Schlacht um Schloss Itter

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Schlacht um Schloss Itter
Datum 5. Mai 1945
Ort Schloss Itter, Tirol, Österreich
Ausgang Sieg der US-Armee und ihrer Verbündeten
Folgen Befreiung der französischen und anderen Kriegsgefangenen
Konfliktparteien

Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
War Ensign of Germany (1938–1945).svg Wehrmachtssoldaten
OsterreichÖsterreich Österreichischer Widerstand
FrankreichFrankreich Französische Kriegsgefangene

Deutsches Reich NS Deutsches Reich Deutsches Reich (Waffen-SS)

Befehlshaber

Captain John C. „Jack“ Lee, Jr.
Lieutenant Harry Basse
Major Josef Gangl
SS-Hauptsturmführer Kurt-Siegfried Schrader

SS-Oberführer Georg Bochmann

Truppenstärke
Wehrmachtssoldaten: 13
Waffen-SS: 1
USA: 16 (später Verstärkung durch 104. Infanteriedivision)
Österreichischer Widerstand: 1
Mehrere französische Kriegsgefangene
150–200 Mann
Verluste

Ein Toter (Josef Gangl)
4 Verletzte

ca. 100 Gefangene
Ungefähr ein paar Dutzend Tote

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Die Schlacht um Schloss Itter wurde am 5. Mai 1945 um das Schloss im Tiroler Dorf Itter in Österreich ausgetragen. Es war, neben der Operation Cowboy, eins von zwei bekannten Gefechten des Zweiten Weltkriegs, bei dem Soldaten der United States Army und der Wehrmacht gemeinsam kämpften, unterstützt von befreiten prominenten französischen Kriegsgefangenen, gegen Einheiten der 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“.

Vorgeschichte

Schloss Itter wurde Ende 1940 offiziell durch die deutsche Regierung vom Besitzer Franz Grüner gepachtet und am 7. Februar 1943 von SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Oswald Pohl auf Befehl Heinrich Himmlers in Besitz genommen. Am 25. April 1943 wurde das Schloss als Außenkommando, mit der damaligen offiziellen Bezeichnung „SS-Sonderkommando Schloss Itter“,[1][2] des Konzentrationslagers Dachau eröffnet, um hier für das Deutsche Reich wichtige, in der Mehrzahl französische Kriegsgefangene unterzubringen.[3][4] Gefangen gehalten wurden hier unter anderem der Tennisspieler Jean Borotra,[5] die ehemaligen Premierminister Édouard Daladier[6] und Paul Reynaud,[7] die ehemaligen Hauptbefehlshaber Maxime Weygand[8] und Maurice Gamelin,[9] Charles de Gaulles ältere Schwester Marie-Agnès Cailliau,[10] das Mitglied der Résistance François de La Rocque[11] sowie der Gewerkschaftsführer Léon Jouhaux.[12] Daneben befanden sich hier einige Gefangene aus osteuropäischen Ländern, die überwiegend für Unterhaltsarbeiten eingesetzt wurden.[13]

Das Gefecht

Der letzte Kommandeur des Konzentrationslagers Dachau, Eduard Weiter, nahm sich am 2. Mai 1945 nach seiner Flucht von Schloss Itter das Leben.[14] Am 3. Mai 1945 verließ Zvonimir Čučković, ein Mitglied des jugoslawischen kommunistischen Widerstands, der im Schloss als Gehilfe arbeiten musste,[15] das Gebäude unter dem Vorwand, für den Kommandeur des Schlosses, SS-Sturmbannführer Sebastian Wimmer, Hilfe zu holen. Er hatte einen Brief in englischer Sprache bei sich, den er dem ersten von ihm gefundenen Amerikaner geben sollte und in dem zu alliierter Hilfe aufgerufen wurde.

Das nur 5 km talabwärts gelegene Wörgl war noch in deutscher Hand, weshalb sich Čučković das Inntal aufwärts in Richtung des 70 km Fußweg entfernten Innsbruck begab. Am späten Abend erreichte er den Stadtrand von Innsbruck, wo er die Vorhut des 409. Infanterieregiments der amerikanischen 103. Infanteriedivision des VI. Corps antraf und über die Gefangenen im Schloss informierte.[16] Die amerikanischen Soldaten wollten eine Rettungsaktion nicht auf eigene Faust starten, sagten aber Čučković eine Antwort ihres Kommandeurs bis zum Morgen des 4. Mai zu. Am Morgen stieß eine amerikanische Einheit in Richtung Schloss Itter vor, wurde jedoch auf halbem Wege kurz hinter Jenbach durch heftiges Artilleriefeuer zum Halten gebracht.

Als Čučković am 3. Mai nicht zurückgekehrt war, hatte Sebastian Wimmer seinen Posten verlassen, und die Wachmannschaften der SS-Totenkopfverbände waren ihm bald danach gefolgt. Daraufhin hatten sich die Gefangenen mit dem zurückgelassenen Kriegsmaterial bewaffnet und die Kontrolle über das Schloss übernommen.[17]

Da Čučković auch am 4. Mai nicht zurückkam, entschloss sich am Mittag der tschechische Koch Andreas Krobot, mit dem Fahrrad nach Wörgl zu fahren und Hilfe zu suchen. Die Stadt war von der Wehrmacht geräumt, anschließend aber von Einheiten der Waffen-SS besetzt worden. Hier fand er Angehörige des Österreichischen Widerstandes, die ihn zu Major Josef Gangl brachten. Dieser kommandierte die Reste einer Wehrmachtseinheit, die dem Räumungsbefehl nicht gefolgt war, sondern sich dem Widerstand vor Ort angeschlossen hatte.[18]

Gangl hatte bereits vor, die Gefangenen im Schloss zu befreien, wollte jedoch seine wenigen Soldaten nicht in einem Himmelfahrtskommando gegen das von schwer bewaffneter SS bemannte Schloss opfern. Stattdessen hielt er seine Männer bereit, um Bewohner der Stadt vor Repressalien der SS zu schützen, bis die Amerikaner in der Stadt eintreffen würden.[19] Nun sah sich Gangl aber gezwungen, den Amerikanern unter weißer Flagge entgegenzueilen, um sie um Hilfe zu bitten. Im 8 km entfernten Kufstein traf er auf eine Aufklärungseinheit der Amerikaner mit vier Panzern M4 Sherman des 23. Panzer-Battalions der 12. Panzer-Division des XXI. Corps der US Army unter dem Kommando von Hauptmann John C. „Jack“ Lee. Dieser zögerte nicht, die erbetene Rettungsaktion einzuleiten, wofür er auch sofort Erlaubnis seines Kommandeurs erhielt.

Nachdem Lee und Gangl von Gangls Kübelwagen aus das Schloss beobachtet hatten, ließ Lee zwei seiner Panzer zurück, übernahm aber fünf weitere sowie unterstützende Infanterie vom soeben eingetroffenen 142. US-Infanterieregiment der 36. Infanterie-Division. Lee sah sich jedoch an einer zu unsicher erscheinenden Brücke gezwungen, die Verstärkung zurückzuschicken und mit nur 14 US-Soldaten, Gangl sowie einem Lastwagen mit einem Fahrer und zehn ehemaligen Artilleristen der Wehrmacht zum Schloss vorzustoßen, wobei er einen Panzer an der Brücke zurückließ. Der Vorstoß zum Schloss wurde gegen eine Einheit der Waffen-SS erzwungen, die vergeblich versuchte, den Weg zu blockieren.[20][21]

Währenddessen baten die französischen Gefangenen den SS-Offizier Kurt-Siegfried Schrader, der sich zur Genesung von einer Verwundung in Itter befand, um Schutz. Als Lee das Schloss erreichte, wurde er freudig begrüßt, doch waren die ehemaligen Gefangenen angesichts der geringen Anzahl von Amerikanern enttäuscht.[22] Während Lees Männer Verteidigungsstellungen um das Schloss herum einnahmen, wurde der Panzer (Besotten Jenny) am Haupttor aufgestellt. Obwohl Lee die befreiten Franzosen angewiesen hatte, sich zu verstecken, kämpften sie an der Seite der US- und Wehrmachtssoldaten.[23] Gangl gelang es, Alois Mayr von der österreichischen Widerstandsgruppe in Wörgl anzurufen und um Hilfe zu bitten, woraufhin zwei weitere Wehrmachtssoldaten und der jugendliche Widerstandskämpfer Hans Waltl zum Schloss fuhren.[24] Nachdem in der Nacht Spähtrupps das Schloss beobachtet hatten, griffen am Morgen des 5. Mai etwa 100 bis 150 Mann der Waffen-SS an.[25][26] Gangl wurde beim Versuch, den ehemaligen französischen Premierminister Reynaud aus der Schusslinie zu bringen, von der Kugel eines Scharfschützen tödlich getroffen. Er starb als einziger der Verteidiger des Schlosses.[27][28] Der Sherman-Panzer wurde durch eine 8,8-cm-FlaK 18/36/37 zerstört, doch gelang es dem amerikanischen MG-Schützen, sich in Sicherheit zu bringen.[29]

Am frühen Nachmittag wurde schließlich ein Entsatzkontingent des 142. Infanterieregiments in Marsch gesetzt.[29] Der gefangene französische Sportfunktionär Jean Borotra meldete sich freiwillig, um sich durch die Linien der SS zu schlagen, und erreichte die US-Truppen, die er nun über die Lage im Schloss informieren konnte.[30]

Die Entsatztruppen erreichten gegen 16 Uhr das Schloss und besiegten die Belagerer, wobei etwa 100 SS-Leute gefangen genommen wurden.[31][32] Die befreiten französischen Gefangenen wurden am selben Abend nach Frankreich geschickt und erreichten Paris am 10. Mai 1945.[33][27]

Historische Bewertung

Lee wurde für seinen Einsatz mit dem Distinguished Service Cross ausgezeichnet.[34] Gangl wurde als Held des österreichischen Widerstands geehrt, und in Wörgl wurde eine Straße nach ihm benannt.[35]

Die Schlacht um Schloss Itter, geschlagen nur zwei Tage vor Kriegsende und fünf Tage nach Hitlers Tod, wird als die „seltsamste Schlacht des Zweiten Weltkrieges“ bezeichnet und gilt neben der Operation Cowboy als einziges Gefecht dieses Krieges, bei dem Amerikaner und Deutsche auf einer Seite kämpften.[36][37]

Siehe auch

Befreiung der SS-Geiseln in Südtirol

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. hdbg.de
  2. In Hitlers Hand: Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS. 2010, S. 33.
  3. Harding 2013, S. 11–22.
  4. Janusz Piekałkiewicz: Secret Agents, Spies, and Saboteurs: Famous Undercover Missions of World War II. William Morrow, 1974.
  5. Harding 2013, S. 45–46.
  6. Harding 2013, S. 25–30.
  7. Harding 2013, S. 43–44.
  8. Harding 2013, S. 53–55.
  9. Harding 2013, S. 27–28.
  10. Harding 2013, S. 59–62.
  11. Harding 2013, S. 57.
  12. Harding 2013, S. 36–37.
  13. Harding 2013, S. 72, 181.
  14. Harding 2013, S. 96.
  15. Harding 2013, S. 23–24.
  16. Harding 2013, S. 103–107.
  17. Harding 2013, S. 107.
  18. Harding 2013, S. 95–97.
  19. Harding 2013, S. 109–112.
  20. Harding 2013, S. 112–113.
  21. Harding 2013, S. 121–124.
  22. Harding 2013, S. 124–128.
  23. Harding 2013, S. 146–152.
  24. Harding 2013, S. 145.
  25. Harding 2013, S. 144.
  26. Mayer 1945.
  27. a b Volker Koop: In Hitlers Hand: die Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS. 2010.
  28. Harding 2013, S. 150.
  29. a b Donald Lateiner: The Last Battle: When U.S. and German Soldiers Joined Forces in the Waning Hours of World War II in Europe. In: Michigan War Studies Review. 21. März 2014, abgerufen am 26. September 2014.
  30. Leon-Jouhaux: Prison pour hommes d’Etat. 1973, S. 157.
  31. Harding 2013, S. 157–161.
  32. The Austrian castle where Nazis lost to German-US force. In: BBC News. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  33. Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 2: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3.
  34. Harding 2013, S. 165.
  35. Harding 2013, S. 169.
  36. Roberts 2013.
  37. Harding 2013, S. 2.
  38. imfernsehen GmbH & Co KG: Hitlers letzter Widerstand Staffel 1, Folge 4: Ungewöhnliche Verbündete. Abgerufen am 4. Januar 2021.
  39. Ian Herring: Enemy Allies. Parallax Film Productions, 2. Juli 2018, abgerufen am 4. Januar 2021.

Koordinaten: 47° 28′ 14,4″ N, 12° 8′ 25,4″ O