Religionspädagogik

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Die Religionspädagogik (RPG, rpg[1]) bedenkt und gestaltet religiöse Erziehung, Bildung und Sozialisation in der Sicht der betreffenden Glaubensgemeinschaft und ihrer Spiritualität. Sie vermittelt die Glaubenslehre unter religionswissenschaftlichen, pädagogischen und methodisch-didaktischen Aspekten, unter Berücksichtigung des jeweiligen gesellschaftlichen, rechtlichen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontextes.

Eine Begrenzung der Religionspädagogik allein auf den Lernort Schule (Religionsunterricht) greift zu kurz: Vielmehr geht es allgemein um Erziehung, Bildung, Sozialisation, Lernen und Entwicklung in Religionsgemeinschaft (Kirche), Schule (öffentlich und privat) und Gemeinde (Kirchengemeinde) oder auch am religiösen Ort (Kirchenraumpädagogik). Zielgruppen der Religionspädagogik sind daher neben Kindern und Jugendlichen auch Erwachsene (Erwachsenenbildung), Männer (Männerarbeit) und Frauen (Frauenarbeit). Spezielle Aufgaben stellen sich z. B. für die Ehevorbereitung, die Begleitung junger Eltern, von alten Menschen oder von Kranken (siehe Krankenseelsorge).

Dabei hat sich im Christentum die Differenzierung zwischen Religionspädagogik im engeren Sinn – als stärker auf den Lernort Schule und den Religionsunterricht bezogen – und Gemeindepädagogik als stärker auf die (Pfarr-)Gemeinde bezogene Pädagogik durchgesetzt. Die Ausbildung für diese zwei Bereiche hat unterschiedliche Schwerpunkte. Für die Erwachsenen- und Pfarrpastoral ist die Praktische Theologie an den Universitäten zuständig, für die Ausbildung der Religionslehrer die Religionspädagogik an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen.

Es gibt seit den 1980er Jahren Überlegungen und Versuche hin zu einem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, der durch eine zum Teil gemeinsame Ausbildung von Religionslehrern verschiedener Konfessionen unterstützt werden kann.

Christliche Religionspädagogik

Aus christlicher Sicht ist die Religionspädagogik ursprünglich Glaubensverkündigung und Katechese (d. h. Lehren und Lernen zum Christsein), gilt aber auch als theologische Disziplin (Praktische Theologie) mit Bezug zu Sozialwissenschaften, zur Pädagogik und zur Psychologie. Im Sinn der Katechese ist die „Arbeitsebene“ von Religionspädagogen die Beziehung zwischen Mensch und Gott.

In der heutigen Zeit, wo große Teile der Bevölkerung als kirchenfern anzusehen sind, stellt der Religionsunterricht in der Schule oft die erste Begegnung mit dem Thema Religion dar. Die Vermittlung religiösen Wissens steht dadurch zunehmend im Zentrum, was im katholischen Bereich z. B. auch die ersten Wochen des Erstkommunion-Unterrichts prägt.

Im Gegensatz zu dieser Fernstehenden-Pastoral kann beim zweiten Bereich der Religionspädagogik – der Gemeindepädagogik in Pfarren oder für christlich geprägte Standesgruppen – der Wissensaspekt gegenüber der eigentlichen Seelsorge in den Hintergrund treten. Die Gemeindepädagogik hat daher einen viel höheren Anteil an persönlichen Aspekten wie geistliche Begleitung und Ermutigung, allfällige Lebenshilfe, Gespräche über die Bibel und das Gottesbild, Hinführung zum Gebet und vieles andere mehr. Die Gemeindearbeit kann demnach als motiviertes Bemühen um den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit und seiner Beziehung zu Gott definiert werden.

In manchen Bereichen der Religionspädagogik kann auch psychotherapeutisches Handeln am Platz sein, etwa der Zugang von Carl Rogers zur persönlichen oder Partnerschafts-Motivation und die sogenannte Pastoralpsychologie. Hier sind keineswegs die Geistlichen allein gefordert, sondern – besonders im evangelischen, wie im katholischen Verständnis – jeder erwachsene Christ. Das daraus entstehende Beziehungsgeflecht durch Zuhören, sich Einfühlen, Beistehen, Ideenaustausch usw. dient auch dem Aufbau einer modernen christlichen Gemeinde. Seit den 1970er-Jahren ist die Bedeutung der anderen Religionen (früher: „Fremdreligionen“, heute „Weltreligionen“) in der Religionspädagogik gewachsen. Zu den Pionieren im evangelischen Bereich zählen Karl Ernst Nipkow, Udo Tworuschka, Jürgen Lott, Johannes Lähnemann. Im katholischen Bereich sind Hubertus Halbfas und Werner Trutwin zu nennen. Seit den 1990er-Jahren ist weniger von „Weltreligionen im Religionsunterricht“, sondern vom „Interreligiösen Lernen“ die Rede. Zu den Pionieren dieser religionspädagogischen Konzeption zählen Stephan Leimgruber, Herbert Schultze und Hans-Georg Ziebertz.

Islamische Religionspädagogik

Die islamische Religionspädagogik steckte Anfang des 21. Jahrhunderts in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Bereits in den 1990er-Jahren gab es vereinzelte Bestrebungen zum Aufbau einer entsprechenden Lehre. Seit dieser Zeit hebt sich insbesondere das Institut für Interreligiöse Didaktik und Pädagogik in Köln[2] mit seiner Arbeit heraus. Unter der Leitung von Rabeya Müller wurden dort erste Konzepte für einen islamischen Religionsunterricht entwickelt, Lehrmaterialien erstellt oder Fortbildungskurse angeboten. In den vergangenen Jahren erwarb sich insbesondere die Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin Lamya Kaddor einen wichtigen Anteil an der Weiterentwicklung dieser Disziplin. Sie hat dazu mehrere Publikationen verfasst und herausgebracht. Unter anderem erarbeitete sie in Kooperation mit Rabeya Müller seit 2004 mit dem Koran für Kinder und Erwachsene sowohl die erste kindgerechte Übersetzung des Koran,[3] als auch das erste staatlich genehmigte Schulbuch für den islamischen Religionsunterricht „Saphir“.[4] An der Herausgabe des Schulbuchs war auch Harry Harun Behr beteiligt. Mit seiner Berufung auf die Professur für Islamische Religionspädagogik an der Universität Erlangen-Nürnberg fand die junge Disziplin erstmals den Zugang zum deutschen Hochschulsystem. Die Entwicklungen in den letzten Jahren wurden vor allem durch die politischen Bestrebungen zur Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen in Deutschland begünstigt.

Als ein Experte auf dem Gebiet der islamischen Religionspädagogik gilt in Deutschland vor allem Bülent Ucar an der Universität Osnabrück, der mit zahlreichen Publikationen zur Entwicklung der islamischen Religionspädagogik maßgeblich beigetragen hat. Im März 2008 bekräftigte die deutsche Islamkonferenz die Bestrebungen zur Einführung eines ordentlichen Religionsunterrichts.

In Österreich wurde die Islamische Religionspädagogik im Jahre 2007 an der Universität Wien etabliert.

Buddhistische Religionspädagogik (in Österreich)

Mit der gesetzlichen Anerkennung des Buddhismus in Österreich 1983 war auch die Berechtigung verbunden, buddhistischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu erteilen. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) entwickelte einen ersten Lehrplan für alle Schulstufen, der im Mai 1992 vom Unterrichtsminister verlautbart wurde. Im September 1993 begann ein buddhistischer Religionsunterricht in Graz, Salzburg und Wien, und konnte in den folgenden Jahren ausgedehnt werden. Im Jahr 2001 wurde, zentral für ganz Österreich, in Salzburg das Buddhistische Religionspädagogische Institut der ÖBR (BRPI) errichtet. Der Begründer und Leiter des Instituts, Kurt Krammer, war auch Fachinspektor für Buddhistische Religion. 2008 trat ein neuer Lehrplan in Kraft. Aufgrund der Vielfalt buddhistischer Traditionen in Europa ergeben sich sehr unterschiedliche Erwartungen an den Religionsunterricht. Die meisten Schüler des buddhistischen Religionsunterrichts stammen aus asiatischem Migrationshintergrund. Insgesamt nehmen in ganz Österreich ungefähr 200 Schüler am buddhistischen Religionsunterricht teil.[5]

Ausbildung

Die akademische Ausbildung in Religionspädagogik erfolgt ebenso an kirchlichen Hochschulen (z. B. an den evangelischen Fachhochschulen, der katholischen Universität Eichstätt, der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Abt. Benediktbeuern, oder der Katholischen Hochschule Mainz) wie auch an staatlichen Universitäten (z. B. Universität Luzern, Universität Tübingen, Universität Hamburg, Universität Münster, Universität Greifswald) und in Baden-Württemberg an den Pädagogischen Hochschulen in Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Ludwigsburg, Schwäbisch Gmünd und Weingarten. An der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz ist hierfür ein entsprechendes Fernstudium, an der Domschule Würzburg mit einem Theologie im Fernkurs ein Fernunterricht möglich. Nicht zuletzt in Berlin hat spätestens seit 2006 die Ausbildung an der EFB zum FH-diplomierten Religionspädagogen bereits den mehrstufigen sowie berufsbegleitenden Ausbildungsgang zum Katecheten vollständig abgelöst bzw. ersetzt.

In der Islamischen Religionspädagogik erfolgt die akademische Ausbildung bislang an wenigen Standorten. Nach der Besetzung der oben erwähnten Professur in Erlangen-Nürnberg[6] wurde inzwischen auch an der Universität Osnabrück[7] ein zweiter Lehrstuhl besetzt. Inhaber ist der Wissenschaftler Bülent Ucar. Am Centrum für Religiöse Studien der Universität Münster befindet sich die Islamische Religionspädagogik im Aufbau. Die zugehörige Professur wurde aber bereits im Winter 2007/2008 schon einmal für ein Semester durch Lamya Kaddor vertreten. In Hessen kann das Lehramtsstudium in Gießen und Frankfurt absolviert werden, seit 2014/15 ist an der Universität Frankfurt die Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Islamische Religionspädagogik und Didaktik des Islamischen Religionsunterrichts für die Sekundarstufen am Fachbereich Erziehungswissenschaften mit dem Erziehungswissenschaftler Harry Harun Behr besetzt.[8] Auch in Baden-Württemberg sind Professuren in Planung. Außerhalb der akademischen Ausbildung bieten die Ministerien der Bundesländer, die islamischen Religionsunterricht bzw. Islamkunde anbieten, entsprechende islampädagogische Fortbildungen für Lehrer an.

Bedeutende Begründer der Religionspädagogik

Religionspädagogen nach dem Zweiten Weltkrieg

Organisationen

Wichtige Organisationen von Religionspädagogen in Deutschland sind die Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik (GwR) und die Arbeitsgemeinschaft Katholische Religionspädagogik und Katechetik (AKRK) sowie die Arbeitsgemeinschaft der Leiter/-innen der Pädagogischen Institute und Katechetischen Ämter der Evangelischen Kirche in Deutschland (ALPIKA).[9]

Literatur

  • Erich Feifel, Robert Leuenberger, Günter Stachel, Klaus Wegenast (Hrsg.): Handbuch der Religionspädagogik. Band 1: Religiöse Bildung und Erziehung. Gütersloh, Zürich, Einsiedeln Köln 1973; Band 2: Didaktik des Religionsunterricht – Wissenschaftstheorie. Gütersloh, Zürich, Einsiedeln, Köln 1974; Band 3: Religionspädagogische Handlungsfelder in kirchlicher Verantwortung. Gütersloh, Zürich, Einsiedeln, Köln 1975.
  • Udo Tworuschka, Dietrich Zilleßen (Hrsg.): Thema Weltreligionen. Ein Diskussions- und Arbeitsbuch für Religionspädagogen und Religionswissenschaftler. Frankfurt am Main, München 1977.
  • Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter. 2. Auflage. München 1991.
  • Anja Lüpken: Religiöse Fachdidaktik – Auf dem Weg zu einer neuen Disziplin. In: Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland. Landsberg/München seit 1997, jährlich vier Ergänzungslieferungen, EL 26.
  • Christian Grethlein: Religionspädagogik. Berlin, New York 1998.
  • Norbert Mette, Folkert Rickers: Lexikon der Religionspädagogik. Neukirchener, Neukirchen-Vluyn 2001, ISBN 3-7887-1745-9.
  • Gottfried Bitter, Rudolf Englert, Gabriele Miller, Karl Ernst Nipkow: Neues Handbuch religionspädagogischer Grundbegriffe. Kösel, München 2002, ISBN 3-466-36598-8.
  • Christoph Bizer, Roland Degen, Rudolf Englert, Norbert Mette, Folkert Rickers, Friedrich Schweitzer (Hrsg.): Religionsdidaktik. In: Jahrbuch der Religionspädagogik. (JRP) Band 18 (2002). Neukirchen-Vluyn 2002.
  • Werner Simon: Moderne Religionspädagogik. Kaiser, Gütersloh 2005.
  • Ulrich Becker, Harry Noormann, Bernd Trocholepczy (Hrsg.): Ökumenisches Arbeitsbuch Religionspädagogik. 3. Auflage. Stuttgart 2007.
  • Jürgen Court, Michael Klöcker (Hrsg.): Wege und Welten der Religionen. Forschungen und Vermittlungen. FS Udo Tworuschka zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main 2009, S. 731–762 Bibliographie der Werke von Udo Tworuschka.
  • Wolfram Reiss: Gutachten über die im islamischen Religionsunterricht in Österreich verwendeten Bücher. Hg. vom Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich, Wien 2012.
  • Lucas Graßal: Wie Religion(en) lehren? Religiöse Bildung in deutschen religionspädagogischen Konzeptionen im Licht der Pluralistischen Religionstheologie von John Hick, Berlin 2013 (Pädagogische Beiträge zur Kulturbegegnung 30).
  • Horst F. Rupp: Religionspädagogik und Religionsunterricht in Deutschland. In: Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland/im deutschsprachigen Raum, hg. von Michael Klöcker und Udo Tworuschka. 35. Ergänzungslieferung, München 2013.
  • Mirjam Zimmermann, Heike Lindner (Hrsg.): Das wissenschaftlich-religionspädagogische Lexikon im Internet (WiReLex) 2015ff. (Online: http://www.wirelex.de)/

Weblinks

Wiktionary: Religionspädagogik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • WiReLex – wissenschaftlich-religionspädagogisches Lexikon im Internet – ökumenisches Online-Lexikon
  • rpi-virtuell – Konfessionsübergreifende Internetplattform der EKD für religionspädagogisch Tätige in Schule, Aus- und Fortbildung, in Zusammenarbeit mit den religionspädagogischen Instituten Österreichs

Einzelnachweise

  1. Religionspädagogik auf zhref.ch
  2. ipd-koeln.de IPD-Köln
  3. Der Koran für Kinder und Erwachsene, Beck-Verlag, München 2008, 2. Aufl. (chbeck.de)
  4. Saphir 5/6 Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime, Kösel-Verlag, München 2008.
  5. Wiener Zeitung 2013 über den buddhistischen Religionsunterricht: „Derzeit jedoch gibt es lediglich 190 buddhistische Schüler in Österreich.“
  6. Interdisziplinäres Zentrum für Islamische Religionslehre izir.uni-erlangen.de
  7. Uni Osnabrück – Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik islamische-religionspaedagogik.uni-osnabrueck.de
  8. Goethe-Universität — Studienangebot. Abgerufen am 29. Januar 2022.
  9. alpika.de