Philipp-Melanchthon-Kirche (Berlin-Neukölln)
Die Philipp-Melanchthon-Kirche ist eine evangelische Kirche in Berlin-Neukölln, Hertastraße 11 / Kranoldstraße 16/17. Sie wurde in einem Gebäudekomplex mit Pfarrhaus und Gemeindehaus 1914–1916 erbaut, nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg 1948/1949 instand gesetzt und steht seit 1991 unter Denkmalschutz.
Geschichte
Die Evangelische Stadtkirchengemeinde Neukölln wurde im Zuge der Industrialisierung und des massenhaften Zuzugs von Menschen eine der größten Großstadtgemeinden in Deutschland mit über 200.000 Mitgliedern. Diese Gemeinde, nach der Zahl ihrer Kirchen in fünf Hauptbezirke gegliedert, blieb bis 1948 erhalten, danach wurde jeder Hauptbezirk selbstständig. Mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen schlossen sich Gemeinden wieder zusammen; so bildet die Gemeinde der Philipp-Melanchthon-Kirche inzwischen mit der der Fürbitt-Kirche die Evangelische Fürbitt-Melanchthon-Kirchengemeinde und zusammen mit der Genezareth-Kirchengemeinde den Pfarrsprengel Nordwest-Neukölln im Evangelischen Kirchenkreis Neukölln.
Der Bau der Philipp-Melanchthon-Kirche im südlich der Ringbahn gelegenen Teil Neuköllns lässt sich bis 1904 zurückverfolgen, als der renommierte Architekt Franz Schwechten für den Reuterplatz einen monumentalen Kuppelbau für 1100 Menschen entwarf. Dieser repräsentative Kirchbau kam jedoch aus finanziellen Gründen nicht zustande.
Im Januar 1909 wurden die Grundstücke für die Nikodemuskirche und die Philipp-Melanchthon-Kirche erworben. Die wesentlich billigere Nikodemuskirche wurde zuerst gebaut, anschließend nahm man die Philipp-Melanchthon-Kirche in Angriff. Die Grundsteinlegung war am 24. April 1914, die Einweihung am 23. Mai 1916. Der Entwurf stammte von dem Architekten Fritz Gottlob, die Baukosten betrugen rund 430.000 Mark.
Im Ersten Weltkrieg wurden die Bronze-Glocken für Rüstungszwecke konfisziert und eingeschmolzen. 1923 wurde ein neues Geläut aufgezogen.
In der Bombennacht vom 29. zum 30. Dezember 1943 wurde die Kirche schwer beschädigt. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche durch Artilleriebeschuss vollends unbenutzbar. 1948 begann der Wiederaufbau, 1949 wurden die Kirchenfenster unter Leitung von Herbert Noth erneuert. Im Dezember 1949 wurde die Kirche von Bischof Otto Dibelius wieder eingeweiht. 1951 wurde der Kirchturm neu eingedeckt und 1956 der große Saal renoviert. Zwischen 1965 und 1966 wurde die ursprüngliche Brauthalle der Kirche zu einer kleinen Kapelle umgebaut.
1990–1992 wurden Kirche und Gemeindehaus außen und innen saniert, nach Abschluss der Arbeiten wurde die Kirche am 1. November 1992 wieder eingeweiht.
Gebäude
Die Philipp-Melanchthon-Kirche wurde am Kranoldplatz, auf dem dreieckigen Eckgrundstück Herta-/Kranoldstraße als Dreiflügelanlage – bestehend aus Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus – in geschlossener Bauweise errichtet. Der Grundriss des Zentralbaus zeigt vier gleich lange Arme wie ein griechisches Kreuz. Der vierkantige, 68 Meter hohe Eckturm mit seinem flächig geschlossenen Schaft mit einem hohen Pyramidendach hat im Glockengeschoss ädikulaartige Klangarkaden. Drei schmucklose Eisenhartgussglocken ohne Krone vom Eisenwerk Franz Weeren bilden das Geläut.
Gießjahr | Schlagton | Gewicht (kg) |
Durchmesser (cm) |
Höhe (cm) |
---|---|---|---|---|
1960 | f' | 575 | 107 | 80 |
1962 | d' | 340 | 91 | 67 |
1962 | c' | 800 | 122 | 90 |
Der Sockel und die gliedernden Architekturteile wurden aus quadermäßig versetztem und bearbeitetem Kunststein hergestellt, die Flächen darüber mit Felsit-Porphyr-Putz verkleidet. Der Giebel des Hauptschiffes wurde in reicher Pfeilergliederung mit verkröpften Gesimsen aufgelöst, die Querhausgiebel in zwei Fensterpaaren. Die Giebelfelder werden von Pylonen flankiert.
In der architektonischen Gestaltung zeigt sich die beginnende Moderne, allerdings noch mit Anklängen an Klassizismus und Jugendstil.
Innenraum
Der Innenraum ist mit einem Sterngewölbe überdeckt, das Querschiff und die rückwärtige Front sind mit Emporen ausgestattet. In der Vorhalle steht die Statue des Philipp Melanchthons, der in der Hand die Bibel hält.
Orgel
Am 5. April 1964 wurde die neue Schuke-Orgel mit drei Manualen, einem Pedal, 38 Registern und 2700 Pfeifen eingeweiht, sie ersetzt die alte Sauer-Orgel.
Die Disposition stammt vom Orgelsachverständigen Berthold Schwarz (* 29. Juli 1909; † 16. Juni 1995):
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Für den Einbau der neuen Orgel wurde die Orgelempore verändert, sie musste durch Stahlträger verstärkt werden. Das Rundfenster hinter der Orgel wurde zugemauert.
Literatur
- Christine Goetz, Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Kirchen Berlin Potsdam. Berlin 2003, ISBN 3-87554-368-8, ISBN 3-88981-140-X.
- Günther Kühne, Elisabeth Stephanie: Evangelische Kirchen in Berlin. Mit einer Einf. von Oskar Söhngen. C. Z. V.-Verlag, Berlin 1978, ISBN 3-7674-0158-4.
- Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Berlin 1987, ISBN 3-7861-1443-9.
- Gemeindekirchenrat (Hrsg.): Festschrift 100 Jahre Ev. Philipp-Melanchthon-Kirche. Berlin 2016.
- Gemeindekirchenrat Philipp-Melanchthon (Hrsg.): 1916–1992. Festschrift zur Wiedereinweihung. Berlin 1992.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Sakralbauten (= Berlin und seine Bauten. Teil VI). Mit Beitr. von Marcus Cante [u. a.] Ernst & Sohn / Dom Publ., Berlin [u. a.] 1997, ISBN 3-433-01016-1.
Weblinks
- Evangelischer Kirchenkreis Neukölln
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- Die Orgeln der Philipp-Melanchthon-Kirche Neukölln. Auf: orgel-Verzeichnis.de
Koordinaten: 52° 27′ 57,1″ N, 13° 26′ 2″ O