Scrutiny-Verfahren
Das Scrutiny-Verfahren (auch: Konsultationsverfahren, englisch scrutiny – deutsch genaue Prüfung) wurde durch die Europäische Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, MDR) eingeführt. Es sieht vor, dass Benannte Stellen im Rahmen der Konformitätsbewertung ein Expertengremium einbeziehen.
Konformitätsbewertung
Im Rahmen der Konformitätsbewertung stellen Hersteller von Medizinprodukten selbst die Konformität ihrer Produkte mit den grundlegenden Anforderungen der europäischen Richtlinien fest. Dazu müssen sie ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Medizinprodukte müssen dabei den gesetzlichen Anforderungen genügen. Die wichtigsten dieser gesetzlichen Anforderungen sind die medizinisch-technische Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten, so wie sie vom Hersteller in der Produktkennzeichnung einschließlich der Werbung als medizinische Indikation ausgelobt ist, ein akzeptables Nutzen-Risiko-Verhältnis, Sicherheit von unvertretbaren Risiken, Gebrauchstauglichkeit und das Einhalten von Software-Lebenszyklusprozessen. Das entsprechende Nachweisverfahren nennt sich klinische Bewertung. Erst der (je nach der Produktklasse) extern durch Benannte Stellen zertifizierte Nachweis der Produktsicherheit und der Leistungsfähigkeit berechtigt Hersteller von Medizinprodukten zur Anbringung der CE-Kennzeichnung.[1]
Hintergrund
Die Medizinprodukterichtlinien sahen die Fachgutachter bei den benannten Stellen noch als die einzigen zwingend einzubeziehenden Experten. Darauf möchte sich die Europäische Kommission nicht mehr ausschließlich verlassen. Offensichtlich hat sie kein ausreichendes Vertrauen, dass die benannten Stellen für besonders kritische und innovative Produkte über diese Experten verfügen. Um zu beurteilen, ob dieser Nachweis dem Hersteller tatsächlich gelingt, bedarf es Experten. Das Scrutiny-Verfahren sieht vor, genau solche Experten für bestimmte Produkte zu konsultieren, die die klinische Bewertung kontrollieren. Auf das Konsultationsverfahren kann gegebenenfalls verzichtet werden, wenn die Produkte bereits in ähnlicher Form in den Verkehr gebracht wurden und Änderungen das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht beeinträchtigen. Letzteres muss der Hersteller nachweisen.
Betroffene Produkte
Medizinprodukte werden in die vier Klassen I, IIa, IIb und III unterteilt. Das Konsultationsverfahren betrifft gemäß Artikel 54[2] der MDR nur folgende Produkte:[3]
- Implantierbare Produkte der Klasse III. Hierunter fallen beispielsweise
- aktive Produkte der Klasse IIb, die dazu bestimmt sind, ein Arzneimittel an den Körper abzugeben und/oder aus dem Körper zu entfernen, wie
Verfahren
Der Hersteller eines Medizinprodukts reicht seine Unterlagen bei der Benannten Stelle ein. Diese prüft die Unterlagen und gibt einen Bericht über die Begutachtung der klinischen Bewertung (clinical evaluation assessment report, CEAR) ab. Dieser Bericht wird bei der Kommission eingereicht, die ihn an ein Expertengremium (englisch Expert Panel) weiterleitet. Das Expertengremium entscheidet, ob es ein wissenschaftliches Gutachten (scientific assessment report, CAR) erstellt. Falls sie es nicht erstellt, darf die Benannte Stelle die Konformitätsbewertung fortsetzen, andernfalls erstellt das Expertengremium das Gutachten innerhalb einer Frist von 60 Tagen.[4]
Literatur
- Herbert Horne: I know MDR - Medical Device Regulation: Deutsche Fassung. BoD – Books on Demand, 21. November 2018, ISBN 978-3-7528-5448-0, S. 13–14.
Einzelnachweise
- ↑ Im Überblick: Inverkehrbringen von Medizinprodukten, BfArM. Abgerufen am 14. März 2019.
- ↑ Text der MDR, Quadrat. Abgerufen am 15. März 2019.
- ↑ Medizinprodukte – Klassifizierung, BVMed. Abgerufen am 14. März 2019.
- ↑ EU-Medizinprodukte-Verordnung: „Ein guter Kompromiss für mehr Patientensicherheit“, Device Med, 13. Juni 2016. abgerufen am 14. März 2019.