Rainer Böhme

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Rainer Böhme (2010)

Rainer Böhme (* 4. August 1943 in Wolfsburg[1]) ist ein deutscher Militärwissenschaftler und ehemaliger Oberst der Nationalen Volksarmee (NVA) der Deutschen Demokratischen Republik sowie Übersetzer und Herausgeber.

Er war Hochschullehrer für Militärwissenschaft und Leiter eines Lehrstuhls an der Militärakademie „Friedrich Engels“ (1987–1990) in Dresden und davor seit 1965 Berufsoffizier der NVA.[2][3][4]

Leben

Herkunft und Ausbildung

Rainer Böhme wuchs nach dem frühen Tod des Vaters (1946) bei der Mutter auf und besuchte ab Ostern 1949 die Volksschule in Wolfsburg[1] bis Mitte der vierten Klasse. Der Wohnsitzwechsel in die sächsische Heimat der Familie brachte im Herbst 1952 die Fortsetzung der Grundschulausbildung (4.–8. Klasse) in Frankenberg/Sa. Danach folgte 1957 die Aufnahme als Internatsschüler an die (Erweiterte) Oberschule, die er 1961 mit dem Abitur abschloss.

Mit einer Zweijahres-Verpflichtung wurde er im August 1961 Angehöriger der NVA. Nach der Verpflichtung als Berufssoldat wurde Rainer Böhme ab August 1962 an der Offiziersschule Mot.-Schützen-II in Frankenberg/Sa. und ab 1963 an der Offiziersschule der Landstreitkräfte in Löbau zum Offizier ausgebildet. Nach dreijährigem Studium erhielt er 1965 die Ernennungsurkunde zum ersten Offiziersdienstgrad als Mot.-Schützen-Zugführer.

Laufbahn im Truppen- und Stabsdienst

In den Jahren 1965 bis 1972 diente Rainer Böhme in Aufklärungseinheiten als Zugführer, Kompaniechef und Stellvertreter Stabschef Bataillon.

Ab 1972 absolvierte er ein dreijähriges Direktstudium für Truppenkommandeure der operativ-taktischen Führungsebene an der Militärakademie „Friedrich Engels“ (MAFE)[5] der NVA in Dresden, das er an der Sektion Landstreitkräfte als Diplom-Militärwissenschaftler (Dipl. rer. mil.) 1975 abschloss.

Anschließend war er in der 11. Mot.-Schützendivision (NVA) als Stellvertreter des Regimentskommandeurs und Stabschef, als Leiter Aufklärung, als Stellvertreter Stabschef/Leiter Unterabteilung Operativ sowie als Stellvertreter des Kommandeurs und Stabschef der Division eingesetzt.

Von 1984 bis 1986 erhielt Rainer Böhme mit dem Studium an der Militärakademie des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR[6] in Moskau eine operativ-strategische Kommandeursausbildung, die er 1986 als Oberst der NVA mit dem Diplom als Gesellschaftswissenschaftler (Dipl.-Ges.) abschloss. Dem folgte der einjährige Einsatz als Stellvertreter des Kommandeurs und Stabschef der 11. MSD.

Tätigkeit an der Militärakademie

Ab September 1987 wurde Rainer Böhme an der Militärakademie „Friedrich Engels“ der NVA in Dresden in die Funktion Leiter des Lehrstuhls Allgemeine Operative Kunst in der Sektion Landstreitkräfte eingesetzt.[7] Im November 1987 wurde er als Mitglied des Wissenschaftlichen Rates der Militärakademie „Friedrich Engels“ berufen.

Als Lehrstuhlleiter erhielt er die Verantwortung für die Gestaltung von Lehre und Forschung auf dem Gebiet Kriegskunst (speziell im Bereich des operativ-strategischen Handelns) und für die Fachgruppe Militärgeographie.[8] Beides war unter den Festlegungen der neuen Militärdoktrin der Koalition (vom Mai 1987), d. h. zur strategischen Verteidigung zu leisten.[9]

Der Personaleinsatz als Hochschullehrer war verbunden mit der persönlichen Lehrbefugnis Venia legendi für die teilstreitkraftübergreifende Operative Ausbildung an der Militärakademie. Nach einem zweijährigen berufsbegleitenden postgradualen Studium Hochschulpädagogik (1987–1989) wurde Rainer Böhme die Lehrbefähigung Facultas Docendi für Militärwissenschaft/Kriegskunst (September 1989) erteilt.

Anfang Februar 1990 wurde er in den Interdisziplinären Wissenschaftsbereich Sicherheit (IWBS) an der Militärakademie „Friedrich Engels“ berufen.[10] Unter seiner Leitung bereitete 1990 eine Arbeitsgruppe die Gründung eines Lehrstuhls Militärökologie an der Militärakademie vor.[11]

Im August 1990 schloss Rainer Böhme seine berufsbegleitende außerplanmäßige Aspirantur zu sicherheitspolitischen Problemen mit einer Dissertation[12] ab. Er wurde im September 1990 zum akademischen Grad Doktor der Militärwissenschaft (Dr. rer. mil.) an der Militärakademie Dresden promoviert.

Im Zuge der Herstellung der Einheit Deutschlands wurde Rainer Böhme ab 3. Oktober 1990 als Oberst in der Bundeswehr weiterverwendet und am 31. Dezember 1990, mit Auflösung der Militärakademie Dresden aus dem Dienstverhältnis entlassen.

Weiteres Berufsleben (1991–2018)

Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst konnte Rainer Böhme eine postgraduale Weiterbildung (1991–1992) im Wirtschaftsmanagement abschließen. Danach war er Kaufmännischer Leiter und Geschäftsführer einer Textilgewerbe-GmbH in Dresden.

Im Jahr 1996 nahm er seine selbstständige, freiberufliche Dozententätigkeit für Betriebswirtschaftslehre, Rechnungswesen/Controlling und Unternehmensführung auf, darunter im IHK-Bildungszentrum Dresden und in der Dresden International University, die er nach 22 Ausbildungs-/Studienjahrgängen schließlich 2018 beendete.

Publizistisches Wirken zur Sicherheitspolitik

Seit Anfang der 1980er Jahre publizierte Rainer Böhme zu militärwissenschaftlichen Problemen der Truppenpraxis.[13]

Im Februar 1990 wurde er in den Wissenschaftsbereich Sicherheit[spolitik] an der Militärakademie berufen. Dessen Arbeitsergebnisse, darunter Beiträge von Böhme, wurden in der Schriftenreihe der Militärakademie Arbeitspapiere IWBS[14] im In- und Ausland publiziert.[10]

Im Oktober 1990 war Rainer Böhme Gründungsmitglied der Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS). Der Verein gewährleistete die wissenschaftlich-editorische Eigenständigkeit für circa 125 Ausgaben der Schriftenreihe der Studiengemeinschaft DSS-Arbeitspapiere (1990–2016), an denen Böhme mit eigenen Beiträgen, Übersetzungen, redaktionellen Arbeiten und der Archivierung auf dem Dokumenten- und Publikationsserver Qucosa beteiligt war.

Seit 2017 ist Rainer Böhme Herausgeber der „Dresdener Gesammelten Kommentare zur Sicherheitspolitik“ als E-Book-Schriftenreihe DGKSP-Diskussionspapiere und wirkt publizistisch als Übersetzer zu aktuellen sicherheitspolitischen Problemen.

Bei WeltTrends – Das außenpolitische Journal ist er in dessen wissenschaftlichen Beirat[15] und publiziert dort.[16]

Seit Ende 2018 erarbeitet er in der Online-Enzyklopädie Wikipedia Autorenbeiträge zu militärwissenschaftlichen, militärgeschichtlichen und sicherheitspolitischen Begriffen sowie Personenporträts.

Würdigung

  • 1988 Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland (DDR), in Bronze.

Veröffentlichungen (Auswahl)

Literatur

  • Siegfried Schönherr et al. (Red.): Militärakademie „Friedrich Engels“. Historisch-kritische Nachbetrachtung zum 50. Jahrestag ihrer Gründung. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V.: DSS-Arbeitspapiere, Heft 95, Dresden 2009, 308 S. [12]
  • Wolfgang Scheler et al. (Red.): Die Militärakademie in der demokratischen Revolution 1989/90. Aufbruch und Ende. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V.: DSS-Arbeitspapiere, Heft 114, Dresden 2015, 313 S. [13]

Einzelnachweise

  1. a b Im Zusammenhang mit der Errichtung des Volkswagenwerks bei Fallersleben wurde am 1. Juli 1938 aus den Gemeinden Rothehof (mit dem Ortsteil Rothenfelde) und Heßlingen (mit dem Ortsteil Wolfsburg) die Stadt des KdF.-Wagens gegründet. Im Mai 1945 wurde die 20-Tausend-Einwohner-Stadt in Wolfsburg umbenannt. In: Klaus Jaschinski: Die Volkswagen-Story. Neues Deutschland, Berlin 1998, Ausgabe 30./31. Mai.
  2. Autorenkollektiv: Die Mitglieder der Studiengemeinschaft. In: Für Entmilitarisierung der Sicherheit. 10 Jahre Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS). (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS): DSS-Arbeitspapiere, Heft 50, Dresden 2001, S. 63–64 und 80–81. [1]
  3. Jochen Klopfer: Die Mitglieder der Studiengemeinschaft. In: Für Entmilitarisierung der Sicherheit. 20 Jahre Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS). (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V.: DSS-Arbeitspapiere, Dresden 2010, Heft 100, S. 147–150. [2]
  4. Autorenkollektiv: Die Mitglieder der Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. In: Für Entmilitarisierung der Sicherheit. 25 Jahre Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. Ein Resümee. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V.: DSS-Arbeitspapiere, Heft 115, Dresden 2015, S. 149. [3]
  5. ZMSBw: Deutsche Militärstandorte nach 1945. Abkürzungen. NVA und Grenztruppen. [4]
  6. Militärakademie des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR, (ru.) Военная орденов Ленина и Суворова I степени академия Генерального штаба Вооруженных Сил СССР.
  7. Wolfgang Demmer, Eberhard Haueis: Militärakademie „Friedrich Engels“ der Nationalen Volksarmee der DDR. 1959–1990. Eine Dokumentation. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V.: DSS-Arbeitspapiere, Heft 95 Sonderausgabe, Dresden 2008, S. 50–60. [5]
  8. In den Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages waren nach Vorgabe der Führungsmacht UdSSR die Arbeitsbereiche Politische Geographie, Militärgeographie sowie Militärtopographie und Militärhydrographie strikt getrennt. Siehe
  9. Rainer Böhme: Operative Lehre und Forschung an der Militärakademie zwischen neuer Militärdoktrin und Militärreform. In: Die Militärakademie in der demokratischen Revolution 1989/90. Aufbruch und Ende. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V.: DSS-Arbeitspapiere, Heft 114, Dresden 2015, S. 186–211. [6]
  10. a b Rolf Lehmann: Wissenschaftler in Uniform vor neuen Herausforderungen. Der Interdisziplinäre Wissenschaftsbereich SICHERHEITSPOLITIK (IWBS). (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS): DSS-Arbeitspapiere, Heft 50, Dresden 2001, S. 33–45. [7]
  11. Rainer Böhme: Ökologie und Streitkräfte – Ein Rückblick auf 1990/91. Konzeptionelle Arbeiten an der Militärakademie zu einer möglichen Entwicklungsrichtung in Lehre und Forschung. Eingereichter Beitrag zum Kolloquium am 10. Januar 2009 in Dresden. In: DSS-Arbeitspapiere, Heft 95, Dresden 2009, S. 275–280. [8]
  12. Rainer Böhme: Studie. Internationale Konflikte und Krisen, bewaffnete Konflikte sowie deren Verhütung, Beherrschung, Bewältigung und Beilegung aus der Sicht der Streitkräfte. Dissertation. Dresden 1990, 9. August, 180 S.
  13. Beiträge von Rainer Böhme zur Truppenaufklärung. In: Zeitschrift Militärwesen (VVS-Vertraulich), Berlin 10/1980, 11/1980, 2/1982.
  14. Beiträge von Rainer Böhme in: (Hrsg.) Militärakademie "Friedrich Engels": Arbeitspapiere IWBS. Heft 1 bis 3, Dresden 1990. [9]
  15. WeltTrends, wissenschaftlicher Beirat [10]
  16. WeltTrends Institut für Internationale Politik (IIP), Beiträge (online) [11]