindungen verdreifacht und das Netz um Verbindungen in den Norden und Westen Frankreichs erweitert. Die zusätzlichen Angebote verbinden Tourcoing (an der belgischen Grenze, im Département Nord) über (Flughafen Roissy-CDG Terminal 2), Bahnhof Massy TGV, Le Mans, Angers mit Nantes. Mit Strasbourg, Metz, Nancy und Colmar kamen 2018 Ziele im Osten Frankreichs hinzu.[15] Seit Dezember 2018 werden Toulon, Les Arcs Draguignan, Saint-Raphaël, Cannes, Antibes und Nizza an der Côte d’Azur bedient.[16] Seit Juni 2020 sind die innerstädtisch gelegenen Bahnhöfe Lyon-Perrache und Lyon-Part-Dieu in das Streckennetz einbezogen, u. a. mit Direktverbindungen in das Zentrum von Paris.[17] Für die Wintersaison 2020/21 wurden tägliche Verbindungen von Paris über den Flughafenbahnhof Lyon-Saint-Exupéry in die französischen Alpen angekündigt.[18] Die beim Start der Marke befahrenen Strecken (LGV Sud-Est, LGV Rhône-Alpes und LGV Méditerranée) gehören zu den meistgenutzten im französischen Hochgeschwindigkeitsnetz.
Die SNCF bietet im Zuge der Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs in Spanien seit Mai 2021 dort ebenfalls Ouigo-Verkehre an.[19] Zunächst verbinden fünf Ouigo-Zugpaare Barcelona mit Madrid, für einen späteren Zeitpunkt[veraltet] sind auch Verbindungen von Madrid nach Valencia, Alicante, Malaga und Sevilla geplant. Zum Einsatz kommen 14 TGV-Duplex-Garnituren.[20][21][22][2] Ouigo steht in Konkurrenz zum Niedrigpreisangebot avlo im Hochgeschwindigkeitsverkehr des staatlichen spanischen Eisenbahnverkehrsunternehmens Renfe, das im Juni 2021 eingeführt wurde, sowie zu Intermodalidad de Levante (ILSA), einer mit Minderheitsbeteiligung der Trenitalia gegründeten Schwestergesellschaft der spanischen Fluggesellschaft Air Nostrum, die 2022[veraltet] starten soll.[23]
Bahnhöfe
Anfangs hielten die Ouigo-Züge nur an abgelegenen Bahnhöfen mit geringeren Bahnhofbenutzungsgebühren der SNCF Réseau. So wurde im Großraum Paris zuerst nur der Bahnhof Marne-la-Vallée - Chessy angefahren, statt Lyon-Part-Dieu der Flughafenbahnhof Lyon Saint-Exupéry, statt Lille oder Roubaix der Bahnhof von Tourcoing an der Grenze zu Belgien.[5] Seit 2018 bestehen Verbindungen von drei Bahnhöfen im Zentrum von Paris,[24], und seit Juni 2020 führt Ouigo Linien zwischen den Innenstädten von Paris und Lyon.[17]
Die Ouigo-Züge halten an folgenden Bahnhöfen: Marne-la-Vallée - Chessy, Lyon Saint-Exupéry, Lyon-Part-Dieu, Lyon-Perrache, Valence, Nîmes, Montpellier, Avignon, Aix-en-Provence und Marseille. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2015 kamen als neue Ziele Nantes, Angers Saint-Laud, Le Mans, Rennes, Tourcoing (bei Lille), Bahnhof TGV Haute-Picardie, Flughafen Paris Roissy (CDG) und Bahnhof Massy TGV hinzu.[25]
Seit Dezember 2017 wird mit dem Bahnhof Paris-Montparnasse erstmals ein Halt innerhalb von Paris bedient.[26] 2018 kamen Verbindungen ab Paris-Est[15] und Paris-Gare-de-Lyon hinzu.[16] Seit Juni 2020 wurden die innerstädtisch gelegenen Bahnhöfe Lyon-Perrache und Lyon-Part-Dieu in das Streckennetz einbezogen, u. a. mit Direktverbindungen in das Zentrum von Paris.[17] Im Winter 2020/21 wurden Ouigo-Züge in die französischen Alpen geführt nach Grenoble und weiter über die Strecke entlang der Tarentaise nach Albertville, Moutiers-Salins-Brides-les-Bains, Aime-la-Plagne und Bourg-Saint-Maurice.[18] Ende 2020 wurden 41 Bahnhöfe in ganz Frankreich bedient.[1]
Die Ouigo Train Classique-Züge der Destination Paris–Nantes verkehren ab dem Bahnhof Paris-Austerlitz und bedienen entweder Juvisy, Massy-Palaiseau, Versailles, Chartres, Le Mans und Angers oder Juvisy, Les Aubrais in Orléans, Blois, Saint Pierre-des-Corps in Tours, Saumur und Angers. Die Züge der Destination Paris–Lyon verkehren ab dem Bahnhof Paris-Bercy über Villeneuve Saint-Georges, Melun, Dijon, Chalon-sur-Saône und Mâcon nach Lyon-Perrache.
Marke der SNCF
Ouigo wurde als Marke in das erweiterte Markenkonzept der SNCF eingebettet: Im Jahr 2017 begann die SNCF, Fahrten mit ihren klassischen TGV-Züge unter der Marke TGV inOui anzubieten.[27] Unter dem Motto „SNCF sagt OUI“ gesellte das Unternehmen mit OUIbus sein Angebot an Fernbusverkehr (seither verkauft und als BlaBlaBus betrieben) und mit OUIcar an Autovermietung hinzu. Zum Ende 2017 firmierte der Online-Ticketverkauf im Web um von voyages-sncf.com nach OUI.sncf.[27]
Siehe auch
- Izy, Niedrigpreismarke für Hochgeschwindigkeitszüge von Thalys.
- Avlo, Niedrigpreismarke für Hochgeschwindigkeitszüge der Renfe
Weblinks
- Internetauftritt von Ouigo (englisch, französisch)
- Presseinformationen der SNCF zum Start des „Ouigo“-Angebots (PDF, 2,8 MB)
Einzelnachweise
- ↑ a b Toutes les destinations OUIGO. In: ouigo.com. SNCF Voyageurs, 2021, abgerufen am 15. Februar 2021.
- ↑ a b Spanien: SNCF OUIGO startet ihren ersten Hochgeschwindigkeitsverkehr in Spanien. In: LOK Report. Lokomotive Fachbuchhandlung GmbH, 10. Mai 2021, abgerufen am 10. Mai 2021.
- ↑ a b c d e IRJ (Hrsg.): SNCF launches mainline low-cost Ouigo service. Mai 2022, S. 11 (englisch).
- ↑ a b c Billig-TGV auch bei Geschäftsreisenden höchst beliebt. (Nicht mehr online verfügbar.) DMM, 13. Mai 2013, archiviert vom Original am 8. April 2014; abgerufen am 15. Juni 2013.
- ↑ a b c d Christian Schubert: Mit dem Billig-TGV für zehn Euro ans Mittelmeer. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Februar 2013, abgerufen am 15. Juni 2013.
- ↑ Quand dois-je souscrire à l’option Bagage? FAQ. In: ouigo.com. Abgerufen am 23. August 2019 (französisch, Das Zusatzgepäck ist beschränkt auf 2 Meter und 30 kg).
- ↑ Filiale OSLO // Ouigo classique Bienvenue dans la nouvelle SNCF Lowcost !! Abgerufen am 22. Mai 2022 (französisch).
- ↑ SNCF launches Ouigo Classic. Abgerufen am 22. Mai 2022 (britisches Englisch).
- ↑ Je souhaite comprendre les tarifs OUIGO ouigo.com, abgerufen am 27. Januar 2016
- ↑ J’ai une place standard. Comment bénéficier d’une place avec prise ou tranquille ? FAQ. In: ouigo.com. Abgerufen am 23. August 2019.
- ↑ Comment puis-je savoir si mon OUIGO est à l’heure ou a du retard? FAQ. In: https://www.ouigo.com/. Abgerufen am 23. August 2019.
- ↑ a b c Billig-TGV der SNCF vor dem Start. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 4, 2013, S. 170–171.
- ↑ Mehr Ouigo-Züge in Frankreich. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 2, 2016, ISSN 1421-2811, S. 84.
- ↑ Frankreich: SNCF startet Ouigo Train Classique, das Corail-Sparangebot. In: lok-report.de. 4. März 2022, abgerufen am 17. April 2022.
- ↑ a b Ouigo pose ses valises à Gare de l’Est. (PDF) In: Pressemeldung. SNCF, 26. Juni 2018, abgerufen am 29. August 2018 (französisch).
- ↑ a b SNCF : des TGV Ouigo au départ de Paris-Gare de Lyon en décembre. Le Parisien, 11. September 2018, abgerufen am 17. Oktober 2018 (französisch).
- ↑ a b c Elisa Frisullo: Des Ouigo vont être mis en service entre les centres-villes de Lyon et Paris dès 2020. In: 20 minutes. 30. September 2019, abgerufen am 16. Februar 2021 (französisch).
- ↑ a b Ouigo part à l’assaut des Alpes. In: bref ECO. 3. November 2020, abgerufen am 16. Februar 2021 (französisch).
- ↑ Emil Nefzger: Preiskampf auf der Schiene, Billigzug statt Billigflieger. In: Der Spiegel. 15. Februar 2021, abgerufen am 15. Februar 2021.
- ↑ David Haydock: Ouigo Spain delays start date. In: railjournal.com. 10. Dezember 2020, abgerufen am 15. Februar 2021 (englisch).
- ↑ Les Echos: La SNCF lance la bataille des TGV low cost en Espagne, 22. September 2020, abgerufen am selben Tag (franz.)
- ↑ Javier Fernández Magariño: SNCF estrenará la alta velocidad Ouigo en España el 15 de marzo con 10.000 billetes a 1 euro. 22. September 2020, abgerufen am 22. September 2020 (spanisch).
- ↑ Kevin Smith: Ilsa delays start to second half of 2022. In: International Rail Journal. 4. Februar 2021, abgerufen am 11. Mai 2021 (englisch).
- ↑ Les TGV OUIGO partent depuis les gares de Paris Centre ! ouigo.com, abgerufen am 15. Februar 2021
- ↑ Rail industry news in brief - December 2015. Railway Gazette, 13. Dezember 2015
- ↑ Frankreich: Der Ouigo fährt die Zentren von Paris an und wird teurer. In: LokReport. 7. Oktober 2017, abgerufen am 23. August 2019.
- ↑ a b Frankreich: SNCF hat TGV-Angebote unter der Marke OUI aufgeteilt. In: LokReport. 31. Mai 2017, abgerufen am 23. August 2019.