Push-Pull-Modell der Migration

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Das Push-Pull-Modell der Migration stellt den Kern der ökonomisch motivierten Migrationstheorie dar, die Everett S. Lee (1917–2007[1]) in den 1960er Jahren aufstellte. Die Theorie geht davon aus, dass Menschen aus einem ursprünglichen Gebiet „weggedrückt“ werden (engl.: „to push“, „drücken“) und/oder von einem anderen Gebiet „angezogen“ (engl.: „to pull“, „ziehen“) werden. Die Theorie wird sowohl auf nationale als auch auf internationale Wanderung angewandt. Lees Arbeit (1966[2]) basiert auf dem Prinzip des „ökonomischen Rationalismus“ und wurde von anderen Autoren aufgegriffen und weiterentwickelt.[3] Lee geht davon aus, dass aufgrund der natürlichen Trägheit und Risikoscheu ein Übergewicht an begünstigenden Faktoren noch nicht zwangsläufig zur Migration führt.[4]

Push-Faktoren

auch Migrationsdruck oder „Fluchtursachen“

Sozio-ökonomische Gründe

  • Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen, Perspektivlosigkeit
  • Armut und Hunger
  • ungerechte Besitzverteilung / soziale Ungleichheit
  • hohe Steuern und Abgaben (Steuerflucht)
  • fehlende Infrastruktur
  • demographische Probleme (Landknappheit / Überbevölkerung)
  • kriminelle Strukturen in Kooperation mit korrupten Führungseliten[5]

Politische Gründe

  • Krieg, politische Unruhen
  • Diktatur, Folter, Bürgerkrieg, Völkermord[6]
  • Missachtung der Menschenrechte (zum Beispiel Einschränkung der Meinungs- oder Religionsfreiheit)
  • Diskriminierung oder Verfolgung (aufgrund Religion, Hautfarbe, Ethnie, politischer Weltanschauung, Geschlecht, sexueller Orientierung)

Ökologische Gründe

  • Natur-, Klima- und Umweltkatastrophen (z. B. Überschwemmungen, Erdrutsche, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Ansteigen des Meeresspiegels, Dürren)
  • Verknappung von Naturressourcen (z. B. durch Versalzung, Erosion, Überweidung, Überfischung)

Pull-Faktoren

Ökonomie

Gesellschaft

Demographie

  • ausreichendes Flächenangebot
  • strukturierte Raumplanung
  • Arbeitskräftemangel (z. B. durch den demographischen Wandel)
  • soziale Netzwerke – Migranten suchen Länder auf, in denen sie Kontakte und Anknüpfungspunkte haben oder erhoffen. Schlepper und Schleuser beeinflussen die Entscheidung von Migranten ebenso wie Mundpropaganda während der Migration.[12]

Politik

Kontext und Grenzen der Modellbildung

Mit einem Modell der Subjective Expected Utility (SEU) wurde versucht, verschiedene theoretische Ansätze zur Erklärung von Migration zu integrieren. Gegen dieses und andere Modelle wird der Einwand erhoben, dass von einer egoistischen Orientierung von Individuen ausgegangen werde und komplexe soziale Zusammenhänge nicht berücksichtigt werden. Als Beispiel wird angeführt, es sei empirisch bestätigt, dass Wanderungsentscheidungen von Ehepaaren bezüglich der beruflichen Karriere der Ehefrau oft suboptimal ausfallen.[13]

Siehe auch

Literatur

  • Everett S. Lee (1966): A Theory of Migration. In: Demography, 3. Jahrgang, Nr. 1, 1966, S. 47–57, doi:10.2307/2060063, JSTOR 2060063; auch abgedruckt in J. A. Jackson (Hrsg.): Migration. Cambridge University Press, 1969, S. 282–297 (Sociological Studies, Bd. 2) – ISBN 978-0-521-13568-9.
  • Everett S. Lee (1972): Eine Theorie der Wanderung. In: György Széll (Hg.): Regionale Mobilität. Nymphenburger Verlag 1982, S. 117–129.

Fußnoten

  1. loc.gov
  2. Everett S. Lee (1966): A Theory of Migration. In: Demography, Band 3, Nr. 1, 1966, S. 47–57, doi:10.2307/2060063, JSTOR 2060063
  3. (Memento des Originals vom 16. August 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-bielefeld.de, S. 9
  4. Petrus Han: Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle, Fakten, Politische Konsequenzen, Perspektiven. 2. Auflage, Lucius & Lucius, Stuttgart 2005, ISBN 3-8282-0306-X (Textauszug [1] auf uzh.ch) hier S. 14–16
  5. Klaus J. Bade: Von Unworten zu Untaten. Kulturängste, Populismus und politische Feindbilder in der deutschen Migrations- und Asyldiskussion zwischen ›Gastarbeiterfrage‹ und ›Flüchtlingskrise‹. In: Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (Hrsg.): 25 Jahre IMIS: Jubiläumsveranstaltung am 29. Mai 2015. Osnabrück Februar 2016, S. 37–171 (uni-osnabrueck.de [PDF; abgerufen am 6. Dezember 2021]). S. 149.
  6. Politische und rechtliche Aspekte im Umgang mit zentralamerikanischen Migrantinnen und Migranten in Nordamerika. Teil 1: Wanderungsbewegungen (Herkunfts- und Zielländer), Migrationsursachen. In: WD 2–3000-030/16. Deutscher Bundestag, 2016, abgerufen am 25. Juli 2017. S. 15.
  7. Bundesamt erwartet 450.000 Asylanträge in diesem Jahr. BAMF, 7. Mai 2015, abgerufen am 18. März 2017.
  8. Ole Agersnap, Amalie Jensen, Henrik Kleven: The Welfare Magnet Hypothesis: Evidence From an Immigrant Welfare Scheme in Denmark. Oktober 2019, abgerufen am 6. Dezember 2019 (englisch).
  9. Maja Brankovic: Princeton-Studie: Sozialleistungen locken Zuwanderer. 19. November 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. Dezember 2019]).
  10. Sozialhilfe als Magnet für Flüchtlinge? Drei Forscher sagen Ja - derStandard.at. 27. November 2019, abgerufen am 6. Dezember 2019 (österreichisches Deutsch).
  11. Wien zieht mit höherer Sozialhilfe Flüchtlinge an - derStandard.at. Abgerufen am 26. Februar 2020 (österreichisches Deutsch).
  12. Warum Deutschland? BAMF, 1. Dezember 2013, abgerufen am 18. März 2017.
  13. Steffen Köhnert: Migrationstheorien. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Oktober 2007, abgerufen am 20. Dezember 2018. S. 5.