Querido Verlag

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Keizersgracht 333 im Jahr 2011

Der Querido Verlag N.V. war ein deutschsprachiger Exilverlag, der 1933 von Emanuel Querido (1871–1943) mit dem aus Deutschland geflüchteten Verlagsleiter Fritz Landshoff als Tochtergesellschaft der niederländischen Em. Querido’s Uitgeverij N.V. gegründet wurde. Die Em. Querido’s Uitgeverij-MIJ N.V. war ein renommierter niederländischer Verlag, der schon 1915 gegründet worden war. Beide Verlage residierten an der Keizersgracht 333 in Amsterdam.

Geschichte

Die Sammlung: Erstes Heft / September 1933
Erstausgabe von Klaus Manns Roman Mephisto im Querido Verlag, 1936

Nach der Reichstagsbrandverordnung und dem Ermächtigungsgesetz mussten nahezu alle deutschen Autoren und Politiker, die für Demokratie eintraten, den aufkommenden Nationalsozialismus bekämpft hatten oder weiter bekämpften, sowie alle Autoren jüdischer Herkunft aus Deutschland flüchten, da sie von den Nationalsozialisten mit brutaler Gewalt verfolgt und zum Teil schon mit dem Tode bedroht wurden. Später wurden diese Emigranten auch amtlich ausgebürgert. Sie konnten nicht mehr in deutschen Zeitungen schreiben oder Bücher in Deutschland veröffentlichen. Ihre Bücher waren teilweise zuerst bei der Bücherverbrennung verfemt worden und wurden sämtlich in Deutschland verboten. Mit einem Schlag fehlten daher diesen Autoren und Politikern die Möglichkeiten, ihre Ansichten in Publikationen auszudrücken und gegen das erstarkende Dritte Reich zu kämpfen. Daraufhin wurde am 14. Juli 1933 von dem deutschen emigrierten ehemaligen Verlagsleiter des bekannten Kiepenheuer Verlages in Berlin Fritz Landshoff und dem politisch engagierten sozialdemokratischen niederländischen Verleger Emanuel Querido in Amsterdam der deutschsprachige Querido Verlag als Aktiengesellschaft gegründet. Er sollte den verfolgten und verbotenen deutschen Autoren die benötigte Publikationsmöglichkeit bieten.

Querido und Landshoff hatten je 50 % der Anteile. Querido stellte den Verlagssitz zu Verfügung, machte Buchhaltung und Vertrieb und erklärte sich bereit, für weitere vermutlich notwendige Finanzmittel zu sorgen. Direktoren waren Queridos Assistentin Alice van Nahuys und Fritz Landshoff, dem die literarische Leitung oblag. Da er alle Autoren aus seiner Zeit bei Kiepenheuer kannte, hatte er die Beziehungen, wichtige Autoren für den neuen Verlag zu verpflichten und für ein attraktives Programm zu sorgen.

Von September 1933 bis August 1935 erschien die von Klaus Mann herausgegebene literarische Monatsschrift Die Sammlung im Querido Verlag.

Die Bücher des Verlages wurden nicht nur in den Niederlanden verkauft, sondern (unter teilweise schwierigsten Bedingungen) in die ganze Welt (außerhalb des nationalsozialistischen Machtbereichs) versandt. Der Querido Verlag zählte in der Folge neben der Het Nederlandsch Boekengilde von Hein Kohn und dem Allert de Lange Verlag zu den drei bedeutendsten Exilverlagen, die während der NS-Zeit in den Niederlanden publizierten.[1][2]

Unmittelbar nach der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940 erfolgte die Beschlagnahme und Zerstörung des Verlages durch die Gestapo. Einige Mitarbeiter des Verlages konnten noch rechtzeitig entkommen. Bei der Plünderung des Querido-Verlages sowie des Allert de Lange Verlags ging es den NS-Behörden nicht nur um die Beschlagnahme von Büchern, sondern ebenso um den Zugriff auf Korrespondenz mit „reichsfeindlichen“ Autoren. Man erhoffte sich Informationen über politische Aktivitäten und Auswanderungspläne, um diesen mit Verhaftungen und Deportationen zuvorzukommen. Am 17. Juni 1940 wurde das Verlagshaus in Anwesenheit von Querido und von dessen Sekretärin durchsucht. Viele Papiere waren inzwischen vom Verlagshaus de Lange in Sicherheit gebracht worden. Dennoch konnte ein großer Teil des Archivs nach Berlin transportiert werden, wo die Korrespondenz auf Namen und Adressen durchgeschaut wurde und auf deren Basis die Sonderfahndungsliste West erstellt wurde.[3] 1943 wurden die Dokumente nach Schliersee ausgelagert und gelangten dort an die Rote Armee, 1957 wurden sie offiziell der DDR übergeben. Im Mai 1991 wurden sie an den Verlag Allert de Lange in Amsterdam zurückgegeben.[4]

Landshoff, der sich zufällig in London aufgehalten hatte, gelang es 1943, nach New York zu entkommen. Emanuel Querido fiel 1943 durch Verrat in die Hände der Deutschen. Er wurde zusammen mit seiner Frau Jane Querido-Kozijn am 23. Juli 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Ab 1948 teilte sich Landshoff die Leitung der deutschen Abteilung mit Gottfried Bermann Fischer. 1950 erschien unter dem Titel Klaus Mann zum Gedächtnis eine Anthologie mit Autoren wie Thomas Mann, Gottfried Benn, Giuseppe Antonio Borgese, Lion Feuchtwanger, Hans Keilson, William L. Shirer, Upton Sinclair und vielen anderen. Es war das letzte Buch des Exilverlags Querido.

Seit 2014 bildet Querido mit Nijgh & Van Ditmar, De Arbeiderspers, Athenaeum, De Geus und Volt die Verlagsgemeinschaft Singel Uitgeverijen. Die Adresse ist Weteringschans 259 in Amsterdam.[5]

Würdigung

Der Querido Verlag war das wichtigste Publikationsorgan des deutschen literarischen und politischen Exils. Bis 1940 erschienen etwa 137 Bücher, nach 1945 noch weitere 41. Der Verlag war ein wichtiges Organ des kulturellen Widerstandes gegen das nationalsozialistische Deutschland. Anlässlich der Feierlichkeiten 2012 zum niederländischen Befreiungstag hielt der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck die zentrale Rede, in der er auch Emanuel Querido und seine verlegerische Tätigkeit würdigte.[6]

Autoren des deutschsprachigen Querido Verlags

Literatur

  • Gerard Aalders: Geraubt! Die Enteignung jüdischen Besitzes im des Zweiten Weltkrieg. Dittrich, Köln 2000, ISBN 3-920862-29-5.
  • Bettina Baltschev: Hölle und Paradies : Amsterdam, Querido und die deutsche Exilliteratur. Berenberg, Berlin 2016 ISBN 978-3-946334-08-8. (Rezension Thilo Scholle: Querido und die deutsche Exilliteratur.) In Zwischenwelt, Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft 35, 3, November 2018 ISSN 1606-4321 S. 62 f.
  • Klaus Hermsdorf, Hugo Fetting, Silvia Schlenstedt: Exil in den Niederlanden und Spanien. Reihe: Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933–1945, 6. Reclams Universal-Bibliothek, 861. Reclam, Leipzig 1981.
  • Isolde Schlösser (Hrsg.): Fritz Helmut Landshoff. Amsterdam, Keizersgracht 333, Querido Verlag. Erinnerungen eines Verlegers. Mit Briefen und Dokumenten. Aufbau, Berlin 1991 ISBN 3-351-00585-7.
  • August L. Sötemann: Querido van 1915 tot 1990. Een uitgeverij (= Jaarboek van Querido, 42). Em. Querido's Uitgeverij, Amsterdam 1990 ISBN 90-214-7236-8.
  • Ulrike Spring: Verlagstätigkeit im niederländischen Exil 1933–1940. Universität Wien 1994, Diplomarbeit. online
  • Hans-Albert Walter: Fritz H. Landshoff und der Querido Verlag 1933–1950 (= Marbacher Magazin, Sonderheft 78). Deutsche Schillergesellschaft, Marbach 1997 ISBN 3-929146-62-2 (Katalog zu den Ausstellungen in der Bremer Kunsthalle und im Literaturhaus Berlin).[7]
  • Hans-Albert Walter: Deutsche Exilliteratur. Band 4: Exilpresse. Metzler, Stuttgart 1978 ISBN 3-476-00385-X.

Weblinks

Commons: Querido Verlag – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hub Hubben: Bannelingen. In: De Volkskrant, 26. November 1999, auf: volkskrant.nl
  2. Peter Manasse: Boekenvrienden Solidariteit, turbulente jaren van een exiluitgeverij. Biblion Uitgeverij, Den Haag 1999. ISBN 90-5483-178-2, S. 9, 55, 58, 68, 70, 79, 94, 106.
  3. Aalders, Geraubt!, S. 102/103.
  4. Aalders, Geraubt!, S. 103.
  5. Website des gegenwärtigen Verlags Querido, singeluitgeverijen.nl/querido, abgerufen am 16. Februar 2020
  6. Befreiung Feiern - Verantwortung Leben. Rede des Bundespräsidenten am 5. Mai 2012 in Breda, online festgehalten auf der Homepage Bundespräsident.de[1]
  7. Enthält neben einer Darstellung von Landshoffs Rolle eine Bibliographie zum Verlag von Franz Pfäfflin, Franziska Sörgel