Raab-Katzenstein-Flugzeugwerke

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Zeitungs- und Zeitschriftenanzeige der Raab-Katzenstein-Flugzeugwerke GmbH zwischen 1927 und 1930
Sport- und Kunstflugmaschine RK KL 1 „Schwalbe“ in Kassel-Waldau

Die Raab-Katzenstein-Flugzeugwerke GmbH (RaKa) war ein deutscher Hersteller von Flugzeugen.

Geschichte

Gründung

Das Unternehmen entstand am 16. November 1925 in Kassel-Bettenhausen aus der Dietrich-Gobiet Flugzeugwerk AG als Ausgründung der Werkspiloten Antonius Raab (1897–1985) und Kurt Katzenstein (1895–1984) mit dem Geschäftsmann Anatole Gobiet nach internen Streitigkeiten mit Richard Dietrich. In seinen Memoiren schrieb Raab, Dietrich habe 1925 „seine Sympathien für die Nazi-Partei entdeckt“ und versucht, die nicht „rein arischen“ Kurt Katzenstein und Gobiet, die ihm Geld und Ruhm eingebracht hätten, auszubooten.[1] In dem neuen Werk habe es „keine ‚Rassen‘-Vorurteile“ gegeben.[2]

Schwalbe

Da auch ein Teil der Arbeiter und Angestellten sowie des Konstruktionsbüros mit in die neue Firma wechselten, gelang in kurzer Zeit die Konstruktion eines eigenen Doppeldecker-Kunstflugzeuges. Dafür überarbeitete Oberingenieur Paul John Hall seinen letzten Entwurf DP XI von Dietrich-Gobiet und leitete daraus die Kl. 1 Schwalbe ab, was zu einer langwierigen, aber später erfolglosen Klage der Exfirma führte. Der Erstflug der mit einem 71 kW leistenden Sieben-Zylinder-Sternmotor Siemens Sh 11 ausgerüsteten Maschine mit Antonius Raab an Bord erfolgte am 16. Januar 1926. Bereits am 25. März 1926 erfolgte die Musterzulassung und durch intensive Werbung kam es rasch zu einem Verkaufserfolg. So arbeiteten im Juli 1926 bereits 120 Arbeiter an der Produktion der Maschine. Es wurden insgesamt mehr als 30 Stück der Schwalbe produziert, die beispielsweise von der deutschen Kunstfliegerin Vera von Bissing und von Gerhard Fieseler geflogen wurden. Fieseler wurde auf einer nach seinen Wünschen umgebauten Kl. Ic (D-1212) im Sommer 1928 Deutscher Kunstflugmeister.[3] RaKa betrieb am Flugplatz Kassel-Waldau und am Flugplatz Bonn/Hangelar auch eigene Werksfliegerschulen, in denen neben anderen Gerhard Fieseler und Otto Peschke als Fluglehrer tätig waren.

Im ersten Halbjahr 1926 entwarf Hall die als zweisitziges Anfänger-Schulflugzeug geplante RK 2 „Pelikan“, die in vielen Bauteilen mit der „Schwalbe“ identisch war, aber eine auf 10,4 m vergrößerte Spannweite besaß. Der Erstflug erfolgte am 30. August 1926.

Flugzeugschlepp

Im Frühjahr 1927 entwickelten Mitarbeiter der RaKa den Flugzeugschlepp, der anlässlich eines „Großflugtags“ auf dem Flugplatz Kassel-Waldau am 18. April 1927 von Kurt Katzenstein im Segler RK 7 „Schmetterling“ und Gerhard Fieseler als Pilot im Schleppflugzeug RK 6 „Kranich“ D-975 erstmals öffentlich vorgeführt wurde.[4][5][6][7]

Der Flugzeugschlepp wurde danach von RaKa zeitnah auf vielen Flugtagen und bei einem Überlandflug von Karlsruhe nach Kassel präsentiert. In der Folge kaufte das United States Army Air Corps einen kompletten „Schleppzug“ (ein RK 2 „Pelikan“ und zwei RK 7 „Schmetterling“) und mietete für mehrere Monate drei RaKa-Piloten zur Schulung von eigenem Personal in den USA. Zwei Schleppeinrichtungen wurden von der italienischen Luftwaffe gekauft.[8]

Grasmücke

Als Flugzeugfabrikate kamen im Jahr 1927 das Segelflugzeug RK 7 „Schmetterling“, und das zweisitzige Leichtflugzeug RK 9 „Grasmücke“ dazu, wobei von letzterer sechs Stück beim Zirkus Sarrasani als Reklameflugzeuge eingesetzt wurden. Die Firma beschäftigte zu diesem Zeitpunkt bereits 200 Mitarbeiter und hatte mehr als 100 Maschinen produziert.

Elektron im Flugzeugbau

RK 25 „Ruhrland“, die beim Europaflug 1929 hervorragende Leistungen zeigte

1928 konstruierte Hall zusammen mit dem von Heinkel gekommenen Richard Bauer das Rennflugzeug RK 25 „Ruhrland“, mit dem 1929 der Kanadier John Carberry in der Geschwindigkeitswertung beim Europarundflug 1929 gewann und in der Gesamtplatzierung Platz drei belegte. Um Gewicht zu sparen, wurde für die RK 25 der im Flugzeugbau wenig verwendete Werkstoff Elektron – der nur unter Luftabschluss geschweißt werden konnte – eingesetzt. Für Innovationen im Umgang mit dem Werkstoff erhielt RaKa eine Sonderprämie des Reichsverkehrsministeriums.[8]

Auf Idee und Auftrag von Fieseler wurde die RK 26 „Tigerschwalbe“ entwickelt. Im Frühjahr 1929 wechselte Hall zu den Bayerischen Flugzeugwerken (BFW). Richard Bauer übernahm die Entwicklung und machte sich an die Konstruktion eines 40 Meter langen Kleinluftschiffes namens RK 27. Dieses unternahm am 4. Mai 1929 seine erste Fahrt. Da jedoch staatliche Aufträge fehlten, reichten auch Exporterfolge wie der Verkauf von 16 RK 2 „Pelikan“ nach China nicht, die Firma finanziell erfolgreich zu machen. Der letzte Entwurf wurde der Doppeldecker RK 29, der noch am Europarundflug 1930 teilnahm.

Auflösung

Von ASJA in Linköping als SK 10 für die schwedischen Luftstreitkräfte gebaute RK 26 „Tigerschwalben“ auf dem Flugplatz Varberg

Im Frühjahr 1930 musste RaKa nach der Kündigung der Kredite der Kasseler Banken jedoch das Vergleichsverfahren beantragen und wurde aufgelöst. Raab vermutete indes, die Reichswehr hätte an dieser Entwicklung „kräftig gedreht“, da die RaKa ein „nicht genehmer“ Betrieb gewesen sei, der sich geweigert habe, sich an der militärischen Wiederaufrüstung zu beteiligen.[9] Anatole Gobiet erlangte durch den Konkurs die Konstruktions- und Urheberrechte an der RK 25 und RK 26 und verkaufte die Baurechte nach Schweden, wo die RK 26 bei den schwedischen Luftstreitkräften als SK 10 betrieben wurde.[10]

Literatur

  • Gerhard Fieseler: Meine Bahn am Himmel. Bertelsmann Verlag, München 1979, ISBN 3-453-01539-8 (Autobiografie; ungekürzte Taschenbuchausgabe Heyne-Buch Nr. 6037).
  • Entstand die „Spitfire“ in Kassel? In: HNA Kasseler Allgemeine. Nr. 143, 23. Juni 1973, S. Sonderseite.
  • Der Ostermontag auf dem Kasseler Flugplatz. In: Kasseler Neueste Nachrichten. 20. April 1927, S. 2. Beilage.
  • Rolf Nagel, Thorsten Bauer: Kassel und die Luftfahrtindustrie seit 1923. Geschichte(n), Menschen, Technik. A. Bernecker Verlag, Melsungen 2015, ISBN 978-3-87064-147-4.
  • Antonius Raab: Raab fliegt – Erinnerungen eines Flugpioniers. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1984, ISBN 3-922144-32-2 (Autobiografie).

Weblinks

Commons: Raab-Katzenstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Raab fliegt, S. 67
  2. Raab fliegt, S. 69
  3. Rheinisches Flugturnier und deutsche Kunstflugmeisterschaften 1928. In: Carl Oskar Ursinus (Hrsg.): Flugsport. Nr. 15. Verlag für Flugsport, Frankfurt am Main 18. Juli 1909, S. 283 (Flugsport in der luftfahrt-bibliothek.de [abgerufen am 30. Januar 2022]).
  4. Kasseler Neueste Nachrichten, 20. April 1927, 2. Beilage
  5. Kassel und die Luftfahrtindustrie seit 1923, S. 39 ff.
  6. Raab fliegt, S. 91 ff.
  7. Meine Bahn am Himmel, S. 118
  8. a b HNA, 23. Juni 1973, Sonderseite
  9. Raab fliegt, S. 101, S. 109
  10. Raab-Katzenstein – Aufstieg und Fall des Marktführers. In: Fliegerrevue, November 2010, S. 56–59