Paul Preuß (Alpinist)
Paul Preuß, auch Paul Preuss (* 19. August 1886 in Altaussee; † 3. Oktober 1913 am Gosaukamm), war ein österreichischer Alpinist. Er war einer der bekanntesten Bergsteiger seiner Zeit. Er starb bei einer Alleinbegehung auf den Mandlkogel im Gosaukamm (Salzkammergut).
Leben
Paul Preuß kam in Altaussee (Steiermark) in einer jüdischen Familie als Sohn des Klavierlehrers Eduard Preuß und dessen Frau Caroline, geborene Lauchheim zur Welt und litt als Kind unter einer infektiösen Lähmung, von der er sich nur langsam auf Wanderungen erholte.[1] Er wuchs in Wien auf und studierte in München Biologie.[2] Später promovierte er in Pflanzenphysiologie. 1909 konvertierte er in München zum Protestantismus.[1]
In seinem kurzen Leben machte er mehr als 1200 Fels-, Ski- und Hochtouren[2], davon 150 Erstbegehungen und 300 Besteigungen im Alleingang[3]. Er verzichtete bewusst auf jegliche Sicherungs- und Hilfsmittel, sogar das Abseilen lehnte er ab. Er gilt heute als einer der geistigen Väter des Freikletterns und als einer der besten Kletterer seiner Zeit.
Paul Preuß stürzte im Alter von nur 27 Jahren aus dem oberen Abschnitt der Nordkante des Mandlkogels ab. Auf einem Felsband im Schlussteil der Kante wurden einige seiner Ausrüstungsgegenstände gefunden. Die Umstände des Absturzes konnten nicht geklärt werden.
Die Klettergrundsätze
Preuß ist nicht nur für seine Leistungen, sondern auch für seine Leitsprüche berühmt. Besonders anerkannt ist seine Forderung, man müsse die Kletterstellen, die man nach oben klettert, auch frei abklettern können. Die Grundsätze, die er für das Klettern formuliert hat, lauten im Einzelnen:
- „Bergtouren, die man unternimmt, soll man nicht gewachsen, sondern überlegen sein.“
- „Das Maß der Schwierigkeiten, die ein Kletterer im Abstieg mit Sicherheit zu überwinden im Stande ist und sich auch mit ruhigem Gewissen zutraut, muss die oberste Grenze dessen darstellen, was er im Aufstieg begeht.“
- „Die Berechtigung für den Gebrauch von künstlichen Hilfsmitteln entsteht daher nur im Falle einer unmittelbar drohenden Gefahr.“
- „Der Mauerhaken ist eine Notreserve und nicht die Grundlage einer Arbeitsmethode.“
- „Das Seil darf ein erleichterndes, niemals aber das alleinseligmachende Mittel sein, das die Besteigung der Berge ermöglicht.“
- „Zu den höchsten Prinzipien gehört das Prinzip der Sicherheit. Doch nicht die krampfhafte, durch künstliche Hilfsmittel erreichte Korrektur eigener Unsicherheit, sondern jene primäre Sicherheit, die bei jedem Kletterer in der richtigen Einschätzung seines Könnens zu seinem Wollen beruhen soll.“
Erstbegehungen
Einige der etwa 150 Erstbegehungen von Paul Preuß sind[4]:
- Sandling, Westwand
- Grohmannspitze, Südwand
- Traweng, Nordwand
- Kleiner Litzner, Südwestgrat und Nordgrat
- Großes Seehorn, Nordostwand
- Großer Litzner, Nordwand
- Donnerkogel, Nordwestgrat
- Guglia di Brenta, Ostwand und erste Überschreitung
- Crozzon di Brenta, Nordostwand
- Langkofel–Fünffingerspitze–Grohmannspitze–Sellajoch, die erste Überschreitung an einem Tag
- Delagoturm, Südkamin
- Kleine Zinne, erste Doppelüberschreitung
- Kleinste Zinne, erste Begehung und Überschreitung
- Trisselwand
- Hochwanner, Nordgrat
- Mitterkaiser, Nordgipfel
- Aiguille Gamba
- Aiguille Joseph Croux, Südgrat
- L’Innominata, Südostgrat
- Aiguille Savvie Südostgrat
- Pointe Papillon, Hauptgipfel
- Strichkogel, Ostwand
- Wasserkartum, Ostwand
- Däumling
- Große Bischofsmütze, Südwand
- Gosauer Mandl
- Freyaturm, Nordkante
- Schafkogel, Nordwand
Gedenken
Obwohl Preuss 1909 zum Protestantismus konvertiert war, galt er den Nationalsozialisten als Jude und wurde nach Möglichkeit totgeschwiegen.[1]
Ihm zu Ehren wurde die Kleinste Zinne der Drei Zinnen in den italienischen Dolomiten Preußturm benannt, ebenso die Paul-Preuß-Straße in München-Feldmoching und die Preuß-Hütte in der Rosengartengruppe, die 20 Jahre nach seinem Tod von Tita Piaz zu seinem Gedenken errichtet wurde.[5]
Anlässlich seines hundertsten Todesjahres wurde 2013 in Altaussee im Beisein von Reinhold Messner eine von Walter Angerer d. J. geschaffene Schattenskulptur zur Erinnerung an Paul Preuß enthüllt.[6]
2014 gründeten Bergsteiger und Alpinjournalisten aus Österreich, Bayern und Südtirol die Internationale Paul-Preuss-Gesellschaft (IPPG). Ehrenvorsitzender ist Reinhold Messner. Jährlich wird der Paul-Preuss-Preis an einen Bergsteiger vergeben, dessen Einstellung und Leistungen die Grundsätze von Preuss widerspiegeln.[7]
Literatur
- Andi Dick: Klettern auf den Spuren von Paul Preuß: Auf dem Weg des Tänzers. In: DAV Panorama. 6, 2010, S. 94–97. Würdigung von Paul Preuß als jüdischer Bergsteiger.
- Peter Grimm: Preuß, Paul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 711 f. (Digitalisat).
- R. Hösch: Preuss Paul. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 8, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN 3-7001-0187-2, S. 271.
- Reinhold Messner: Paul Preuß. Berg im Bruckmann Verlag, München 1996, ISBN 3-7654-2855-8.
- Reinhold Messner: Freiklettern mit Paul Preuß. BLV, 1986, ISBN 3-405-13128-6.
- Richard Hechtel: Hundert Jahre Felsklettern. Die Geschichte eines gesellschaftlichen Phänomens. Hrsg.: Sektion Bayerland des Deutschen Alpenvereins. Redwood City/California USA 2003, ISBN 978-3-00-033616-4, Paul Preuss und die Guglia di Brenta, S. 39–42 (alpenverein-bayerland.de [PDF; abgerufen am 8. September 2018]).
Weblinks
- Martin Grabner: Paul Preuß, Begründer des Freikletterns. derStandard.at, abgerufen am 5. April 2016 (Biographie).
- Paul Preuß. In: Mountain Future. Österreichischer Alpenverein, abgerufen am 7. Juni 2012 (Biographie; Die Seite verlangt neuerdings einen User und ein Paßwort.).
- Personenmappe zu Paul Preuß (I) (PDF) im Historischen Alpenarchiv der Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol (temporär offline)
- Personenmappe zu Paul Preuß (II) (PDF) im Historischen Alpenarchiv der Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol (temporär offline)
- Personenmappe zu Paul Preuß (III) (PDF) im Historischen Alpenarchiv der Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol (temporär offline)
Einzelnachweise
- ↑ a b c Sebastian Hofer: Paul Preuß: Vor 100 Jahren verunglückte der Philosoph des Freikletterns. Profil vom 28. Juni 2013, abgerufen am 10. November 2018.
- ↑ a b Andi Dick: Auf dem Weg des Tänzers – Klettern auf den Spuren von Paul Preuß. (PDF; 341 kB) In: DAV Panorama. Deutscher Alpenverein, Dezember 2010, S. 95, abgerufen am 7. Juni 2012.
- ↑ Martin Grabner: Paul Preuß, Begründer des Freikletterns. Bergsteigen.com, abgerufen am 7. Juni 2012 (Biographie).
- ↑ Paul Preuß. In: Mountain Future. Österreichischer Alpenverein, archiviert vom Original am 28. September 2007; abgerufen am 19. November 2020.
- ↑ Reinhold Messner: Der Philosoph des Freikletterns – Die Geschichte von Paul Preuß. 1. Auflage. Pieper Verlag, München 2011, ISBN 978-3-492-40416-7, S. 41 f.
- ↑ Alpenpost: Enthüllung Paul Preuß - Skulptur in Altaussee 2013; PDF, abgerufen am 6. Oktober 2014
- ↑ Internationale Paul Preuss-Gesellschaft. Internationale Paul Preuss-Gesellschaft, abgerufen am 8. September 2018.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Preuß, Paul |
ALTERNATIVNAMEN | Preuss, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Alpinist |
GEBURTSDATUM | 19. August 1886 |
GEBURTSORT | Altaussee |
STERBEDATUM | 3. Oktober 1913 |
STERBEORT | am Gosaukamm |