Sachenrecht (Deutschland)

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Das Sachenrecht bezeichnet ein Rechtsgebiet des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das die Rechtsverhältnisse von Rechtssubjekten zu Sachen im Sinne des § 90 BGB und vereinzelt auch zu Rechten regelt.[1] Dazu gehören bewegliche Sachen (Fahrnis), unbewegliche Sachen (Grundstücke) sowie grundstücksgleiche Rechte, als Rechte aber auch beispielsweise der Nießbrauch und das Pfandrecht (vergleiche § 1068 BGB und § 1273 BGB).

Das Sachenrecht ist in Deutschland im dritten Buch (§§ 854 bis § 1296) des BGB kodifiziert. Seine vornehmliche Aufgabe besteht darin, die Sachen bestimmten Personen zuzuordnen, worauf das Wesen der dinglichen Rechte beruht. Verknüpft mit einem absoluten Klageschutz, regelt es mithin den Bestand des Rechtsverhältnisses, also die Befugnisse des Eigentümers oder Besitzers, aber auch dessen Veränderungen, die beispielsweise durch Übereignung und Besitzverschaffung eintreten.

Außerhalb des BGB sind weitere sachenrechtliche Sondervorschriften geregelt, so etwa im Wohnungseigentumsgesetz oder dem Erbbaurechtsgesetz.

Grundsätze des Sachenrechts

Das deutsche Sachenrecht kennt fünf Grundsätze: Die Publizität (Offenkundigkeit), die Absolutheit (Allgemeinverbindlichkeit), die Spezialität (Bestimmtheit), die beschränkte Zahl der Sachenrechte (Typenzwang, auch: Typisierung) und die Abstraktheit. Teilweise wird auch das Prioritätsprinzip, das in § 185 Abs. 2 S. 2 BGB verankert ist, zu den Sachenrechtsgrundsätzen gezählt. Juristen merken sich die fünf Prinzipien unter der Abkürzung PASTA nach den Anfangsbuchstaben.

Publizitäts-/ Offenkundigkeitsgrundsatz

Die dinglichen Rechte, die jedermann zu respektieren hat, müssen für jeden erkennbar sein. Dies ist anders als im Schuldrecht, wo die Vereinbarung nur zwischen den Parteien gilt und deswegen nicht für andere offenkundig gemacht werden muss (Relativität der Schuldverhältnisse). Publizitätsträger bei beweglichen Sachen ist der Besitz und bei Grundstücken das Grundbuch. Die Veränderung der dinglichen Rechtslage an einer beweglichen Sache erfordert deswegen eine Übertragung des Besitzes, hingegen an einem Grundstück eine Eintragung im Grundbuch. Es gilt grundsätzlich die gesetzliche Vermutung, dass der Publizitätsträger auch der dinglich Berechtigte ist.

Absolutheit

Der Grundsatz der Absolutheit bedeutet, dass die Sachenrechte gegenüber jedermann wirksam sind (absolute Wirkung). Dies ist anders als im Schuldrecht, wo die Verpflichtungen nur zwischen den Parteien bestehen (relative Wirkung). Durch die dingliche Wirkung gegenüber jedem anderen bewirkt der Grundsatz der Absolutheit einen umfassenden Rechtsschutz.

Spezialitätsgrundsatz

Der Spezialitätsgrundsatz im eigentlichen Sinne besagt, dass ein dingliches Recht nur an einer einzigen Sache bestehen kann bzw. jede Sache selbst der Gegenstand von eigenen dinglichen Rechten ist; das deutsche Sachenrecht kennt im Grundsatz kein dingliches Recht an Sachgesamtheiten.[2]

Beispiel: Der Eigentümer einer Bibliothek hat nicht das Eigentum an der Bibliothek als solcher (bzw. an allen Büchern als Gesamtheit); er hat das Eigentum an jedem einzelnen Buch. Somit kann der Eigentümer auch nicht den Inhalt der Bibliothek als Ganzes übertragen, sondern muss das Eigentum jedes einzelnen Buches übertragen.

Häufig wird der Spezialitätsgrundsatz auch mit dem Bestimmtheitsgrundsatz gleichgesetzt bzw. verwechselt. Dieser ist eng mit dem Spezialitätsgrundsatz verknüpft und besagt, dass dingliche Rechte nur an einer ganz bestimmten Sache bestehen können. Das Sachenrecht kennt anders als das Schuldrecht keine Rechte an Gattungssachen. Damit kann nur über individualisierte Gegenstände verfügt werden. Dabei handelt es sich freilich um einen Grundsatz nicht nur des Sachenrechts, sondern aller Verfügungsgeschäfte. Für die Übertragung eines dinglichen Rechts bedeutet das, dass genau bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar sein muss, auf welches dingliche Recht sich die Übertragung bezieht.

Typenzwang

Die dinglichen Rechte, anders als im Schuldrecht, wo durch Vereinbarung neue Vertragstypen geschaffen werden können, sind auf die im Gesetz genannten Fälle beschränkt.

Diese sind:

Durch die enumerative Aufzählung der Rechte existiert im Sachenrecht ein numerus clausus dinglicher Rechte. Einhergehend mit dem Publizitätsgrundsatz sorgt der Typenzwang für Klarheit bei Dritten. Diese Rechtssicherheit ist notwendig, da die dinglichen Rechte absolut wirken. Eine Verfügungsfreiheit gibt es anders als im Schuldrecht in Form der Vertragsfreiheit (§ 311 BGB) daher nicht.

Eine Ausnahme des Typenzwanges ist das Anwartschaftsrecht.

Abstraktions- und Trennungsprinzip

Der Grundsatz der Abstraktheit baut auf dem Trennungsprinzip auf. Das Trennungsprinzip trennt schuldrechtliche Verpflichtung und dingliche Verfügung. Das Abstraktionsprinzip stellt sicher, dass auch die rechtliche Wirksamkeit von Kausalgeschäft und Verfügung unabhängig sind. Auch die Abstraktheit gilt damit nicht nur für das Sachenrecht, sondern für nahezu alle Verfügungsgeschäfte.

Besitz

Eigentum an beweglichen Sachen

Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Schutz des Eigentums

Beschränkte dingliche Recht an beweglichen Sachen

Liegenschaftsrecht

Grundbuchrecht

Nachbarrecht

Vormerkung

Die Vormerkung ist eine im Grundbuch verlautbarte Ankündigung eines zukünftigen Rechtserwerbs an einem Grundstück, auf den derjenige, zu dessen Gunsten die Vormerkung eingetragen wurde, einen Anspruch hat.

Beispiel: E verkauft sein Grundstück an K. K ist dadurch noch nicht Eigentümer geworden: E kann nach wie vor das Grundstück an L verkaufen. Tut er das und wird L ins Grundbuch eingetragen, bleibt K nur ein schuldrechtlicher Schadensersatzanspruch; ein Eigentumserwerb ist jedoch ausgeschlossen. Um dies zu verhindern, kann sich K seinen Anspruch auf Übereignung mithilfe einer Vormerkung sichern lassen. Spätere Verfügungen sind ihm gegenüber dann unwirksam.

Das Entstehen einer Vormerkung ist nach § 883 bzw. § 885 BGB von vier Tatbestandsmerkmalen (Voraussetzungen) abhängig:

  1. dem Bestehen eines vormerkungsfähigen Anspruches,
  2. einer Bewilligung bzw. einstweiligen Verfügung,
  3. der Eintragung ins Grundbuch und
  4. der Berechtigung des Betroffenen.

Grundpfandrechte

Hypothek

Grundschuld

Die Grundschuld ist ebenso wie die Hypothek das dingliche Recht, aus einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht (beispielsweise einem Wohnungseigentum oder einem Erbbaurecht) die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu fordern (§ 1191 Abs. 1 BGB). Anders als diese ist sie als reines Verwertungsrecht jedoch nicht vom Bestand einer Forderung abhängig – sie ist nicht akzessorisch. Es finden nach § 1192 Abs. 1 BGB jedoch diejenigen Vorschriften der Hypothek auf die Grundschuld Anwendung, die nicht auf der Akzessorietät der Hypothek beruhen. Regelmäßig wird die Grundschuld als sog. Sicherungsgrundschuld dennoch zur Kreditsicherung bestellt – in der Praxis sogar häufiger als die Hypothek. Forderung und Grundschuld sind dabei rechtlich nur durch eine Sicherungsabrede miteinander verbunden. Hierin liegt gerade der wirtschaftliche Vorteil gegenüber der Hypothek: Die zu sichernde Forderung kann formlos ausgetauscht werden, was bei schnell wechselnden Forderungen vorteilhaft ist. Neben der Grundschuld zur Sicherung einer Forderung besteht die (praktisch wenig verbreitete) Möglichkeit, eine isolierte Grundschuld zu bestellen.[3]

Die Grundschuld entsteht entweder durch Einigung und Eintragung nach § 873 BGB oder durch Umwandlung einer Hypothek nach § 1198 BGB. Regelmäßig wird über die Grundschuld ein Brief erteilt (Briefgrundschuld nach § 1116 Abs. 1 BGB), es sei denn, im Grundbuch wird eingetragen, dass die Brieferteilung ausgeschlossen ist (Buchgrundschuld). Die Grundschuld wird übertragen durch Einigung und Briefübergabe bzw. Einigung und Eintragung in der Form des § 1154 BGB. § 1153 BGB basiert auf der Akzessorietät der Hypothek und ist folglich nicht anwendbar mit der Folge, dass die Forderung hiervon nicht beeinträchtigt wird: Grundschuld und Forderung können also zwei verschiedenen Personen zustehen.[3]

Besteht die zu sichernde Forderung von Anfang an, kommt eine Sicherungsgrundschuld mangels Akzessorietät dennoch zum Entstehen – § 1163 BGB ist unanwendbar. Nach einer Mindermeinung[4] führt die nicht vorhandene Forderung zur Nichtigkeit der Sicherungsabrede durch § 139. Dem Sicherungsgeber steht deshalb ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückerstattung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu. Die herrschende Meinung folgte dem nicht: Stattdessen wird der Sicherungsvertrag dahingehend ausgelegt, dass bei nichtbestehender Forderung ein Anspruch auf Rückübereignung entstehe.[5]

Kollisionsrecht

Grundsätzliche Anknüpfung (Art. 43 Abs. 1 EGBGB)

Für Rechte an Sachen gilt der Grundsatz der lex rei sitae: Sachenrechtliche Fragen sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sache befindet. Dies gilt für bewegliche und unbewegliche Sachen. Damit wird den Verkehrsinteressen am besten entsprochen und der Rechtsverkehr muss nicht mit dem inländischen Recht unbekannten Belastungen der Sache rechnen. Bei Immobilien wird so auch häufig Gleichlauf zwischen gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem Recht erreicht. Nach herrschender Meinung ist die Parteiautonomie ausgeschlossen. Die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB lässt ausnahmsweise ein anderes Recht zu, wenn zu diesem eine wesentlich engere Verbindung besteht. Dies wird meist dann diskutiert, wenn am Lageort keine Verbindungen zu Dritten bestehen.

Anwendungsbereich des Sachenrechtsstatutes

Sache wird wie im materiellen Recht nach § 90 BGB definiert. Bei Wertpapieren unterliegt nur das Recht am Papier dem Sachenrechtsstatut (lex cartae sitae). Das verbriefte Recht ist nach dem Wertpapierrechtsstatut zu beurteilen. Das ermittelte Sachenrecht bestimmt die zulässigen Arten und den Inhalt dinglicher Rechte.

Beispiel: Das deutsche Recht kennt mit dem Sicherungseigentum eine besitzlose Mobiliarsicherheit. Das österreichische Recht hingegen lässt nur das Faustpfand zu. Ist österreichisches Recht berufen kann Sicherungseigentum nicht begründet werden.

Bei der Qualifikation ausländischer Rechtsinstitute (beispielsweise des anglo-amerikanischen trust) ist danach zu fragen, ob sie nur inter pares (dann schuldrechtlich) oder erga omnes (dann sachenrechtlich) wirken. Das Sachenrechtsstatut bestimmt über Entstehung, Fortdauer und Untergang dinglicher Rechte. Bei der Anknüpfung ist stets das deutsche Abstraktionsprinzip zu beachten: Auch im internationalen Privatrecht werden schuldrechtliches Verpflichtungs- und sachenrechtliches Verfügungsgeschäft getrennt angeknüpft. Von der lex rei sitae wird auch der gutgläubige Erwerb gemacht.

Statutenwechsel

Bei beweglichen Sachen kann es leicht zu einem Statutenwechsel kommen. Hier sind Verkehrsinteressen und der Schutz wohlerworbener Recht miteinander zu vereinbaren. Bei einem offenen Tatbestand ist vollständig nach dem neuen Statut zu entscheiden. Faktische Vorgänge im Ausland sind dabei nach Art. 43 Abs. 3 EGBGB wie inländische zu behandeln.

Abgeschlossenen Tatbestände nennt man solche Tatbestände, bei denen sich die Rechtsänderung vollständig unter dem alten Statut vollzogen hat oder dort endgültig fehlgeschlagen ist. Zum Schutz von wohlerworbenen Rechten unterliegen solche Tatbestände dem alten Statut. Problematisch ist dies jedoch dann, wenn im Ausland ein Recht an einer Sache begründet wurde, das nach inländischem Recht unbekannt ist. Nach Art. 43 Abs. 2 EGBGB können nämlich keine Rechte an einer Sache ausgeübt werden, die im Widerspruch zur Rechtsordnung dieses Staates stehen.

Beispiel: In Frankreich wird ein besitzloses Registerpfandrecht begründet. Die Sache wird nach Deutschland verbracht. Das deutsche Recht kennt kein besitzloses Pfandrecht.

Nach Art. 43 Abs. 2 EGBGB bleibt also ein solches Recht im Inland bestehen. Fraglich ist nur, welche Wirkungen ihm im Inland verliehen werden. Für das besitzlose Registerpfandrecht ist nach herrschender Meinung anerkannt, dass es dem deutschen Sachenrecht nicht widerspricht, da dieses mit dem Eigentumsvorbehalt und der Sicherungsübereignung funktionsäquivalente Institute kennt. Es wird nach herrschender Meinung deshalb als einfaches Pfandrecht mit den Folgen des § 805 ZPO behandelt.

Da das Recht weiterbesteht und nur in seiner Ausübung durch das neue Recht begrenzt wird, lebt auch wieder auf sobald es in ein Land verbracht wird, das dieses Rechtsinstitut kennt.

Sonderfälle

Hat der Verkäufer die Ware ins Ausland zu senden, so spricht man vom internationalen Versendungskauf. Nach herrschender Meinung gilt die lex rei sitae auch hier. Nach anderer Ansicht soll jedoch hier die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB zum Tragen kommen, um eine einheitliche Anknüpfung des dinglichen Rechtsgeschäftes zu gewährleisten, unabhängig von der oft zufälligen Frage, ob der Vorgang offen oder abgeschlossen ist.

Wird über die Ware während des Transports verfügt, so spricht man von der Problematik der res in transitu. Oft ist der Lageort hier zufällig oder die Sache befindet sich in hoheitsfreiem Gebiet. Deshalb findet das Recht des Staates des Lageorts hier regelmäßig keine Anwendung, da dessen Interessen regelmäßig nicht berührt sind. Stattdessen wird das Recht des Staates des zukünftigen Bestimmungsortes angewandt.

Für Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeuge wird nach Art. 45 EGBGB auf den Registrierungsort-, hilfsweise an den gewöhnlichen Standort des Transportmittels angeknüpft. Da Kraftfahrzeuge nicht gesondert genannt werden gilt nach herrschender Meinung für sie die Grundregel des Art. 43 Abs. 1 EGBGB. Eine Mindermeinung will für dauerhaft im internationalen Verkehr eingesetzte Kraftfahrzeuge unter Zugrundelegung von Art. 46 EGBGB auf den Zulassungsort abstellen.

Literatur

Einführungen

Lehrbücher

  • Fritz Baur, Jürgen F. Baur, Rolf Stürner: Sachenrecht. 18. Auflage. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-54479-8.
  • Andreas Neef: BGB II: Recht der beweglichen Sachen. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-020933-6.
  • Hans Josef Wieling: Sachenrecht. 5. Auflage. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-37403-9.
  • Jan Wilhelm: Sachenrecht. 3. Auflage. de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-325-2.
  • Manfred Wolf/Marina Wellenhofer: Sachenrecht. 31. Auflage. C.H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-59462-5.

Einzelnachweise

  1. O. Palandt (Hrsg.), P. Bassenge (Bearb.): Bürgerliches Gesetzbuch. 68. Aufl. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58110-6, Vor § 854 BGB Rn. 1.
  2. siehe auch Wolf, Manfred/Wellenhofer, Marina, Sachenrecht, 26. Auflage, München 2011, § 2 Rn. 11
  3. a b Hans Wieling: Sachenrecht. 5. Auflage. Springer, Berlin 2007, § 32. Grundschuld.
  4. Rolf Serick: Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung. Band I, 1963, § 4 II 4, S. 63.
  5. Othmar Jauernig: § 1191 BGB. In: Othmar Jauernig (Hrsg.): Bürgerliches Gesetzbuch. Kommentar. 13. Auflage. C.H. Beck, München 2009, Rn. 9.