Pola Negri

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Pola Negri, Fotografie von Ernst Sandau, um 1917

Pola Negri (eigentlich Apolonia Chałupec, auch Barbara Apolonia Chałupiec; * 3. Januar 1897[1][2] in Lipno, Russisch-Polen; † 1. August 1987 in San Antonio, USA) war eine polnische Schauspielerin und ein großer Star des Stummfilms. Die Wahl ihres Künstlernamens ist eine Reverenz an die italienische Schriftstellerin Ada Negri.

Leben

Pola Negri stammte aus der polnischen Stadt Lipno in der Region Kujawien. Ihr Vater, Jerzy Chalupec (1871–1920), war ein slowakischer Rom und von Beruf Klempner. Ihre Mutter, Eleonora Kiełczewska (1861–1954), war Polin.[3]

Negri, die in Warschau in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufwuchs, begann zunächst mit einer Ballettausbildung, die sie abbrechen musste, weil sie an Tuberkulose erkrankte. Sie wechselte zur Warschauer Schauspielschule und debütierte 1913 als Theaterschauspielerin in einem Stück von Henrik Ibsen. Kurz nach ihrem Debüt erhielt sie ein Engagement am Polnischen Nationaltheater, dessen Star sie mit gerade einmal 17 Jahren wurde. Zusammen mit ihrem Partner Edward Kuryłło förderte sie den polnischen Tango in den Warschauer Varietés. 1914 bekam sie eine Rolle in dem Stummfilm Niewolnica Zmysłów (Sklavin der Sinne) der Filmproduktionsfirma Sfinks.[4]

Nach Kriegsende eröffnete sich für Pola Negri die Chance ihres Lebens. Ryszard Ordyński, ein polnischer Regisseur, der mit Max Reinhardt in Berlin am Deutschen Theater arbeitete, entdeckte sie und engagierte sie direkt für die polnische Premiere der Pantomime Sumurûn, die später auch verfilmt wurde. Der internationale Durchbruch gelang ihr aber erst als Carmen und als Madame Dubarry, jeweils unter der Regie von Ernst Lubitsch.

Pola Negri, 1927

Es folgten weitere Filme mit Lubitsch. Auf dem Höhepunkt des Erfolges ging Negri mit einem lukrativen Vertrag der Filmgesellschaft Paramount in die USA. Sie wurde vom Studio als mögliche Konkurrentin von Gloria Swanson aufgebaut. Ihre Hollywood­filme erreichten allerdings meist nicht das Niveau ihrer Zusammenarbeit mit Lubitsch. Nach einigen enttäuschenden Produktionen ließ das Studio die beiden 1924 wieder gemeinsam für Das verbotene Paradies (Forbidden Paradise) arbeiten, mit Negri als Zarin Katharina die Große.

Bekannt wurde Negri in den USA hauptsächlich durch ihre Schlagzeilen über Romanzen mit Charlie Chaplin, dem sie 1921 zum ersten Mal begegnet war, und Rudolph Valentino. So soll sie nach der Nachricht vom Tod Valentinos direkt vom Drehort eines ihrer Filme nach New York zur Beerdigung aufgebrochen sein, um sich dramatisch über den Sarg des Schauspielers zu werfen. Ihre Ehe mit Serge Mdivani passte in ihre Selbstinszenierung als „Grande Dame“.[5] Nach dieser Heirat führte sie den Titel „Prinzessin Mdivani“ und bewohnte mit ihrem Ehemann das im 18. Jahrhundert erbaute Schloss Rueil in der französischen Gemeinde Seraincourt. Nachdem die Ehe 1931 unter viel Pressewirbel geschieden worden war, ließ sie in verschiedenen deutschen Zeitungen ihre mehr oder weniger fantasievollen Memoiren abdrucken, die sie – entgegen der Beschwerde von Serge Mdivani – mit „Pola Negri, Prinzessin Mdivani“ unterzeichnete.[6]

Pola Negri und Serge Mdivani bei ihrer Hochzeit am 14. Mai 1927

Obwohl sie für die Rolle als Katharina die Große von der Kritik gelobt wurde, war dies der letzte finanzielle Erfolg für die Schauspielerin. Mit Ausnahme von Hotel Imperial, das sie 1927 mit Mauritz Stiller drehte, lehnten Publikum und Kritik ihre weiteren Filme ab. Mit dem Tonfilm ging Negris nordamerikanische Karriere zu Ende: Ihr starker Akzent kam beim Publikum nicht an.[7]

Infolgedessen geriet sie in finanzielle Schwierigkeiten. Sie ging zurück nach Europa und drehte auf Einladung Willi Forsts einige Filme für die UFA. Ihr bekanntester Film wurde 1935 Mazurka, der zu einem von Hitlers Lieblingsfilmen wurde[8]; den Gesangspart der hohen Töne übernahm Hilde Seipp. Obwohl sie zunächst wegen ihrer angeblich jüdischen Abstammung von Propagandaminister Joseph Goebbels mit einem Drehverbot belegt worden war, durfte sie nach Hitlers persönlicher Intervention die Rolle spielen.[9] Zwei Jahre später wurde der Film unter dem Titel Confession mit Kay Francis in Amerika als Remake gedreht.

Negri nahm einige ihrer Filmschlager in Deutsch und teilweise auch in Englisch auf Schellackplatten auf, darunter Peter Kreuders Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt. Ihre zweite Karriere in Deutschland litt jedoch unter der Wiederholung der ständig gleichen Rollen. Sie ging zunächst nach Frankreich und 1941 zurück in die USA. Dort hatte sie jedoch große Schwierigkeiten aufgrund ihrer vermeintlichen Nähe zu Hitler. Nachdem sie zwischenzeitlich auf Ellis Island festgesetzt worden war, konnte sie erst 1943 in Hi Diddle Diddle eine Persiflage auf ihre alten Vamprollen spielen.[10]

Ab den 1950er Jahren lebte sie im texanischen San Antonio und wurde eine erfolgreiche Grundstücksmaklerin.[11] Sie drehte nur noch zwei Filme, 1943 und 1964. In der Disney-Produktion The Moon Spinners von 1964 zog sie bereits eine Bilanz ihres Lebens: „Ich habe zwei Weltkriege überlebt, vier Revolutionen und fünf Männer“.[11]

Kurz kam sie noch einmal ins Gespräch für die Besetzung der Norma Desmond in Boulevard der Dämmerung von Billy Wilder. Wilder berichtete, Negris Akzent habe eine Besetzung unmöglich gemacht. Andere Quellen behaupten, Negri selbst hätte es als Affront empfunden, einen ehemaligen Star zu spielen.

Pola Negris sterbliche Überreste sind im großen Mausoleum des Calvary Cemetery in Los Angeles beigesetzt.

Ihr Leben erzählt das 3D-Musical „Polita“, das 2011 in Warschau uraufgeführt wurde und weiterhin auf dem Programm steht.[12] In dem 2018 zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs auf ARTE ausgestrahlten Doku-Drama-Serie Krieg der Träume werden die Erlebnisse Pola Negris nach 1918 episodisch dargestellt.

Filmografie

Stummfilme

Tonfilme

Auszeichnungen

Literatur

  • Pola Negri: Memoirs of a Star. Doubleday, New York NY 1970.
  • Axel von Cossart (Hrsg.): Pola Negri. Leben eines Stars. Voco-Edition, Köln 1988, ISBN 3-926566-26-4.
  • Daniela Dröscher: Pola. Roman. Berlin-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-8270-1106-0.
  • Robert Florey: Pola Negri. Ihr Debut, ihre Filme, ihre Erlebnisse. Nilsson, Leipzig 1927.
  • Rachel M. Gaikowa: Dämonische Weiber. Pola Negri, Mata Hari (= Eva-Privat-Bücherei. Bd. 1). Eva-Verlag, Leipzig 1930.
  • F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. Ein leidenschaftlicher Blick zurück in die Zeit der ersten Stars. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999, ISBN 3-89602-128-1.
  • Jürgen Kasten: Negri, Pola. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 35 (Digitalisat).
  • Mariusz Kotowski: Pola Negri : Hollywood's first femme fatale, Lexington, Ky. : University Press of Kentucky, 2014, ISBN 978-0-8131-4488-7.
  • Frank Noack: Pola Negri – Schauspielerin. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film. Lieferung 51, 2012.
  • Jerzy Nowakowski: Boska Pola i inni. To My, Warschau 2000.
  • Jürgen W. Schmidt: Pola Negri und Bromberg – Ein Filmstar unter Spionageverdacht. In: Bromberg. Zeitschrift der Bidegastvereinigung. Nr. 136, Dezember 2004, ISSN 0171-1644, S. 3–4.
  • Tony Villecco: Pola Negri - The Hollywood Years, Birmingham 2017.

Weblinks

Commons: Pola Negri – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. am 18. April 1978 ausgefertigte Abschrift der Geburtsurkunde (in einer am 15. Juli 1960 handschriftlich angefertigten Abschrift der Geburtsurkunde wird abweichend der 3. Januar 1896 beurkundet, während auch hier die Quelle der Abschrift als 11/L/1897 angegeben wird)
  2. Pola Negri im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Waldemar Ireneusz Oszczęda: Pola Negri - filmowa gwiazda Hollywood o słowackim rodowodzie. In: TOP - Tygodnik Opoczyński. Abgerufen am 31. Dezember 2013.
  4. F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. 1999, S. 70.
  5. F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. 1999, S. 75.
  6. Altonaer Nachrichten/Hamburger neueste Zeitung. 12. Januar 1932.
  7. F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. 1999, S. 76.
  8. Ulrich J. Klaus: Deutsche Tonfilme 6. Jahrgang 1935. S. 141 (082.35), Berlin 1995
  9. F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. 1999, S. 77.
  10. F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. 1999, S. 78 f.
  11. a b F.-B. Habel: Verrückt vor Begehren. Die Filmdiven aus der Stummfilmzeit. 1999, S. 80.
  12. Website zum Musical (polnisch)