Schlesisch (deutscher Dialekt)

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Schlesisch,
schlesische Dialekte, schlesische Mundarten (bzw. schlesischer Dialekt, schlesische Mundart)

Gesprochen in

Schlesien in Deutschland, Tschechien und Polen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

gem (sonstige germanische Sprachen)

ISO 639-3

sli

Mundarten (des Schlesischen) in Schlesien
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    Ehemaliges mitteldeutsches Sprachgebiet: Nr. 23 = Schlesisch.
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Karte Mundartgebiete Oberlausitz (die schlesisch-lausitzer Mundart wird hier als Ostlausitzisch bezeichnet)
De Waber (Dialekt-Ausgabe)
Datei:Schlesische Mundart 1.png
Textbeispiel aus Katscher in phonetischer Umschrift mit Übersetzung
Datei:Kließelseeger.jpg
Kließelseeger heißt in Breslau die Uhr der Barbarakirche, die als erste schlägt. Wenn sie schlug, wurden die Klöße eingelegt.

Schlesisch (Eigenbezeichnung: Schläsisch oder Schläs’sch, zusammengestaucht auch Schlä’sch, Schläsch[1]; unüblich auch deutschschlesische Dialekte[2]) ist eine Dialektgruppe des Ostmitteldeutschen, die in Schlesien und angrenzenden Gebieten Nordböhmens und Nordmährens gesprochen wurde. Nach der Westverschiebung Polens und der Vertreibung der meisten deutschsprachigen Bewohner Schlesiens, Nordböhmens und Nordmährens wird er heute nur noch von einer Minderheit in Oberschlesien sowie vereinzelt in Niederschlesien, der Oberlausitz und der Diaspora gesprochen.

Allgemeines, Verbreitung und Charakteristik

Schlesische Mundarten wurden bis 1945 von rund sieben Millionen Menschen gesprochen. Die ehemalige preußische Provinz Schlesien bildete hierbei das Zentrum einer größeren Sprachlandschaft.[3]

Das Schlesische lässt sich in folgende Gruppen und Mundarten aufteilen:[3]

Die Dialekte in Schlesien werden unter anderem in Barbara Suchners Schlesischem Wörterbuch, Walther Mitzkas Schlesischem Wörterbuch und in Günter Bellmanns Schlesischem Sprachatlas dokumentiert.

Die neiderländischen Mundarten waren im Norden Niederschlesiens um Grünberg, Glogau und Fraustadt verbreitet. Gebirgsschlesische Mundarten wurden, mit Ausnahme des Lausitzer Gebirges und des Glatzer Landes, in den gesamten Sudeten sowie in deren nördlichem Vorland gesprochen – dazu zählt auch noch das auf der böhmischen Seite des Gebirges um Trautenau gesprochene Riesengebirgische sowie Gebiete in Nordmähren bzw. Mährisch-Schlesien. Die Kräutermundart ist der Übergang zwischen Gebirgsschlesischem und Neiderländischem und war im Breslauer Raum verbreitet, in Breslau selbst wurde ein ähnlicher Stadtdialekt gesprochen. Glätzisch war im Wesentlichen auf das Gebiet der alten Grafschaft Glatz beschränkt und vom gebirgsschlesischen Raum umschlossen, aber durch die markanten Gebirgszüge auch abgetrennt. Zwischen Breslau und Oppeln erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Mundart des Brieg-Grottkauer Landes. Östlich davon wurde, im Wesentlichen in städtischen Sprachinseln wie Gleiwitz, Beuthen O.S., Königshütte, Guttentag, Pless, Bielitz und Kattowitz mehrheitlich Oberschlesisch gesprochen.

Der niederschlesische Sprachraum lag nach dem Zweiten Weltkrieg komplett im Vertreibungsgebiet. In dem bei Deutschland verbliebenen Rest der preußischen Provinz Schlesien westlich der Lausitzer Neiße (Görlitz und Umgebung) wird zwar unverändert Deutsch gesprochen. Da dieses Gebiet (Teile der Oberlausitz) erst ab 1815 zur preußischen Provinz Schlesien gehörte und kein Teil des historischen Schlesiens war, wurden bzw. werden dort Lausitzer Dialekte gesprochen. Das Schlesische und das Lausitzische bildete, ähnlich dem Thüringisch-Obersächsischen, eine gemeinsame Dialektgruppe innerhalb des Ostmitteldeutschen. Im äußersten Süden der Lausitz um Zittau wird Oberlausitzisch gesprochen, das Ähnlichkeiten mit dem Gebirgsschlesischen aufweist. Die Mundarten in der Sprachinsel Schönhengstgau an der böhmisch-mährischen Grenze, die nur durch einen schmalen tschechischsprachigen Streifen vom zusammenhängenden deutschen Sprachgebiet getrennt waren, sind mit dem Gebirgsschlesischen ebenfalls verwandt, wurden aber vor allem durch das Bairische beeinflusst und gelten folglich bereits als oberdeutsche Dialekte. Ferner ging aus dem Schlesischen auch das Hochpreußische in Ostpreußen hervor.

In Oberschlesien sprachen vor 1945 etwa zwei Drittel der Bevölkerung das Oberschlesische, die Mundart des Brieg-Grottkauer Landes sowie das Gebirgsschlesische. Da die deutsche Sprache in der kommunistischen Zeit verboten war und die Benutzung in der Öffentlichkeit auch bestraft wurde, konnte der Dialekt oft nicht mündlich an weitere Generationen weitergegeben werden.[5] Da dort ein Teil der einheimischen Bevölkerung nicht vertrieben wurde, gebrauchen laut der polnischen Volkszählung von 2002 noch etwa 200.000 Personen das Schlesische.

In der Lexik des Schlesischen dominiert das mitteldeutsche Sprachsubstrat, wobei Ähnlichkeiten mit südwestdeutschen Dialektausdrücken auffallen (Gusche – Gosch). Eine weitere Quelle sind Entlehnungen aus dem Westslawischen bzw. Polnischen.

Deutsche Dramatiker, die den schlesischen Dialekt in ihren Stücken verwendeten, waren Andreas Gryphius und Gerhart Hauptmann.

Typische schlesische Wörter

Wort Bedeutung Anmerkungen
ahle Gake alte Gans als Schimpfwort
ahn Böhm, ahn Bemm Zehnpfennigstück auch: Biemageige (Groschengeige)
Brinkel(e) Krümel, Stück Brinkele machen Brot
Feierhorken, Klumpehäckel Feuerhaken
Gallert Sülze Speise; vgl. polnisch galaretka
Gusche, Gosche Mund mährisch „Kušna“ pejorativ Maul
Guschla Mündlein Verkleinerungsform
(he-)rumurbern herumsuchen, herumwühlen
Herzebrinkel Herzensblatt
Jeronje Fluchausspruch in etwa: „oh Gott, ach herrje“, heute noch im polnischen Dialekt der Region Śląsk verwendet
Jingla Junge
Jungaohs ungezogener Junge
kascheln auf dem Eis rutschen
Kascher Hosenschlitz
Kastrull Kasserolle tsch. „kastról“
katschen schmatzen
Kließla, Kleßln Klöße vgl. fränkisch (regional) Gließ und Mohkleßln „Süßspeise mit Mohn zu Weihnachten“
kokkeln mit Feuer spielen
Kokott Hahn vgl. sorb. kokot
Koochmannla Pfifferlinge
Kretscham (Dorf-)Gasthaus vgl. sorbisch korčma, tsch. „krčma“
Kretschmer Gastwirt
krewatschlich, kriwatschig unordentlich, schräg vgl. polnisch krzywy „schräg“, tsch. „křivý“
Kucha Kuchen
labern faseln inzwischen in die deutsche Umgangssprache eingegangen
Lorke schwacher Kaffee, Muckefuck
Lork, Lerke Miststück
Lotschen, Potschen Hausschuhe Lacie, heute noch im polnischen Dialekt der Region Śląsk verwendet
Luhsche Pfütze vgl. polnisch kałuża „Pfütze“ mährisch „luža“
Madla Mädchen Plural: Mädla
Merriebe Mohrrübe, Karotte
Muppa, Muppen Mund
Mutzl Kosewort
nerrsch verrückt, närrisch
Nudelkulle Nudelholz
Oberriebe(r) Oberrübe, Kohlrabi
ocke, uck auch, doch
Pfloom Zwetschgen, Pflaumen
Pieronstwo Ramsch, Zeugs, Krimskrams vgl. wasserpolnisch pjerůństwo
Plaue Kinderwagenverdeck, Verdeck
Plotsch Dummkopf
plotschig sich dumm anstellen
Prillkoasta Radio von Brüllkasten
Puusch Wald vgl. polnisch puszcza
Radbehr, Kastlaradbehr Schubkarre
Ritsche Fußbank
Schnakala Kosewort für Enkel
sechen wasserlassen
Sicherka Sicherheitsnadel
Sträselkucha Streuselkuchen
Teppla, Tippla Kochtopf
Tschelotka Verwandt-/Sippschaft abwertend
Tunke Soße
treuge trocken
(uf-)kloben (auf-)sammeln vgl. klauben

Geografische Begriffe und Ortsnamen

Datei:Heemtekoarte Schläsing.png
Karte von Schlesien.
Die Ortsnamen im schlesischen Dialekt.

Auch praktisch alle Flur- und Ortsbezeichnungen, die man auf offiziellen Karten findet, haben ein abweichendes Pendant in schlesischer Mundart. Hierbei kommen vor allem Lautverschiebungen zum Einsatz; verschiedene Begriffe weichen jedoch so stark ab, dass sie für einen Ortsfremden nahezu völlig unverständlich sind.

Schlesische Mundart Deutsche Hochsprache
Brassel/Gruß-Brassel Breslau
Beuthn on derr Auder Beuthen an der Oder
Bunzel Bunzlau
Gerltz Görlitz
Glootz/Glooz Glatz
Gruttke Grottkau
Herschbrig/Herschbrich Hirschberg im Riesengebirge
Lamrich Löwenberg in Schlesien
Laubn Lauban
Liegnz Liegnitz
Potschke/Poatschke Patschkau
Rattebor/Rottwer Ratibor
Schimrich Schömberg
Schweinz Schweidnitz
Strahla Strehlen
Walmbrig/Walmbrich Waldenburg
Zota Zobten am Berge

Mundartpflege und Dichtung

Pflege der Mundart

Verschiedene Heimatvereine, so vor allem Gesangs- und Theatervereine, widmen sich seit Jahrzehnten der Pflege der schlesischen Sprache und der überlieferten Volkskunst. Als Beispiele: Glatzer Gebirgsverein oder Arbeitskreis „Archiv für schlesische Mundart“.[6][7]

In letzter Zeit wurden auch wieder verstärkt Bücher in der Mundart verfasst, welche besonders Gedichte, Sprüche und Anekdoten aus der Region beinhalten. Als Beispiele: (Gotthard Wendrich – Noch a bissel schläsisch, Senfkorn Verlag, 2005 oder Jingla, Jingla, Kreiz Mei Backe! – 1. Auflage 2009, Verlag Jeschkowski).

Mundartliteratur

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde auf beiden Seiten der deutsch-böhmischen Grenze der Dialekt besonders gepflegt und Gedichte, Sprüche und selbst Dramen in diesem verfasst. Andreas Gryphius war der erste Schlesische-Mundart-Autor (Die geliebte Dornrose (1660), ein Bauernstück in schlesischer Mundart).

Bekannte schlesische Mundartautoren

Literatur

  • Günter Bellmann: Schlesischer Sprachatlas (= Deutscher Sprachatlas. Regionale Sprachatlanten. Nr. 4). Herausgegeben von Ludwig Erich Schmitt. 2 Bände (Band 1: Laut- und Formenatlas. Band 2: Wortatlas.). Elwert, Marburg 1965–1967.
  • Wolfgang Jungandreas: Zur Geschichte der schlesischen Mundart im Mittelalter. Untersuchungen zur Sprache und Siedlung in Ostmitteldeutschland (= Deutschkundliche Arbeiten: B. Schlesische Reihe. Band 3). Breslau 1937 (Habilitation Universität zu Breslau, 1933); Neudruck, besorgt von Wolfgang Kleiber, Mainz 1987.
  • Gundolf Keil, Josef Joachim Menzel (Hrsg.): Anfänge und Entwicklung der deutschen Sprache im mittelalterlichen Schlesien. Verhandlungen des VIII. Symposions vom 2. bis 4. November in Würzburg 1989 (= Schlesische Forschungen. Veröffentlichungen des Gerhard-Möbus-Instituts für Schlesienforschung an der Universität Würzburg. Band 6). Sigmaringen 1995.
  • Walther Mitzka: Schlesisches Wörterbuch. 3 Bände. De Gruyter, Berlin 1963–1965.
  • Will-Erich Peuckert: Schlesisch (= Was nicht im Wörterbuch steht. Band 7). Piper, München 1937.
  • Barbara Suchner: Schlesisches Wörterbuch. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 1996, ISBN 3-88042-766-6.
  • Klaus Ullmann: Schlesien-Lexikon (= Deutsche Landschaften im Lexikon. Band 2). 3. Auflage 1982. Adam Kraft, Mannheim, ISBN 3-8083-1161-4.
  • Karl Weinhold: Ueber deutsche Dialectforschung. Die Laut- und Wortbildung und die Formen der schlesischen Mundart. Mit Rücksicht auf verwantes in deutschen Dialecten. Ein Versuch. Verlag von Carl Gerold und Sohn, Wien 1853 (Digitalisat).
  • Karl Weinhold: Beiträge zu einem schlesischen Wörterbuche. Anhang zum XIV. Bande der Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kais. Akademie der Wissenschaften. Wien 1855.
  • Peter Wiesinger: Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten. Band 1 und 2 (= Studia Linguistica Germanica. Band 2). Walter de Gruyter, Berlin 1970.

Weblinks

Commons: schlesische Sprache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Is Schläsisch ihs mer oageboarn. Gedichte und Geschichten in schlesischer Mundart von Hans Rößler. 1958
  2. Norbert Morciniec: Studia philologica: Ausgewählte Schriften zur Germanistik und Niederlandistik, Oficyna Wydawnicza ATUT, Wrocławskie Wydawnictwo Oświatowe, 2002, S. 181.
  3. a b Klaus Ullmann: Schlesien-Lexikon, 2. Band der Reihe Deutsche Landschaften im Lexikon, 3. Auflage 1982, Adam Kraft Verlag GmbH & Co. KG Mannheim, S. 260–262.
  4. Wilhelm Menzel: Wie der Schlesier spricht (breslauische Mundart) (Memento vom 30. März 2016 im Internet Archive), gesehen am 20. Januar 2019
  5. Franz-Josef Sehr: Professor aus Polen seit Jahrzehnten jährlich in Beselich. In: Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 2020. Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg-Weilburg 2019, ISBN 3-927006-57-2, S. 223–228.
  6. @1@2Vorlage:Toter Link/schlesische-mundart.com(Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Website des AK Archiv für schlesische Mundart)
  7. Izabela Taraszczuk: Der Arbeitskreis „Archiv für schlesische Mundart“ feierte sein 20-jähriges Jubiläum. [In:] „Schlesische Bergwacht“, hrsg. von Christiane Giuliani. Nr. 6 vom 5. Juni 2002, S. 245 (Bericht über die Frühjahrstagung vom 12. bis 14. April 2002 in Wangen).
  8. Viktor Heeger in der Ostdeutschen Biographie, gesehen am 20. Januar 2019