Paparazzo
Paparazzo (Plural Paparazzi[2]) ist eine ursprünglich scherzhafte, heute jedoch übliche Bezeichnung für eine bestimmte Art von Pressefotografen, die Prominenten meist in unerwünschter Weise nachstellen.
Paparazzi arbeiten meist für Boulevardmedien oder als Boulevardjournalisten. Ihr Beruf ist umstritten: Einerseits wird die Notwendigkeit der freien Berichterstattung, besonders über Prominente, im Zusammenhang mit der Pressefreiheit verteidigt. Andererseits gilt die „Arbeit“ der Paparazzi meist als „unrechtmäßiges Eindringen in Privatsphären“ und als grundsätzlich unethisches Verhalten. Bernd Graff schrieb 2014 in der Süddeutschen Zeitung:
„Paparazzi-Fotos verdanken sich Grenzüberschreitungen und Kontrollverlusten, Tabubrüchen und Persönlichkeitsverletzungen – und einem eigentlich geächteten Voyeurismus.“[3]
Etymologie
Das Wort stammt vom Namen eines aufdringlichen Pressefotografen, den Walter Santesso im Film Das süße Leben von Federico Fellini aus dem Jahr 1960 verkörperte. Dessen Namensgeber wiederum war der Hotelbesitzer Coriolano Paparazzo aus Catanzaro, der im Reiseführer By the Ionian Sea von George Robert Gissing erwähnt wird. Fellini hatte das Buch während der Vorbereitung zu seinem Film gelesen und war von dem Namen fasziniert.[2][4]
Gesetzliche Einschränkungen
Auch Personen der Zeitgeschichte dürfen nicht jederzeit fotografiert werden (beispielsweise nicht im privaten Umfeld). So betonte etwa das „Caroline-Urteil“ 2004 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Schutzwürdigkeit jeglicher Privatsphäre und rügte damit die deutsche Rechtsprechung. Einige deutsche Medien kritisierten das Urteil als Einschränkung der Pressefreiheit[5] und behaupteten, nun sei nur noch „Hofberichterstattung“ möglich.
In Kalifornien trat am 1. Januar 2006 ein Gesetz in Kraft, das die Möglichkeiten von Paparazzi stark einschränkt. Danach ist es verboten, Prominente im Auto zu verfolgen oder sie „einzukeilen“. Wer Unfälle verursacht oder handgreiflich wird, riskiert hohe Geldbußen. Der verklagte Fotograf muss beispielsweise entstandenen Schaden in dreifacher Höhe ersetzen und Fotohonorare herausgeben.
Vorausgegangen waren Unfälle von Stars, u. a. Scarlett Johansson und Reese Witherspoon, die sich von Paparazzi verfolgt fühlten. Arnold Schwarzenegger, ehemaliger Schauspieler und selbst häufiges Fotoobjekt, unterzeichnete das Gesetz in seiner Amtszeit als Gouverneur von Kalifornien.
Nach dem Tod von Diana Spencer und Dodi Al-Fayed im August 1997 wurden die Nachstellungen durch Paparazzi weltweit diskutiert.
Bekannte Paparazzi
Aufsehenerregend waren die Umstände der Aufnahmen des am 28. Juli 1898 verstorbenen Otto von Bismarck. Einige Stunden nach seinem Ableben verschafften sich zwei Hamburger Fotografen, Willy Wilcke und Max Priester, widerrechtlich Zugang zum Sterbezimmer und machten eine Blitzlichtaufnahme des früheren Reichskanzlers. Dann versuchten sie, das Negativ meistbietend über Inserate in Berliner Zeitungen zu verkaufen. Der Höchstbietende bot den für damalige Zeiten ungewöhnlich hohen Betrag von 30.000 Reichsmark.[6] Bismarcks Sohn Herbert gelang es durch Einschaltung von Polizei und Justiz, vor Veröffentlichung der Bilder die Fotoplatten beschlagnahmen zu lassen. Der erfolglose Coup endete für beide mit einer Gefängnisstrafe und dem wirtschaftlichen Ruin.[7]
Eine der ersten dokumentierten Attacken, die sich gegen einen Paparazzo richtete und die auch ein gerichtliches Nachspiel zur Folge hatte, ereignete sich am 22. Januar 1908 in New York, als der ungarische Graf László Széchenyi den Fotografen Reilly, der eine Momentaufnahme seiner Begleiterin Miss Vanderbilt machen wollte, auf offener Straße durchprügelte.[8]
Tazio Secchiaroli gilt als der erste Fotograf, der in den 1950er Jahren auf Jagd nach Prominenten in Rom ging. Er inspirierte Federico Fellini zur Figur des Paparazzo in Das süße Leben. Er wurde später u. a. als Leibfotograf von Sophia Loren bekannt.
Zwei der ersten und bekanntesten Paparazzi waren Felice Quinto (1929–2010) und Ron Galella (1931–2022). Bekannte deutsche Paparazzi sind u. a. Hans Paul und Willi Schneider.
Der ehemalige Berliner Boulevardjournalist und Paparazzo Christoph Seitz, der ebenfalls in Hollywood fotografiert hat, gab seinen Job 1997 nach dem Tod von Lady Diana auf und veröffentlichte 2002 das Buch Ich war ein Paparazzo.[9]
Rezeption in der Fotografie
Ausgelöst durch den Film Das süße Leben interessierte sich der Modefotograf Helmut Newton intensiv für das Phänomen Paparazzi. Bei einem Shooting für eine Modezeitschrift arbeitete Newton im Jahr 1970 in Rom mit praktizierenden Paparazzi zusammen, indem er diese als Statisten innerhalb seiner Modefotografien integrierte.[10] 2008 wurde von der Helmut Newton Foundation im Museum für Fotografie in Berlin eine Ausstellung unter dem Titel Pigozzi and the Paparazzi gezeigt, die die Verbindungen von Newton zu bekannten Paparazzi thematisierte und Fotografien von Paparazzi ausstellte.
Zum Jahreswechsel 2011/2012 wurde dem Paparazzo Ron Galella im C/O Berlin eine eigene Ausstellung gewidmet.[11]
- weitere Ausstellungen
- 2014: Paparazzi, Centre Pompidou Metz, Lothringen, Frankreich.
- danach mit dem Titel: Paparazzi. Fotografen, Stars und Künstler, Kunsthalle Schirn, Frankfurt am Main.[12]
Literatur
- P. Howe: Paparazzi: And our obsession with celebrity. New York 2005.
- K.O. Ferris, S.R. Harris: Stargazing: Celebrity, fame, and social interaction. New York 2011.
- Kim McNamara: The paparazzi industry and new media: The evolving production and consumption of celebrity news and gossip websites. In: International Journal of Cultural Studies, 14 (5), 2011, S. 515–530.
- Andrew L. Mendelson: On the function of the United States paparazzi: Mosquito swarm or watchdogs of celebrity image control and power. In: Visual Studies, 22 (2), 2007, S. 169–183.[13]
- William Merrin: Crash, bang, wallop! What a picture! The death of Diana and the media. In: Mortality, 4 (1), 1999, S. 41–62.
- Patrick Rössler, Miriam Meckel: Der diskrete Charme des Voyeurismus: Paparazzi und die Bildberichterstattung über den Tod von Prinzessin Diana. In: Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Die Kommunikationsfreiheit der Gesellschaft: Die demokratischen Funktionen eines Grundrechts. Wiesbaden 2003, S. 358–375.
- Carol Squiers: Class struggle: The Invention of Paparazzi. In: C. Squiers (Hrsg.): Over Exposed: Essays on contemporary photography. New York 1999, S. 269–304.
Weblinks
- Jäger der verborgenen Schätzchen. Spiegel Online. Christian Fuchs hat einen Paparazzo begleitet.
- Man muss diesen Jungs die Grenzen aufzeigen. Das Anti-Paparazzi-Gesetz in Kalifornien
Fußnoten
- ↑ Der Münchner Punsch macht sich über Vincke lustig, der sich nicht photographieren lassen möchte: Als die Litho- und Photographen auf ihn einstürmten, rief er aus: „Nein, sie sollen mich nicht haben!“ (Der Ausruf selbst erinnert an das Rheinlied von Nikolaus Becker.) Bei einem Photographen, der ihn einmal aufgenommen, ließ er sogar die Glasplatte zerstören, mit der Bemerkung, seit dem großen Amendement mache man sich in Deutschland von ihm ohnehin sehr viele negative Vorstellungen. Münchner Punsch vom 3. März 1861.
- ↑ a b Paparazzo auf www.duden.de
- ↑ Bernd Graff: Kunst? Nein, Krieg! In: Süddeutsche Zeitung, 5. Juli 2014, S. 13
- ↑ Axel Hacke: Und was mache ich jetzt? In: Der Tagesspiegel, 5. September 2004
- ↑ sueddeutsche.de / Hans Leyendecker 17. Mai 2010: Oh, Caroline
- ↑ German statesman Bismarck was one of world’s first paparazzi victims. indianexpress.com
- ↑ Lothar Machtan: Tod eines Patriarchen. In: Die Zeit, Nr. 40/1998; über Bismarcks Sterben, Buchbesprechung.
- ↑ Innsbrucker Nachrichten, 23. Jänner 1908, Nr. 18, S. 9
- ↑ Egmont vgs, ISBN 978-3-8025-2587-2
- ↑ Matthias Harder: Begleitkatalog zur Ausstellung Pigozzi and the Paparazzi. Helmut Newton Foundation, 2008
- ↑ Paparazzi-Ausstellung – Fäuste, Finten, Filmstars. In: Der Tagesspiegel
- ↑ Geblendete Sterne in FAZ vom 28. Juni 2014, Seite 9
- ↑ Abstract