Phoenix (Schiff, 1845)
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Die Phoenix war ein 1845 in Dienst gestellter Raddampfer der US-amerikanischen Reederei Pease & Allen, der Passagiere, Post und Fracht auf den Großen Seen beförderte. In der Nacht vom 21. auf den 22. November 1847 setzten die überhitzten Dampfkessel die Holzverkleidung des Dampfers auf dem Michigansee in Brand, der daraufhin in Flammen aufging und fünf Kilometer vor Sheboygan komplett ausbrannte. Etwa 250 Menschen starben, nur 42 Menschen überlebten. Es handelt sich um eines der bis heute schwersten Schiffsunglücke auf den Großen Seen.
Das Schiff
Der aus Holz gebaute Raddampfer Phoenix lief 1845 in der Werft von G. W. & B. B. Jones in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio vom Stapel. In Cleveland war das Schiff auch registriert. Die Phoenix war 42,82 m lang, 6,88 m breit und hatte einen Tiefgang von 3,05 m.
Hauptanlaufhäfen waren Buffalo und Chicago, aber auf der Strecke machte er noch in einigen anderen Städten halt. Das Schiff wurde nach dem mythischen Vogel Phönix benannt, der verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen.
Die letzte Fahrt
Beginn der Reise
Am Donnerstag, dem 11. November 1847, verließ die Phoenix Buffalo unter dem Kommando von Kapitän Benjamin G. Sweet für eine weitere Überfahrt nach Chicago. Sweet befehligte eine 25-köpfige Mannschaft. In den Laderäumen der Phoenix waren Kaffee, Zucker, Melasse sowie Bau- und Maschinenteile für eine Fabrik nahe Sheboygan verstaut. Die etwa 70 Passagiere der Ersten Klasse waren überwiegend US-Amerikaner aus Chicago, Racine und Southport (heute Kenosha). Sie bewohnten separate Kabinen auf dem Hauptdeck. Im Zwischendeck reisten etwa 200 niederländische Einwanderer, die von Rotterdam per Schiff nach New York gekommen waren und sich in Wisconsin niederlassen wollten. Sie waren in den Schlafsälen des Zwischendecks untergebracht.
Es sollte die letzte Fahrt der laufenden Saison sein. Wie bei diesen Fahrten nicht unüblich, war aufgrund der Jahreszeit das Wetter sehr rau und stürmisch und es kam zu Schneegestöber, Eisbildung und Minusgraden. In der Mackinacstraße verschlechterten sich die Bedingungen, als die Phoenix in einen heftigen Herbststurm geriet. Während das Schiff am 13. November den Eriesee durchquerte, stürzte Kapitän Sweet und zog sich eine Knieverletzung zu, wegen der er für den Rest der Fahrt ans Bett gefesselt war. Alle an Bord waren erleichtert, als die Phoenix am frühen Morgen des 21. November die geschützten Gewässer des Manitowoc River erreichte und im Hafen von Manitowoc (Wisconsin) anlegte. Viele Passagiere nutzten die Gelegenheit, um nach zehn Tagen in ihren beengten Quartieren einen Landgang einzulegen und in der Stadt etwas essen oder spazieren zu gehen.
Nach dem Löschen der für Manitowoc bestimmten Ladung und dem Aufladen neuer Fracht wurden die Bunker mit neuem Brennholz und Brennstoff für die Kessel gefüllt. Nachdem dies abgeschlossen war, entschied Kapitän Sweet, noch ein paar Stunden zu warten, bis sich das Wetter etwas beruhigt hatte. Erst am Abend setzte die Phoenix ihre Reise fort.
Brand und Untergang
Zwei Stunden nach dem Ablegen in Manitowoc berichtete ein Heizer dem zweiten Maschinisten Bill Owen, dass die Pumpen die Kessel nicht mehr ausreichend mit Kühlwasser versorgten und bat darum, den Chefingenieur einzuschalten. Owen ignorierte den Heizer, da er den Chefingenieur nicht belästigen wollte. Auch die Warnungen eines sachkundigen Passagiers der Ersten Klasse, der ein Ingenieur war, wurden ausgeschlagen.
Kurz vor 04.00 Uhr morgens am 22. November bemerkten Passagiere, dass Rauch aus den Kesselräumen kam. Die vollkommen überhitzten Dampfkessel hatten die Holzverkleidung angeschmort und in Brand gesetzt. Unter den Passagieren brach sofort Panik aus, was den Dienst habenden Besatzungsmitgliedern nicht verborgen blieb. Als dann die ersten Flammen zu sehen waren, versuchten ein Heizer und ein Maschinist, den Brand zu löschen, aber er breitete sich zu schnell aus. Der dichter werdende Rauch und die um sich greifenden Flammen vertrieben sie aus dem Maschinenraum.
Als das Feuer die Kessel zerstörte, verlor die Phoenix ihren Antrieb und driftete manövrierunfähig etwa fünf Kilometer vor Wisconsins Ufern in der Dünung. Chaos brach aus, die Panik stieg und immer wieder wurde „Feuer!“ gerufen. Dadurch erwachten auch die Passagiere, die bis zu dem Zeitpunkt noch geschlafen hatten. Die meisten eilten in Unterwäsche oder Schlafbekleidung umher. Innerhalb weniger Minuten waren die Decks überfüllt mit angsterfüllten Passagieren. Die Mannschaft versuchte, die Situation unter Kontrolle zu halten, und organisierte mit Hilfe der Passagiere eine Menschenkette, durch die Wassereimer hin und her gereicht wurden.
Als Kapitän Sweet bewusst war, dass das Feuer außer Kontrolle geraten war, befahl er, die Rettungsboote zu Wasser zu lassen. Trotz vergleichbarer Ereignisse in der jüngeren Vergangenheit, wie dem Brand auf dem Raddampfer Lexington am 13. Januar 1840 auf dem East River (139 Tote) oder dem Brand des Dampfers Erie vor Buffalo am 9. August 1841 (bis zu 250 Tote), hatte die Phoenix nicht ausreichend Rettungsboote für alle an Bord. Lediglich zwei kleine Boote mit einer Kapazität von je 20 Personen standen den 300 Menschen auf dem Schiff zur Verfügung.
Beide wurden besetzt und zu Wasser gelassen. Das erste wurde von Sweet persönlich kommandiert und hatte insgesamt 20 Menschen an Bord. Das zweite Boot, in dem 19 Menschen saßen, wurde vom Ersten Offizier H. Watts befehligt. Die beiden Männer hatten vor, die Boote zum Strand zu rudern, die Insassen auszuladen und zum Schiff zurückzukehren, um noch mehr Passagiere abzuholen. Das Wasser war durch den Sturm aber immer noch aufgewühlt und die Ruderer waren vollkommen erschöpft, als sie das Ufer erreichten. Eine sofortige Rückkehr war ausgeschlossen. Währenddessen stand die Phoenix vollständig in Flammen. Auf beiden Seiten des Dampfers sprangen Menschen zu Dutzenden in den eiskalten Michigansee. Die wenigsten konnten schwimmen. Andere kletterten auf das Dach des Sturmdecks oder an den Masten empor, wo die Flammen sie aber schnell einholten. Viele schafften es gar nicht erst an Deck. Körbe, Matratzen und Türen wurden über Bord geworfen, damit sich die Menschen im Wasser daran festhalten konnten. Ein Teppich aus treibenden Leichen und verkohlten Wrackteilen breitete sich aus. Die Überlebenden berichteten hinterher zudem vom süßlichen Geruch verbrannten Fleisches, der über dem See hing.
Der Schein der Flammen alarmierte einige in der Nähe befindliche Schiffe. Als das erste Schiff, der Dampfer Delaware, den Schauplatz erreichte, waren unter den dort Gebliebenen nur noch zwei Besatzungsmitglieder und ein Passagier am Leben, die sich zwei Stunden lang an die Ankerketten und einen Fender geklammert hatten und fast erfroren waren. Kapitän Tuttle an Bord der Delaware ließ die ausgebrannte Hülle der Phoenix in Schlepp nehmen, um sie nach Sheboygan zu bringen. Die Phoenix lag tief im Wasser und lief in der Nähe der nördlichen Mole auf Grund. Das Seil riss und fuhr in die Menschenmenge an der Pier, wo es einen 7-jährigen Jungen schwer im Gesicht entstellte.
Nachspiel
Das Wrack sank neben der Mole in zwei bis drei Meter tiefem Wasser. Es war zu sehr beschädigt, um es wieder instand setzen zu können und wurde von seinen Eignern aufgeben. Lediglich die Dampfkessel und andere Maschinerie sowie Teile der hölzernen Bugsektion wurden geborgen, um sie wiederverwenden zu können.
Noch Wochen nach dem Feuer wurden die Leichen von Männern, Frauen und Kindern an Land gespült. In zahlreichen niederländischen Gemeinden wurde der Verlust von Angehörigen beklagt. Nur 42 der etwa 300 Menschen an Bord der Phoenix überlebten den verheerenden Brand. Die genaue Anzahl der Todesopfer ist nicht bekannt, da Logbuch und Passagierliste mit dem Schiff verloren gingen. Das Unglück ist neben dem Brand der Raddampfer Erie 1841 und Seabird 1858, dem Untergang der Lady Elgin 1860 und dem Kentern der Eastland 1915 eine der schwersten Schiffskatastrophen auf den Großen Seen.
Trotz des Mangels an Rettungsbooten auf der Phoenix wurden US-amerikanische Passagierschiffe erst nach dem Untergang der Titanic 65 Jahre später mit ausreichenden Rettungsmitteln für alle Reisenden ausgestattet. Der amerikanische Maler William J. Koelpin (1845–1912) hielt das Unglück in einem Gemälde fest.
Literatur
- Mark L. Thompson. Graveyard Of The Lakes. Wayne State University Press (Detroit), 2000
- William Ratigan. Great Lakes Shipwrecks and Survivals. William B. Eerdman’s Publishing Company (Michigan), 1960
Weblinks
- Tabelle mit Baudaten der Phoenix in der Wisconsin Historical Society Shipwreck Database
- Detaillierte Zusammenfassung der Geschichte und des Untergangs der Phoenix
- Kürzere Zusammenfassung des Unglücks der Phoenix
- Das Kapitel über den Brand der Phoenix in Mark Thompsons Buch Graveyard of the Lakes
- Die Phoenix-Tragödie auf einer Website über niederländische Ahnenforschung
- Link zu einer Gedenkplakette für die Opfer der Phoenix in Sheboygan