Abführmittel

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Glycerin-Zäpfchen als Abführmittel verwendet.

Abführmittel, Laxativa (Singular: Laxativum), Laxanzien, Laxantia[1] (veraltet: Laxantien, Singular: Laxans; von lateinisch laxare „lockern“), sind Arzneimittel, die den Stuhlgang bzw. die Darmentleerung fördern und gegen Obstipation (Konstipation, Verstopfung) eingesetzt werden. Ein stark wirksames Abführmittel wird als Drastikum (Plural: Drastika)[2] bezeichnet.

Abführmittel sind die Mittel der Wahl, wenn eine tatsächliche Verstopfung (d. h. Stuhlgang seltener als drei Mal wöchentlich trotz starken Pressens) nicht durch eine Ernährungsumstellung oder eine Änderung des Lebensstils behandelt werden kann.

Eine Ernährungsumstellung mit vermehrter Aufnahme von Ballaststoffen in Kombination mit einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme und mit mehr Bewegung kann helfen, die Darmtätigkeit anzuregen und die Stuhlkonsistenz zu verbessern. Erst bei Versagen dieser Maßnahmen ist (nach ärztlicher Abklärung) die Einnahme von Abfühmitteln angezeigt.

Wirkprinzipien der Abführmittel

Bei Abführmitteln wird die Wirkung meistens dadurch erzielt, dass sie das Stuhlvolumen innerhalb des Darms vergrößern. Dadurch wird auch der Druck auf den Darm größer und dieser reagiert mit der Auslösung von Wellenbewegungen (Peristaltik), die den Darminhalt weiter in die gewünschte Richtung schieben.

Im Einzelnen kommen folgende abführend wirkende Prinzipien zur Anwendung.

Quell-, Füll- und Gleitstoffe einschließlich osmotisch wirkender Abführmittel

Quellmittel
Gleitmittel
  • Erleichterung des Kot-Gleitvermögens, z. B. entweder Paraffinum subliquidum oder Docusat-Natrium (wobei Docusat-Natrium keinesfalls gleichzeitig mit Paraffin angewendet werden soll, da Docusat-Natrium dessen Resorption erhöht)
Osmotische und salinische Abführmittel

Motilitäts- und sekretionsbeeinflussende (stimulierende bzw. antiabsorptiv-sekretorische) Abführmittel

Medizinische Anwendung von Abführmitteln

Als medizinisch sinnvoll werden Abführmittel angesehen,

Andere Anwendungen und Gefahren von Abführmitteln

Teilweise werden Laxanzien nicht im therapeutischen Sinne angewandt, also etwa um eine Verstopfung zu behandeln. Sie werden z. B. – missbräuchlich und meist überdosiert – zur (vermeintlichen) Gewichtsreduzierung eingenommen. Man kann jedoch durch Abführmittel keinesfalls abnehmen. Die Überdosierung verursacht Durchfälle (Diarrhö), durch die der Körper lebenswichtige Flüssigkeit verliert. Dies ist – wie immer bei Durchfall – auf Dauer sehr ungesund und kann zu Störungen im Elektrolythaushalt führen. Ein zu niedriger Kaliumspiegel etwa kann zu einer Beeinträchtigung der Herzfunktion und zu Muskelschwäche führen. Zudem kommt es bei Daueranwendung von Abführmitteln zur Reizung der Darmschleimhaut.[5]

Bestimmte Abführmittel werden gerne im Frühjahr zum sogenannten Entschlacken eingesetzt. Das Ziel soll dabei sein, den Körper von vermeintlich angesammelten „Schlacken“ zu befreien und ihm dadurch die Möglichkeit zur Regeneration zu geben. Häufig leitet das Entschlacken eine Fastenperiode ein, die Befreiung von körperlichem Ballast wie dem Kot wird hier als Aufbruchssignal gesehen. Meist werden hierfür sogenannte salinische Abführmittel wie Glaubersalz oder Bittersalz benutzt. Auch hier sollte man einen Arzt befragen, da bei Einnahme dieser Mittel schwere Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall und Muskelschwäche bis hin zu Reflexausfällen auftreten können und die Wirkung anderer Medikamente, beispielsweise Herzmittel, Blutdrucksenker oder Antibiotika, gestört werden kann.[6]

Viele, vor allem ältere, Menschen sind zudem der Meinung, man müsse jeden Tag mindestens ein Mal Stuhlgang haben. Dabei wird aber aus medizinischer Sicht alles zwischen drei Mal täglich und drei Mal wöchentlich als normal angesehen. Gerade ältere Leute, die häufig krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, sich viel zu bewegen, und weniger ausgewogen essen, nehmen Laxanzien ein, da sie meinen, an Verdauungsstörungen zu leiden. Allerdings dauert es, bis ein entleerter Darm wieder ausreichend gefüllt ist, um einen Defäkationsreflex auszulösen. Teilweise wird dann verfrüht erneut ein Laxans eingenommen, in der falschen Annahme, der Darm sei schon wieder verstopft. Die zu häufige und/oder zu hoch dosierte Anwendung von stimulierenden Abführmitteln kann durch die Entstehung von Durchfall (s. o.) zu Wasser- und Elektrolytverlusten führen. Da ein Elektrolytverlust die Funktionsweise von Muskelzellen (Depolarisation des Membranpotentials) stark beeinträchtigt, kann dies bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu lebensgefährlichen Komplikationen führen, da die Symptome verstärkt werden und eine Medikation z. B. mit Herzglykosiden nicht mehr ausreicht.

Bei der korrekten Anwendung stimulierender Abführmittel sollte es nicht zu Durchfall kommen – Durchfall ist ein Zeichen für zu hohe Dosierung oder zu häufige Anwendung.

Früher postulierte Gewöhnungs- oder Abhängigkeitseffekte durch Langzeitanwendung konnten in neueren Studien nicht belegt werden.

Zusammenfassung der Gefahren und weitere unerwünschte Wirkungen

  • Winde, Blähung des Abdomens, Darmgeräusche (Borborygmus)
  • Koprostase, verzögerte Stuhlentleerung
  • Darmobstruktion
  • Darmkolik, Bauchschmerzen
  • Diarrhoe, Stuhlinkontinenz
  • Entzündung des Rektums durch Zäpfchen
  • Übelkeit
  • Elektrolytstörungen[7]

Geschichte

Abführmittel sind ab etwa 2400 v. Chr. nachweisbar. In Mesopotamien und im Alten Ägypten wurde das aus dem Samen des Wunderbaums gewonnene Rizinusöl für diese Zwecke eingesetzt. Die Assyrer kannten um 1500 v. Chr. neben der Verwendung ballaststoffreicher Nahrungsstoffe wie beispielsweise Kleie auch saline Abführmittel, die den Wassergehalt des Darmtraktes erhöhen.

Nach dem zweiten Band von Jonathan Pereiras (1804–1853) und Rudolf Buchheims Handbuch der Heilmittellehre sollen die alten Griechen vielleicht schon vor Hippokrates († um 370 v. Chr.) den getrockneten Milchsaft der Wurzel von Convolvulus scammonia (Purgierwinde) als stark (drastisch) wirkendes Abführmittel (Drastikum) genutzt haben.[8]

Von der Antike bis in die Neuzeit hinein waren Abführmittel ebenso wie Brechmittel und Aderlässe Bestandteil humoralpathologisch begründeter purgierender (von lateinisch purgare = reinigen, säubern) Therapien.[9] Ziel war die Purgation, d. h. das Reinigen des Erkrankten von überschüssigen Säften und schädlicher Krankheitsmaterie durch Ausleitung unter anderem mittels Erbrechen und über den Stuhlgang nach Einnahme von Purgativa.[10] Weitere neben Rizinusöl bereits in der Antike benutzte pflanzliche Purgiermittel waren die Schwarze Nieswurz (Schneerose), die Weiße Nieswurz (Weißer Germer), Zubereitungen aus bestimmten Aloe- und Wolfsmilch-Arten. Aus dem Orient gelangten Rhabarber und Alexandrinische Senna in die Medizin des abendländischen Mittelalters.[11]

Auch im Lorscher Arzneibuch (Ende 8. Jahrhundert, Blatt 51r) werden einige, die Körpersäfte purgierende Arzneistoffe genannt: Wolfsmilch, Lärchenschwamm, Aloe, Bertram und Sonnenwerbel-Saft purgieren die Gelbe Galle. Springwolfsmilch, Seidelbast, getrocknete Wolfsmilch, Koloquinte und Weißer Germer purgieren den Rotz (das Phlegma). Quendelseide, Engelsüß und Schwarze Nieswurz purgieren die Schwarze Galle. Das Blut würde hingegen durch Aderlass purgiert werden.[12]

Historische Abführmittel sind etwa die Heilig-Bitter-Latwerge Hiera picra und die „Goldenen Pillen“ (Abführpillen) im Antidotarium Nicolai[13] sowie die Frankfurter Pillen und das Glaubersalz (Natriumsulfat).

Literatur

  • Michael Stolberg: Die wundersame Heilkraft von Abführmitteln. Erfolg und Scheitern vormoderner Krankheitsbehandlung aus der Patientensicht. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 167–177.
  • Claudia Bausewein, Marcus Hentrich: Obstipation. In: Eberhard Aulbert, Friedemann Nauck, Lukas Radbruch (Hrsg.): Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer, Stuttgart (1997) 3., aktualisierte Auflage 2012, ISBN 978-3-7945-2666-6, S. 277–281.

Weblinks

Commons: Abführmittel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Duden.
  2. Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 6. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin / New York 1986, S. 331.
  3. a b c S2K Leitline 2013 (alt). Februar 2013, abgerufen am 31. Dezember 2021 (deutsch).
  4. a b c Aktualisierte S2K Leitlinie (Konsultationsfassung). November 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021 (deutsch).
  5. ernaehrung.de
  6. gesund-heilfasten.de
  7. Claudia Bausewein u. a. (Hrsg.): Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin. (Originalausgabe: PCF2, Palliative Care Formulary, Second Edition; übersetzt von Kathrin Grüner) Urban & Fischer, München und Jena 2005, ISBN 3-437-23670-9, S. 16–21.
  8. Jonathan Pereira, Rudolf Buchheim: Handbuch der Heilmittellehre, Band 2, Leopold Voß, Leipzig 1848, S. 339 ff., Volltext in der Google-Buchsuche.
  9. Ralf Vollmuth: Purgieren, Purgation. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1203.
  10. Gundolf Keil: „blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013, S. 7–175, hier: S. 20 f. und 42.
  11. Christoph Schweikardt: Abführmittel. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 3.
  12. Gundolf Keil (Hrsg.): Das Lorscher Arzneibuch. (Handschrift Msc. Med. 1 der Staatsbibliothek Bamberg); Band 2: Übersetzung von Ulrich Stoll und Gundolf Keil unter Mitwirkung von Altabt Albert Ohlmeyer. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, S. 101 (Über die Tugenden der Arzneistoffe).
  13. Gundolf Keil (2012/2013), S. 21.