Regress (Recht)

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Der Regress (lateinisch regressus, „Rückkehr“) ist im Zivilrecht der gesetzlich vorgesehene Rückgriff eines zur Leistung verpflichteten Schuldners gegen einen Dritten, der dem Schuldner gegenüber hierfür haftet.

Allgemeines

Das Wort Regress ist kein Rechtsbegriff; die Gesetze sprechen meist vom Rückgriff. Beim Regress handelt es sich um ein Schuldverhältnis zwischen mindestens drei Parteien. Der Gläubiger darf aus Vertrag oder Gesetz vom Schuldner etwas verlangen. Leistet der Schuldner, darf er wiederum bei einem Dritten das von ihm Geleistete seinerseits verlangen; er kann sich beim Dritten schadlos halten. Den Anspruch des Schuldners gegenüber dem Dritten nennt man Regressanspruch. Dieser ist dem Wesen nach meistens ein Anspruch auf Schadensersatz.[1] Hiermit bezweckt das Gesetz einerseits, dass der Schuldner sein Vermögen schonen darf und andererseits der Dritte letztlich die finanzielle Belastung allein tragen soll.

Regresstechniken

Das deutsche Zivilrecht kennt drei verschiedene Rückgriffstechniken:

  • Der häufigste Fall ist der gesetzliche Forderungsübergang (Legalzession, lateinisch cessio legis). Der Anspruch gegen den Dritten geht durch die Leistung nicht unter, sondern geht automatisch vom befriedigten Gläubiger auf den Leistenden über. Mit dem Forderungsübergang erwirbt er auch alle Sicherungsmittel der Forderung, muss jedoch die bereits verstrichene Verjährungsfrist gegen sich gelten lassen.
  • Der seltenere Weg ist die Schaffung eines neuen Anspruchs des Leistenden gegen den Dritten. Eine solche Regelung findet sich etwa in § 426 Abs. 1 BGB für den Gesamtschuldner, bei dem das Gesetz beide Rückgriffstechniken kombiniert. Bei diesem Weg gehen Sicherungsmittel nicht über, aber die Verjährung beginnt erst mit der Entstehung des Rückgriffsanspruchs.
  • Gibt es keine spezielle gesetzliche Regelung, so kann der Rückgriff über das Bereicherungsrecht erfolgen.

Diese Regresstechniken haben den Zweck, dem Schuldner als Anspruchsgrundlage für seine Schadloshaltung beim Dritten zu dienen.

Regressmöglichkeiten in verschiedenen Rechtsgebieten

Insbesondere gibt es Regressansprüche in folgenden Rechtsgebieten:

  • Arbeitsrecht:
  • Beamtenrecht:
  • Bürgerliches Recht:
    • Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, ist gemäß § 255 BGB zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache oder aufgrund des Rechts gegen Dritte zustehen. Diese typische Regressnorm gewährt dem Schadenersatzpflichtigen wegen des Verlusts einer Sache oder eines Rechts einen Anspruch gegen den Schadensersatzgläubiger auf vertragliche Abtretung der Ansprüche, die diesem gegen einen anderen Schuldner zustehen.[2]
    • Beim Verbrauchsgüterkauf darf die Gewährleistung zu Gunsten des Verbrauchers weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Der an den Verbraucher verkaufende Unternehmer (beispielsweise Einzelhändler) muss daher als letzter einer Absatz- oder Lieferkette für Mängel selbst dann einstehen, wenn er sie nicht zu vertreten hat. Er darf dann Rückgriff bei seinem Vorlieferanten nehmen (§ 478 Abs. 2 BGB). Ein Unternehmer, der einem Verbraucher Gewähr geleistet hat, kann, auch wenn die eigene Gewährleistung bereits verfristet ist, noch seinen Vorlieferanten in der Absatzkette in Anspruch nehmen. Der Regressanspruch muss binnen zwei Monaten ab Erfüllung der eigenen Gewährleistung geltend gemacht werden; er gilt innerhalb der gesamten Absatzkette gegenüber dem jeweiligen Vorlieferanten. Für jedes Glied in der Kette gilt eine absolute Verjährungsfrist dieser Regresspflicht von fünf Jahren seit Erbringung der eigenen Leistung.
    • Interzessionen:
      • Bürgschaft: Beim Bürgschaftsfall geht die Forderung des Gläubigers durch Legalzession gemäß § 774 Abs. 1 BGB automatisch auf den Bürgen über, so dass sich der Bürge durch Eintreibung dieser Forderung beim Hauptschuldner schadlos halten kann. Das gleiche Recht steht dem Vorbürgen gegenüber dem Nachbürgen und dem Rückbürgen gegenüber dem Hauptbürgen zu.
      • Die Gesamtschuldner sind, wenn der Gläubiger von einem Schuldner die gesamte Leistung erhalten hat, im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen zum Ausgleich verpflichtet (§ 426 Abs. 1 BGB), wobei wie bei der Bürgschaft eine Legalzession stattfindet (§ 426 Abs. 2 BGB).
      • Wird bei der Garantie der Garant vom Gläubiger in Anspruch genommen, so steht ihm ein Aufwendungsersatz aus § 670, § 675 Abs. 1 BGB gegenüber seinem Auftraggeber zu.[3]
  • Gesellschaftsrecht:
Wird aus dem Privatvermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters ein Beitrag zur Tilgung der Gesellschaftsschuld geleistet, der über den nach dem Gesellschaftsvertrag von ihm zu tragenden Verlustanteil hinausgeht, so findet ein anteiliger Regressanspruch der Gesellschafter untereinander statt (§ 110 Abs. 1 HGB).
Dem Frachtführer sind gemäß § 414 Abs. 1 HGB vom Absender – verschuldensunabhängig – Schäden zu ersetzen, die insbesondere aus ungenügender Verpackung oder Kennzeichnung oder Unterlassen der Mitteilung über die Gefährlichkeit des Frachtgutes resultieren.
Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, weil ein Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt, so geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger gemäß § 115 Abs. 1 SGB X bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über. Das gilt nach § 116 Abs. 1 SGB X auch für Schadenersatzansprüche.
Ein weiterer Regressanspruch steht einer Haftpflichtversicherung gegen den Versicherungsnehmer zu, wenn dieser grob fahrlässig oder gar vorsätzlich einen Schaden herbeigeführt hat. In der privaten Krankenversicherung wird § 86 VVG durch § 194 Abs. 2 VVG erweitert, indem dort auch Rückforderungsansprüche wegen rechtsgrundlos gezahlter Entgelte auf den Versicherer übergehen.
Haben bei der gesetzlichen Unfallversicherung Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, so haften sie den Sozialversicherungsträgern nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen.
Zahlt die Exportkreditversicherung im Versicherungsfall, so muss der Exporteur seine Exportforderung an die Exportkreditversicherung abtreten, damit diese versuchen kann, sich für die gezahlte Versicherungsentschädigung beim Importeur schadlos zu halten. Der vertragliche Anspruch auf Rückzahlung des Exportkredits ist kein automatisch auf die Exportkreditversicherung übergehender Schadenersatzanspruch.[6]

Folgen

Der Regressanspruch gewährt dem Schuldner die Möglichkeit, die bei ihm eingetretene Vermögensminderung (oder Schuldenerhöhung) dadurch wieder auszugleichen, dass er bei einem Dritten diesen Regressanspruch durchzusetzen versucht. Häufig wird dies misslingen, weil der Dritte nicht zahlungskräftig ist, da er beispielsweise bereits bei der Bürgschaft erfolglos vom Gläubiger zur Zahlung aufgefordert wurde.

International

Die deutschen Regressregeln sind in der Schweiz und Österreich ähnlich gestaltet. In der Schweiz ist die echte Solidarität in Art. 50 OR und Art. 148 Abs. 1 OR geregelt, für die unechte Solidarität gilt Art. 51 Abs. 2 OR. Nach letzterer Bestimmung hat primär der aus Verschulden Haftungspflichtige, in zweiter Linie jener aus Vertrag Haftungspflichtige und zuletzt derjenige, der kausal haftet, den Schaden zu tragen („Regresskaskade“). Art. 50 OR regelt die Haftung bei unerlaubter Handlung mehrerer Schädiger, wobei die Rückgriffsmöglichkeiten durch Gerichte zu bestimmen sind. Im Privatversicherungsrecht gibt es bei Schadensregulierung durch den Versicherer eine Legalzession gemäß Art. 72 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), die dort Subrogation genannt wird. Gemäß der Regelung in Art. 533 OR tragen die einfachen Gesellschafter die Belastung, soweit nichts anderes vereinbart ist, nach den Anteilen der Gewinn- und Verlust-Beteiligung. Erben tragen die Erblasserschulden, mangels anderer Abreden, nach Art. 640 Abs. 3 ZGB untereinander im Verhältnis ihrer Erbanteile.

Hat in Österreich ein Unternehmer einem Verbraucher Gewähr geleistet, so kann er von seinem Vormann, wenn auch dieser Unternehmer ist, auch nach Ablauf der Fristen des § 933 ABGB die Gewährleistung fordern (§ 933b ABGB). Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat entschieden, dass bei Betriebsübergängen durch Pächterwechsel der Neupächter gegenüber dem Altpächter ein gesetzliches Rückgriffsrecht hat, wenn er Ansprüche von übernommenen Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt. Wenn der Neupächter alle Ansprüche des Arbeitnehmers erfüllt hat, steht ihm ein Rückgriffsanspruch gegen den Altpächter für die bis zum Betriebsübergang entstandenen Ansprüche für maximal 5 Jahre ab Betriebsübergang zu.[7] Der Pflegeregress ermöglicht einer geförderten Langzeitpflege einer Person den Rückgriff der Bundesländer auf das Privatvermögen des Betroffenen und dessen Angehörigen.

Hat die Republik Österreich auf Grund von völkerrechtlichen Vereinbarungen wie dem Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände einem Geschädigten durch eine Weltraumaktivität verursachte Schäden ersetzt, so steht dem Bund ein Rückgriffsrecht gegen den Betreiber zu (§ 11 Weltraumgesetz).

Das UN-Kaufrecht regelt auch das Regressrecht des CISG-Importeurs gegen den CISG-Exporteur bei Produkthaftungsfällen. Dabei setzt das Regressrecht voraus, dass der Letztverkäufer seinem Endabnehmer, dem Verbraucher, aufgrund einer Vertragswidrigkeit haftet.[8]

Siehe auch

Einzelnachweise