Primär biliäre Cholangitis

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Mikrofoto einer Leberbiopsie bei Primär biliärer Zirrhose mit Inflammation der Gallengänge. (HE-Färbung).
Klassifikation nach ICD-10
K74.3 Primäre biliäre Cholangitis
Chronische nichteitrige destruktive Cholangitis
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die primär biliäre Cholangitis (PBC, chronische nichteitrige destruierende Cholangitis, früher: Primär biliäre Zirrhose) ist eine relativ seltene Autoimmunerkrankung der Leber, die in ca. 90 % der Fälle Frauen betrifft. Diese beginnt (primär) an den kleinen Gallengängen (biliär), die durch eine Entzündung zerstört werden. Im längeren Verlauf kann die Entzündung auf das gesamte Lebergewebe übergreifen und zur Vernarbung führen. Da es erst im Endstadium der Erkrankung zur Zirrhose kommen kann, erfolgte in der Fachliteratur ab 2015 eine Umbenennung in „Primar biliäre Cholangitis“.[1] Die Erkrankung lässt sich häufig bereits durch antimitochondriale Antikörper (AMA) und Laborwerte wie eine erhöhte alkalische Phosphatase (AP) im Blut nachweisen, auch wenn die Leber noch relativ unversehrt ist.[2][3]

Symptome

Besonders häufige Symptome der PBC sind Müdigkeits- und Erschöpfungszustände (70–90 % der Patienten) sowie Juckreiz (20–70 %). Rheuma-ähnliche Begleiterscheinungen umfassen Gelenkbeschwerden, Schilddrüsenerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis) und trockene Schleimhäute (Sicca-Syndrom). Kleine Fetteinlagerungen in den inneren Augenwinkeln (Xanthelasmen) werden bei ca. 20 % der Patienten beobachtet. Fettstühle und Vitamin-Mangel (insbes. Vitamin A, D, E und K) können ebenfalls mit einer PBC einhergehen. Bei 20 % der Frauen mit PBC wurden immer wieder auftretende (rezidivierende) Harnwegsinfekte gefunden. Im Spätstadium der Zirrhose können sich Zirrhose-typische Komplikationen einstellen (vgl. Zirrhose). Dazu gehören Wasserbauch (Aszites), Krampfadern in der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) oder im Magen (Fundusvarizen), Störungen der Hirnfunktion (hepatische Enzephalopathie) und Leberkrebs. Ob die PBC auch das Risiko eines Knochenabbaus (Osteoporose) erhöht, wird durch neue Untersuchungsergebnisse jedoch in Frage gestellt.

Diagnose

Allgemeine Laborwerte, die auf Gallenwegsentzündung bzw. Gallestau hinweisen können, sind oft erhöht: Dazu gehören die alkalische Phosphatase (AP) und die Gamma-Glutamyltranspeptidase (GGT oder Gamma-GT). Bei Leberschädigung sind auch die Leberenzyme AST und ALT erhöht, im Verlauf können die von der Leber synthetisierten Gerinnungskörper abfallen, sodass die Blutungszeit zunimmt, der Quick-Wert also abnimmt. Die Eiweißverbindung IgM (Antikörper) kann bei PBC erhöht sein.

Bei 90 % der PBC-Patienten sind die so genannten antimitochondrialen Antikörper (AMA) vom Subtyp M2 im Blut erhöht. Dieser Befund kann die Diagnose oft schon beweisen. (Eine seltene Ausnahme ohne AMA-Erhöhung ist die so genannte „AMA-negative PBC“, die auch als Autoimmuncholangitis bezeichnet wird.) Weitere PBC-spezifische antinukleäre Antikörper (ANA) richten sich gegen ‚nuclear dots‘ (sp100) und Kernmembran (gp210).

Im Ultraschall (Sonographie) kann die Leber im Frühstadium unauffällig oder ähnlich wie eine Fettleber aussehen. In späteren Stadien kann die Leber vergrößert sein, im Endstadium der Zirrhose ist die Oberfläche oft höckrig oder gewellt, die Leber kann hier wieder schrumpfen.

Eine Leberpunktion (Leberbiopsie) kann bei der Erstdiagnose helfen, die Diagnose auch über eine Gewebeuntersuchung abzusichern.

Wichtig ist es, die PBC klar von anderen Autoimmunerkrankungen wie z. B. Autoimmunhepatitis oder primär sklerosierender Cholangitis abzugrenzen. In bis zu 10 % der Fälle können auch Mischformen z. B. von PBC und Autoimmunhepatitis auftreten (so genanntes Overlap-Syndrom).

Ursachen

PBC ist eine cholestatische Autoimmunkrankheit, deren Ursachen und Auslöser nach wie vor nicht eindeutig geklärt sind.[2][3] Bei Autoimmunkrankheiten kann das eigene Immunsystem aufgrund eines Defektes nicht mehr zwischen „Fremd“ und „Eigen“ unterscheiden und greift die Mitochondrien in körpereigenen Zellen an. Die entsprechenden Autoantikörper sind gegen die E2 Untereinheit des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes, das Enzym Dihydrolipoyl-Transacetylase gerichtet.[4] Dies führt bei PBC zu einer Entzündung der kleinen Gallengänge (Cholangitis).[3]

Stark abweichende Meinungen gibt es, welche Faktoren eine PBC zum Ausbruch bringen können. Diskutiert werden u. a. hormonelle und genetische Einflüsse, Medikamente, Infektionen mit Viren, Pilzen oder Bakterien sowie Umwelteinflüsse. Eine Studie wies darauf hin, dass E2-Derivate, in denen Liponsäure durch Octin-7-carbonsäure, eine als Methylester industriell als Duft- und Geschmacksstoff (Veilchen) verwendete Verbindung, ersetzt wurde, das modifizierte E2 eine wesentlich stärkere Antigenwirkung aufwies. Allergien auf den Methylester sind bekannt. Kosmetikartikel mit diesem Stoff müssen EU-weit gekennzeichnet werden („METHYL 2-OCTYNOATE“).[5][6][7]

Der Einfluss von Schwangerschaft auf PBC und umgekehrt von PBC auf Schwangerschaft ist nicht geklärt. Alkohol ist erwiesenermaßen kein Auslöser von PBC. Er kann jedoch wie bei allen Lebererkrankungen den Verlauf ungünstig beeinflussen und sollte strikt gemieden werden.

Heutige Therapie

Der Krankheitsverlauf ist von Patient zu Patient unterschiedlich und kann durch eine Therapie deutlich verlangsamt werden. Aktuelle Registerstudien weisen darauf hin, dass nahezu 80 % der behandelten PBC-Patienten nach 10 Jahren weiterhin am Leben sind. Historische Studien mit unbehandelten Patienten zeigten dagegen ein erhöhtes Sterberisiko von durchschnittlich 10 bis 16 Jahren nach der Erstdiagnose.[3] In Frühstadien der Erkrankung scheint die Lebenserwartung nicht wesentlich eingeschränkt zu sein. Die Standardtherapie der PBC besteht heute in Ursodeoxycholsäure (UDCA), die als Tablette gegeben werden kann. Die Therapie wird gewöhnlich gut vertragen, setzt nach Diagnosestellung ein und dauert lebenslang. Ziel der Therapie ist, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen und Laborwerte zu verbessern. Als weitere Therapie ist seit 2016 die Obeticholsäure (OCA) zugelassen.[3]

Transplantation

Schreitet die Erkrankung trotz Therapie bis zur dekompensierten Zirrhose voran oder werden Symptome wie z. B. Juckreiz trotz Behandlung für Patienten unerträglich, wird oft eine Lebertransplantation nötig. Bei 75 % der transplantierten Patienten ist damit auch die PBC geheilt, bei 25 % können sich in der neuen Leber wieder PBC-ähnliche Schäden entwickeln. Nach einer erfolgreichen Lebertransplantation ist die Langzeitprognose von PBC-Patienten gut.

Zukunftsaussichten

Ein Durchbruch bei der Ursachensuche der PBC ist auch in den kommenden Jahren kaum zu erwarten. Viele Studien scheinen für sich genommen plausibel, widersprechen sich aber in den Ergebnissen. Auch Meldungen in der medizinischen Fachpresse, die Ursache sei gefunden (z. B. Umwelteinflüsse oder Retroviren), sollten daher mit großer Vorsicht aufgenommen werden.

Wenn die Standardtherapie mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) nicht ausreichend anspricht, wird untersucht, ob die Wirksamkeit durch die Kombination mit weiteren Substanzen verbessert werden kann. Zu diesem Zweck ist seit 2016 die Kombination aus UDCA und Obeticholsäure als Second-Line-Therapie zugelassen. Weitere Kombinationstherapien wie z. B. UDCA und Fibrate werden mitunter als "off-label"-Therapien eingesetzt, sind jedoch aktuell nicht zur PBC-Behandlung zugelassen (Stand: Januar 2021). In Studien werden mittlerweile auch weitere neuartige Substanzen als Kombinationspartner mit UDCA untersucht.[3][8][9]

Bildergalerie

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ulrich Beuers et al.: Changing nomenclature for PBC: From 'cirrhosis' to 'cholangitis'. In: Clin Res Hepatol Gastroenterol. Band 39(5), Oktober 2015, S. e57–9, doi:10.1016/j.clinre.2015.08.001, PMID 26433440 (englisch).
  2. a b Christian P. Strassburg et al.: S2k Leitlinie Autoimmune Lebererkrankungen. AWMF-Reg. Nr. 021-27. In: Z Gastroenterol 2017; 55: 1135–1226. Georg Thieme Verlag, 2017, abgerufen am 15. Januar 2021 (deutsch).
  3. a b c d e f European Association for the Study of the Liver: EASL Clinical Practice Guidelines: The diagnosis and management of patients with primary biliary cholangitis. In: Journal of Hepatology 2017 vol. 67j145–172. European Association for the Study of the Liver, abgerufen am 15. Januar 2021 (englisch): „The factors leading up to disease initiation are not well under-stood.“
  4. A. Lleo, C. Selmi, P. Invernizzi u. a.: Apotopes and the biliary specificity of primary biliary cirrhosis. In: Hepatology. Band 49, Nr. 3, März 2009, S. 871–879, doi:10.1002/hep.22736, PMID 19185000.
  5. K. Amano, P. S. Leung, R. Rieger u. a.: Chemical xenobiotics and mitochondrial autoantigens in primary biliary cirrhosis: identification of antibodies against a common environmental, cosmetic, and food additive, 2-octynoic acid. In: J. Immunol. Band 174, Nr. 9, Mai 2005, S. 5874–5883, PMID 15845458 (jimmunol.org).
  6. J. S. English, R. J. Rycroft: Allergic contact dermatitis from methyl heptine and methyl octine carbonates. In: Contact Dermatitis. Band 18, Nr. 3, März 1988, S. 174–175, PMID 2966714.
  7. Kennzeichnung von Duftstoffen. In: bund.de. BVL, abgerufen am 13. Februar 2017.
  8. Clinicaltrials.gov: Übersicht von PBC-Studien auf Clinicaltrials.gov. Clinicaltrials.gov, abgerufen am 15. Januar 2021 (englisch).
  9. Christian P. Strassburg et al.: S2k Leitlinie Autoimmune Lebererkrankungen. AWMF-Reg. Nr. 021-27. In: Z Gastroenterol 2017; 55: 1135–1226. Georg Thieme Verlag, 2017, S. 1159-60, abgerufen am 15. Januar 2021.

Quellen

  • U. Leuschner: Autoimmunkrankheiten der Leber und Overlapsyndrome. 1. Auflage. UNI-MED Verlag, 2001.
  • H. Rautiainen u. a.: Budesonide Combined with UDCA to Improve Liver Histology in Primary Biliary Cirrhosis: A Three-Year Randomized Trial. In: Hepatology, April 2005, S. 747–752.
  • A. S. Abdulkarim, L. M. Petrovic, W. R. Kim, P. Angulo, R. V. Lloyd, K. D. Lindor: Primary biliary cirrhosis: an infectious disease caused by Chlamydia pneumoniae? In: J Hepatol., 2004 Mar, 40(3), S. 380–384.
  • K. Dohmen u. a.: Atrophic corpus gastritis and Helicobacter pylori infection in primary biliary cirrhosis. In: Dig Dis Sci., 2002 Jan, 47(1), S. 162–169.
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