Quadratischer Variationsprozess

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ein (quadratischer) Variationsprozess ist ein spezieller stochastischer Prozess in der Wahrscheinlichkeitstheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Er wird aus einem weiteren Prozess (einem Martingal oder einem lokalen Martingal) gewonnen und erlaubt im Falle diskreter Indexmengen beispielsweise äquivalente Formulierungen des Martingalkonvergenzsatzes. Im zeitstetigen Fall entsprechen die Pfade des quadratischen Variationsprozesses fast sicher der quadratischen Variation der Pfade des zugrundeliegenden Prozesses.

In der stochastischen Analysis treten quadratische Variationsprozesse als Integratoren im Ito-Integral auf.

Definition bei diskreter Indexmenge

Gegeben sei eine Filtrierung und sei ein quadratintegrierbares Martingal.

Dann heißt derjenige vorhersagbare Prozess , durch den der stochastische Prozess

zu einem Martingal wird, der quadratische Variationsprozess von . Er ist eindeutig bestimmt.[1]

Darstellung

Aus der Doob-Zerlegung folgt direkt

,

woraus sich die Darstellung

.

herleiten lässt.

Beispiel

Gegeben sei eine Folge von unabhängig identisch verteilten Zufallsvariablen mit und .

Dann ist

ein Martingal bezüglich der kanonischen Filtrierung und quadratintegrierbar.

Mittels der zweiten der beiden obigen Darstellungen und sowie folgt

,

nach den Rechenregeln für bedingte Erwartungswerte, da die nach Voraussetzung unabhängig sind. In diesem Fall ist der quadratische Variationsprozess rein deterministisch. Im Allgemeinen ist dies nicht der Fall.

Eigenschaften

Aus der zweiten der obigen beiden Darstellungen erhält man durch Bildung des Erwartungswertes direkt

Da aber nach dem Martingalkonvergenzsatz gilt, dass ein Martingal genau dann fast sicher und im quadratischen Mittel konvergiert, wenn es im quadratischen Mittel beschränkt ist, folgt die Aussage

Es ist genau dann, wenn im quadratischen Mittel konvergiert.[2]

Etwas schwächer gilt noch

Ist fast sicher, so konvergiert fast sicher.[3]

Außerdem ist der quadratische Variationsprozess eines gestoppten Prozesses der gestoppte quadratische Variationsprozess, es gilt somit die Vertauschungsrelation

für Stoppzeiten .

Definition bei stetiger Indexmenge

Gegeben sei ein stetiges lokales Martingal . Dann heißt der stetige, monoton wachsende und adaptierte Prozess mit , mit dem der Prozess

zu einem stetigen lokalen Martingal wird, der quadratische Variatonsprozess von . Er ist eindeutig bestimmt.[4]

Literatur

  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
  • Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Eine Einführung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-45386-1, doi:10.1007/978-3-642-45387-8.

Einzelnachweise

  1. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 210.
  2. Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. 2014, S. 275.
  3. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 227.
  4. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 513.