Poor Things
Film | |
Originaltitel | Poor Things |
Produktionsland | USA, Irland |
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Originalsprache | Englisch |
Erscheinungsjahr | 2022 |
Stab | |
Regie | Giorgos Lanthimos |
Drehbuch | Tony McNamara |
Produktion | Ed Guiney, Giorgos Lanthimos, Andrew Lowe |
Kamera | Robbie Ryan |
Schnitt | Yorgos Mavropsaridis |
Besetzung | |
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Poor Things (dt.: „Arme Dinger“) ist ein US-amerikanisch-irischer Spielfilm von Giorgos Lanthimos. Basierend auf dem gleichnamigen schwarzhumorigen Roman von Alasdair Gray (dt. Titel: Arme Dinger) wird eine feministische Variation über Frankenstein erzählt. Im Mittelpunkt der Handlung steht die attraktive und freiheitsliebende Bella (dargestellt von Emma Stone), die im Schottland des 19. Jahrhunderts von den Toten wiederaufersteht.
Ein genauer Kinostart ist noch nicht bekannt.
Handlung
Glasgow, Ende des 19. Jahrhunderts: Laut den Memoiren des Physikers Archibald „Archie“ McCandless ertränkte sich einst die verheiratete und schwangere Victoria Blessington, um dem Missbrauch ihres Ehemanns Sir Aubrey zu entkommen.[1] Ihr Leichnam gelangte aber in die Hände des brillanten aber exzentrischen Arztes Godwin Baxter,[2] der sie zu retten versuchte. Er ersetze dabei Victorias Gehirn durch das ihres ungeborenen Kindes. Tatsächlich stand Victoria von den Toten wieder auf und wurde fortan von ihrem Retter Bella genannt. Allerdings hatte sie das geistige Alter eines Kindes, galt als übersexuell und unberechenbar. Dennoch verliebte sich Baxters Kamerad „Archie“ in sie und plante eine Hochzeit mit ihr. Bella flüchtete jedoch vor ihm und reiste mit einem zwielichtigen Anwalt über Alexandria und Odessa bis in ein Pariser Bordell.[1]
Als Bellas Gehirn mit der Zeit zu reifen begann, entwickelte sie ein soziales Gewissen. Sie wollte ihre Flucht ungeschehen machen und kehrte zu „Archie“ zurück. Kurz vor der gemeinsamen Hochzeit, wurde Bella aber von ihrem rechtmäßigen Ehemann als Victoria wiedererkannt.[1]
Entstehungsgeschichte
Literarische Vorlage
Handlung
Der Stoff basiert auf dem Roman Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D. Scottish Public Health Officer von Alasdair Gray aus dem Jahr 1992. Der Autor (1934–2019) zählt zu den bedeutendsten Vertretern der neueren schottischen Literatur. Seine Werke zeichnen sich durch das Verschmelzen von Sozialkritik, experimenteller Schreibweise und skurrilem Humor aus.[3]
Poor Things ist Grays zweiter Ehefrau Morag McAlpine gewidmet und hat als postmoderne Überarbeitung[4] Mary Shelleys Frankenstein (1918) als literarischen Vorläufer. Es markiert seine Rückkehr zum Fantasy- und Science-Fiction-Genre und spielt Ende des 19. Jahrhunderts in Schottland.[5] Der Roman setzt sich aus einer Reihe von Dokumenten zusammen, von denen Gray als angeblicher Herausgeber des Buches behauptet, sie stammen aus einer inzwischen aufgelösten Anwaltskanzlei in Glasgow. Die längste Erzählung ist Episodes from the Early Life of a Scottish Public Health Officer. Sie wird aus der Perspektive des Arztes Archibald McCandless erzählt, der gemeinsam mit dem mysteriösen und deformierten chirurgischen Genie Godwin Baxter an der medizinischen Fakultät der University of Glasgow forscht. Eines Tages stellt Baxter ihm die junge Bella vor. Die Frau, Mitte zwanzig, verfügt über die Mentalität eines Kindes und soll von Baxter aus dem auferstandenen Körper eines Selbstmordopfers erschaffen worden sein. In diesen setzte Baxter eigenen Angaben zufolge das Gehirn von Bellas eigener ungeborener Tochter ein, lässt sie aber in dem Glauben, eine Waise mit Amnesie zu sein. Zwar verlobt sich Bella mit McCandless, rennt aber mit dem zwielichtigen Anwalt Duncan Wedderburn davon. Nach Reisen durch Europa und Nordafrika kehrt Bella, deren Verstand schnell reift, zurück. Die brutalen Realitäten der Welt haben sie verändert, während der wütende Wedderburn in ihr die scharlachrote Frau sieht, die in der Offenbarung des Johannes erwähnt wird. Am Ende heiraten Bella und McCandless.[4] Bella wird zum Inbegriff der modernen, emanzipierten Frau[6] und selbst Ärztin,[4] während Baxter stirbt.[6]
Der Erzählung folgt als Epilog ein nüchterner Bericht von Victoria McCandless, die behauptet, Archibalds Frau zu sein und dass die vorangegangene bizarre Geschichte erfunden sei. Ihr Mann habe mit Multipler Sklerose im Sterben gelegen, als er sich die Geschichte ausdachte.[4] Der verschrobenen Idealistin Victoria zufolge, Suffragette, fabianische Sozialistin, Pazifistin und Befürworterin von Geburtsstühlen,[7] habe sie Baxter als potentielle Patientin kennengelernt, um ihre Klitoris operativ entfernen zu lassen. Baxters Weigerung, der später an einer erblichen Syphilis stirbt, habe bei ihr Liebe hervorgerufen. Daraufhin habe Victoria einer Scheinehe mit dem neiderfüllten, aber für ihre Pläne nicht weiter lästigen Kameraden McCandless zugestimmt.[4][6]
Vergleich mit »Frankenstein« und Rezeption
Im Gegensatz zu Frankenstein erschaffen die beiden Medizinstudenten Baxter und McCandless eine Frau sowie ein Leben aus zwei Individuen – aus dem Körper einer Selbstmörderin und dem transplantierten Gehirn ihres Fötus. Während Frankenstein sich gegen das Monster wendet und es aufgibt, versuchen die Ärzte in Grays Roman ihre schöne Kreation namens Bella zu pflegen und zu erziehen.[5] Baxter selbst erscheint als hässlicher und monströser Frankenstein.[6] Bellas Erziehung erweist sich aufgrund ihrer erwachsener körperlicher Reife gepaart mit ihrer infantilen Psyche als „entmutigende Aufgabe“. Die Geschichte voller Drehungen und Wendungen präsentiert eine typische viktorianische Auflösung und ist mit Grays eigener Typografie sowie in Form von selbstkreierten Gravuren und medizinischen Illustrationen bebildert.[5]
Die britisch-amerikanische Literaturkritik lobte das Buch bei seiner Veröffentlichung als „lustig, unanständig und ‚herrlich lebhaft‘“ und es gewann mit dem Whitbread Book Award und Guardian Fiction Prize zwei renommierte britische Literaturpreise.[8] Grays Biograf Rodge Glass beschrieb Poor Things als „ein Pastiche mit starken Schauerelementen“ und pries es als lustigstes Werk des Autors.[9] Auch in Deutschland, wo es 1996 unter dem Titel Arme Dinger erschien, fand es Lob seitens der Fachkritik.[10][6] Gray habe „eine intelligente und nicht ganz unaktuelle Variation vor allem des Frankenstein-Motivs“ geschaffen. Der Autor habe „dessen kritisches Potential aus der ursprünglichen Perspektive auf die Hybris der modernen Wissenschaft, auf die Anmassung viktorianischer Männerphantasien übertragen, Frauen als funktionale Geschöpfe ihrer Bedürfnisse zu formen“, so Uwe Pralle (Neue Zürcher Zeitung).[6]
Filmadaption
Poor Things ist der achte Spielfilm des griechischen Regisseurs Giorgos Lanthimos. Ende Januar 2021 wurde bekannt, dass er den Film vorbereitete. Für das Drehbuch zeichnete der Australier Tony McNamara verantwortlich, der an Lanthimos vorangegangenem erfolgreichen Werk The Favourite – Intrigen und Irrsinn (2018) ebenfalls als Co-Autor mitgewirkt hatte. Für die weibliche Hauptrolle der Bella Baxter wurde die US-Amerikanerin Emma Stone verpflichtet, die ebenfalls in The Favourite eine tragende Rolle bekleidet hatte.[8] Zum weiteren Schauspielensemble gehören Margaret Qualley, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, der britische Komiker Jerrod Carmichael, Christopher Abbott, Kathryn Hunter und Ramy Youssef, die alle das erste Mal unter der Regie von Lanthimos agieren.[8]
Poor Things wurde von Ed Guiney und Andrew Lowe für Element Pictures produziert, gemeinsam mit Lanthimos sowie Stones Produktionsfirma Fruit Tree.[11] Element Pictures hatte auch die vorangegangenen englischsprachigen Filme von Lanthimos produziert. Ebenfalls wirkten Searchlight Pictures und Film4 an dem Projekt mit.[2]
Die Dreharbeiten sollten noch im selben Jahr in den Origo-Filmstudios in Budapest beginnen.[12] Kurz danach arbeiteten Lanthimos und Stone an dem Schwarzweiß-Kurzfilm Bleat zusammen, der Anfang Mai 2022 veröffentlicht werden soll.[13]
Rezeption
Poor Things soll voraussichtlich im Jahr 2022 veröffentlicht werden. Ein genauer Kinostart ist noch nicht bekannt. Mit Sebastián Lelios The Bride mit Scarlett Johansson in der Titelrolle ist ein ähnlicher Film mit weiblichem Frankenstein-Motiv in Vorbereitung.[14]
Noch vor Bekanntgabe eines Kinostarts wurde Poor Things von amerikanischen Branchendiensten zu den möglichen Höhepunkten des Kinojahres 2022 gezählt[15] und als einer der Mitfavoriten für die Oscarverleihung 2023 gehandelt.[16]
Literatur
- Alasdair Gray: Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D. Scottish Public Health Officer. London: Bloomsbury, 1992. – ISBN 9780747512462.
- Alasdair Gray: Arme Dinger : Episoden aus den frühen Jahren des schottischen Gesundheitsbeamten Dr. med Archibald McBandless. Frankfurt am Main : Rogner und Bernhard bei Zweitausendeins – Affoltern a. A., 1996. – ISBN 3-8077-0343-8.
Weblinks
- Poor Things in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b c Tweet bei twitter.com/thediegoandaluz (abgerufen am 7. April 2022).
- ↑ a b Zack Sharf: Yorgos Lanthimos Assembles Epic Cast for New Film: Stone, Dafoe, Ruffalo, Youssef, Carmichael. In: indiewire.com, 25. Mai 2021 (abgerufen am 9. April 2022).
- ↑ Dietmar Böhnke (2020): Gray, Alasdair. In: Arnold H.L. (eds) Kindlers Literatur Lexikon (KLL). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05728-0_8653-1.
- ↑ a b c d e Angus Hargan: Alasdair Gray. In: Contemporary Literary Criticism, hrsg. von Lawrence J. Trudeau, Vol. 388, Gale, 2016. Gale Literature Resource Center (lizenzpflichtig; abgerufen am 9. April 2022).
- ↑ a b c Darren Harris-Fain: Alasdair James Gray. In: British Fantasy and Science-Fiction Writers Since 1960, hrsg. von Darren Harris-Fain, Gale, 2002. Dictionary of Literary Biography Vol. 261. Gale Literature Resource Center (lizenzpflichtig; abgerufen am 9. April 2022).
- ↑ a b c d e f Uwe Pralle: Ein Spieler des Erzählens. In: Neue Zürcher Zeitung, 24. August 1996, S. 66.
- ↑ Poor Things. In: Publishers Weekly, Vol. 240, Nr. 2, 25. Januar 1993, S. 78 (lizenzpflichtig; abgerufen via Gale Literature Resource Center).
- ↑ a b c Beth Murray: Scottish writer Alasdair Gray’s novel set to be made into a film starring Emma Stone. In: scotsman.com, 31. Januar 2021 (abgerufen am 9. April 2022).
- ↑ Hollywood star in film of Scottish gothic novel. In: The Times, 2. Februar 2021, S. 13.
- ↑ Elmar Schenkel: Erlösung durch Knuddeln. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. April 1996, Nr. 93, S. 34.
- ↑ Anthony D’Alessandro: Ramy Youssef In Talks To Join Emma Stone In Yorgos Lanthimos’ ‘Poor Things’ For Searchlight & Film4. In: deadline.com, 13. April 2021 (abgerufen am 9. April 2022).
- ↑ On location: the new TV and film hotspots. In: The Times, 20. August 2021, T2, S. 5.
- ↑ Samantha Bergeson: Emma Stone and Yorgos Lanthimos Reunite for Black-and-White Short ‘Bleat’ — Watch Trailer. In: indiewire.com, 22. März 2022 (abgerufen am 9. April 2022).
- ↑ Emma Stone spielt in 'Poor Things' mit . In: rtl.de, 4. Februar 2021 (abgerufen am 10. April 2022).
- ↑ Andreas Wiseman: From Iñárritu To Elvis & Harry Styles To Frances McDormand: 30 Movies (And A TV Series) That Could Light Up Film Festivals In 2022. In: deadline.com, 3. Januar 2022 (abgerufen am 2. April 2022).
- ↑ Clayton Davies: Oscars 2023: Our First Blind Predictions, From ‘Fabelmans’ to ‘Flower Moon’. In: variety.com, 31. März 2022 (abgerufen am 2. April 2022).