Paul Sethe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Paul Sethe

Paul Sethe (* 12. Dezember 1901 in Bochum; † 21. Juni 1967 in Hamburg) war ein deutscher Publizist, Journalist und Geisteswissenschaftler.

Leben

Sethe studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik. Sein Studium unterbrach er für eine Redakteursstelle im rheinischen Ohligs. 1932 wurde er an der Universität Bonn mit der Arbeit Die ausgebliebene Seeschlacht – Eine Betrachtung der englischen Flottenführung 1911–1915 promoviert. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten schrieb er 1933 anlässlich Hitlers Geburtstag eine Hymne, in der er Hitler als denjenigen bezeichnete, „auf den die besten unter uns lange gewartet haben“.[1] Von 1934 bis zu deren Verbot 1943 war er Redakteur der Frankfurter Zeitung, für die er seit 1940 auch als Kriegsberichterstatter tätig war.[2] Er war Angehöriger einer Propagandakompanie der Waffen-SS bzw. Wehrmacht. Anschließend war er Chefredakteur beim Frankfurter Anzeiger und seit dem Frühjahr 1944 auch für den Völkischen Beobachter tätig.[2] Innerlich stand Paul Sethe dem Nazi-Regime allerdings immer ablehnend gegenüber.[3] Der Kreis um den vom Widerstand als Reichskanzler vorgesehen Carl Friedrich Goerdeler plante daher auch, nach einem erfolgreich verlaufenden Attentat auf Hitler, Sethe als Chefredakteur einer neu zu verlegenden Frankfurter Zeitung einzusetzen.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte er zunächst der Badischen Zeitung in Freiburg im Breisgau an.

Sethe war neben Hans Baumgarten, Erich Dombrowski, Karl Korn und Erich Welter einer der fünf Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwischen 1949 und 1955. Er erklärte seinen Rücktritt, da seine Mitherausgeber seine Opposition gegen die Außenpolitik Konrad Adenauers nicht teilten.[5] Von 1955 bis 1960 und von 1962 bis 1965 war er als Leitartikler und politischer Ressortchef bei der Zeitung Die Welt, später schrieb er für Die Zeit und den Stern.

Sethe starb in Hamburg und ist dort auf dem Friedhof Ohlsdorf – Grabstelle AE41 (403-404) – (nördlich Kapelle 9) beerdigt.[6]

Positionen

Sethe galt als konservativ und schrieb vorrangig über deutsche Politik und deutsche Geschichte. Er war Kritiker der Außenpolitik Konrad Adenauers und befürwortete eine Annäherung an den Osten. Sethe gehörte zu den führenden Journalisten der Nachkriegsära. Seinen Berufsstand betrachtete er als das „Gewissen der Nation“.

Grabstein Paul Sethe,
Friedhof Ohlsdorf

Sein wohl berühmtester Ausspruch stammt aus einem Leserbrief im Spiegel vom 5. Mai 1965: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Dort hieß es auch: „Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“ Er wisse, dass es im deutschen Pressewesen Oasen gebe, „in denen noch die Luft der Freiheit weht, […] aber wie viele von meinen Kollegen können das von sich sagen?“[7] Des Weiteren stellt Sethe fest, dass „[f]rei ist, wer reich ist. Das ist nicht von Karl Marx, sondern von Paul Sethe.“[8] Da Journalisten nicht reich seien, seien sie auch nicht frei.

Publikationen

Neben seiner journalistischen Tätigkeit schrieb Sethe eine Reihe von Büchern und historischen Studien. Bereits 1952 erschien das Buch Schicksalsstunden der Weltgeschichte, in dem er in einer Art Zeitrafferstil über die Außenpolitik der Großmächte berichtet. Im Frühjahr 1957 appellierte Sethe in einem Artikel an die Sowjetunion, den westdeutschen Standpunkt in der Wiedervereinigungsfrage zu verstehen. Der Artikel wurde in der halbamtlichen Moskauer Zeitung Meschdunarodnaja Schisn abgedruckt.

Mitgliedschaften

  • Paul Sethe war ein aktives Mitglied im Bund der Freimaurer, seine Loge Die Brückenbauer ist in Hamburg ansässig.
  • Von 1959 bis 1960 war er Mitglied des Beirats der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Privates

Tochter war die mit Bodo Scriba verheiratete Übersetzerin Barbara Scriba-Sethe (1939–2015)[9]. Bruder war der Verwaltungsjurist Walter Sethe (1898–1955), Vater des Stadtdirektors von Marl: Walther Sethe (1930–2012)[10] und des Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion[11] sowie Stellv. Regierungssprechers von Thüringen[12], Stefan Sethe (* 1951). Ein weiterer Neffe war der Journalist Helmut Sethe (1929–1983), lange Zeit Chefredakteur der Husumer Nachrichten.[13]

In Berlin-Kladow wurde 1980 der Setheweg nach ihm benannt.[14]

Schriften (Auswahl)

  • Im Banne der Grauen Eminenz. Charakterbilder aus der Regierungszeit Wilhelms II. Stuttgart: Franckh, 1936.
  • Europäische Fürstenhöfe damals. Societäts Verlag, Frankfurt am Main 1937.
  • Schicksalsstunden der Weltgeschichte. Heinrich Scheffler, 1952.
  • Die grossen Tage. Von Mirabeau zu Bonaparte, Frankfurt am Main 1953.
  • Zwischen Bonn und Moskau. Scheffler, Frankfurt am Main 1956.
  • Epochen der Weltgeschichte. Von Hammurabi bis Kolumbus, Frankfurt am Main 1958.
  • Die großen Entscheidungen, Frankfurt am Main 1958.
  • Deutsche Geschichte im letzten Jahrhundert, Frankfurt am Main 1960.
  • Morgenröte der Gegenwart. Von Friedrich dem Großen bis Washington (1740 - 1789), Stuttgart 1963.
  • Das Fundament unserer Zukunft – Bilanz der Adenauer Ära. Econ-Verlag, 1964.
  • Russische Geschichte, Frankfurt am Main 1965.
  • Öffnung nach Osten. Scheffler, Frankfurt am Main 1966.
  • In Wasser geschrieben. Porträts, Profile, Prognosen, Frankfurt am Main 1968.
  • Das machte Geschichte. Scheffler, Frankfurt am Main 1969.
  • Geschichte der Deutschen. Frankfurter Societäts Druckerei GmbH, 1977.
  • Der Feindschaft müde. In: Die Welt, 24. Januar 1963; Leitartikel zum Élysée-Vertrag

Literatur

  • Martin Jung: Sethe, Paul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 276 f. (Digitalisat).
  • Stefan Fischer: Der Seher. In: Süddeutsche Zeitung, 15. Oktober 2003; Porträt, Teil XLIII der Serie Aufmacher
  • Berghahn, Volker: Journalists between Hitler and Adenauer. From Inner Emigration to the Moral Reconstruction of West Germany. Princeton University Press, Princeton 2019, ISBN 0-691-17963-8.
  • Rudolf Augstein: "Abschied von Paul Sethe" und Kurt Becker: "Der Deutsche, der Deutschland litt" in Die Zeit, 30. Juni 1967 Seite 2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. aktual. Auflage. Fischer TB, Frankfurt 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 580.
  2. a b Ernst Klee, ebd.
  3. Stefan Fischer: Der Seher. Abgerufen am 5. Juni 2021.
  4. Vortrag von Volker Berghahn an der Universität Glasgow am 26. Januar 2021: https://www.gla.ac.uk/events/holocaustmemorial/previousholocaustmemoriallectures/ (abgerufen 18. März 2021)
  5. Sethe machte einen Fehler, Artikel vom 28. September 1955 auf Spiegel Online
  6. Prominenten-Gräber
  7. Zitiert in Gerhard E. Gründler: Erinnerung an Paul Sethe (Memento vom 25. Dezember 2009 im Internet Archive). 21. Juli 2010
  8. Der Spiegel 5. Mai 1965, Nr. 19, S. 18. (Online). Aber dazu die Auskunft vom Spiegel-Leserservice: "Leserbriefe, die vor Heft 14/2008 im SPIEGEL abgedruckt waren, sind aus rechtlichen Gründen nicht im SPIEGEL-Archiv bei SPIEGEL ONLINE abrufbar."
  9. Deutsche Biographie: Sethe, Paul - Deutsche Biographie. Abgerufen am 18. März 2021.
  10. http://www.marlaktuell.de/?p=209408 (abgerufen am 18. März 2021)
  11. Freie Demokratische Korrespondenz
  12. https://taz.de/Gurke-des-Tages-Bundespresseamt/!1701617/
  13. Thomas Steensen: Europäer und Journalist aus Leidenschaft. In: Schleswig-Holsteinische Landeszeitung vom 8. Oktober 2009.
  14. Setheweg. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)