Secondhandkleidung
Als Secondhandkleidung oder Second-Hand-Kleidung bezeichnet man gebrauchte Kleidung, die kommerziell oder privat zum Kauf angeboten wird. Auch die Begriffe Secondhand-Mode, Secondhand-Fashion oder Vintage-Mode sind im Zusammenhang mit Kleidung aus zweiter Hand geläufig.
Während das Marktsegment früher eher unbedeutend war und von Secondhandläden und Flohmärkten dominiert wurde, gewinnt es mit zunehmendem Umweltbewusstsein immer mehr an Bedeutung.
Einige Anbieter sammeln Kleiderspenden, um diese für gute Zwecke zum Kauf anzubieten. Innerhalb von Familien wird schon lange Kleidung weitergegeben, insbesondere Kinderkleidung oder aufwändig gefertigte Trachten werden weitergegeben. Nach der Jahrtausendwende trugen Re-commerce-Geschäftsmodelle wie eBay zur Popularität und zum Handel mit gebrauchter Kleidung bei und ermöglichten es auch Privatmenschen, ihre gebrauchte Kleidung weiter zu verkaufen. Mittlerweile sind zahlreiche Anbieter nicht nur offline, sondern auch online vertreten, wo sie neben Secondhandkleidung unterschiedlicher Marken auch Designerstücke, Schuhe und Accessoires (wie Handtaschen) anbieten.
Durch ein gesteigertes Bewusstsein für eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen und den geringeren Kaufpreis, im Vergleich zu Neuware, liegt gebrauchte Kleidung zunehmend im Trend. In Deutschland könnte Secondhandkleidung Prognosen zufolge bereits 2030 einen Marktanteil von bis zu 20 Prozent ausmachen.[1]
Geschichte
Bevor Kleidung industriell und in großem Maßstab produziert wurde und zu Preisen erhältlich war, die sich nahezu jeder leisten konnte, war es üblich, gebrauchte Kleidung weiterzugeben, umzuändern oder zu verkaufen, bis diese schließlich aufgetragen, verschlissen, zerstopft oder fadenscheinig war.
Durch die Notwendigkeit, sparsam mit vorhandenen Materialien zu wirtschaften, wurden im ländlichen Raum insbesondere in Handarbeit hergestellte Trachten innerhalb der Familie vererbt. Dies konnte die historische Kleidungsforschung unter anderem mit Hilfe von Inventarlisten, die bei der Verheiratung angefertigt wurden, belegen.[2]
In Deutschland sowie in vielen anderen Ländern war es in der Nachkriegszeit, aufgrund der allgemeinen Materialknappheit, üblich, Kleidung wiederzuverwerten und diese gegebenenfalls auch abzuändern, um ihre weitere Nutzung zu ermöglichen.[3] Um die Wiederverwertung von Rohstoffen zu ermöglichen, wurden zudem Strickwaren aufgetrennt, um die Wolle anschließend zu neuen Kleidungsstücken zu verarbeiten.[4]
Insbesondere in kinderreichen Familien wird das Weitergeben von Kleidung und das Auftragen durch jüngere Geschwister nach wie vor praktiziert – nicht zuletzt aus Kostengründen. Dabei wurde das Angebot an Secondhandkleidung zunächst im Bereich der Kinderbekleidung stark ausgeweitet. Auch unter dem Gesichtspunkt einer geringeren Schadstoffbelastung macht insbesondere gebrauchte Babybekleidung Sinn. Qualitativ hochwertige Markenbekleidung hält dagegen oft länger, als sie einem einzelnen Kind von der Größe her passt, so dass entsprechende Flohmärkte sowie Kauf- und Leihangebote nach wie vor von zahlreichen Familien genutzt werden.[5]
Allgemeines und Hintergrundinformationen
Zwischen 2000 bis 2015 hat sich die Anzahl der Kleidungskäufe weltweit verdoppelt, von etwa 50 Milliarden Kleidungsstücken auf mehr als 100 Milliarden Einzelstücke.[6]
Da unterhalb einer gewissen Preisgrenze die Qualität nachlässt – insbesondere im Bereich Fast Fashion – werden viele Kleidungsstücke darüber hinaus früher aussortiert und die Tragedauer ist nur noch halb so lang wie noch vor 15 Jahren.[7]
Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird in Deutschland, pro Person und Monat, ein durchschnittlicher Betrag von 78 Euro für Bekleidung und Schuhe ausgegeben. Dennoch wird jedes fünfte Kleidungsstück nahezu nie getragen, wie eine Umfrage im Auftrag von Greenpeace gezeigt hat. Pro Jahr kauf jede Person in Deutschland hochgerechnet etwa 18 Kilogramm Kleidung, mehr als doppelt so viel wie im internationalen Durchschnitt, der beim Konsum von Bekleidung bei acht Kilogramm pro Person und Jahr liegt.[6][8]
Die Herstellung von konventioneller Kleidung geht mit einem hohen Einsatz von Ressourcen einher und hat ökologische Auswirkungen auf Mensch und Natur in zahlreichen Produktionsländern. Der Bedarf an virtuellem Wasser und Energie sowie der Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln und Chemikalien in der gesamten Produktionskette belasten die Umwelt. Zu den sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen zählt, dass in manchen Produktionsländern Arbeits- und Gesundheitsschutz weniger ernst genommen werden und bei geringen Löhnen oft viele Überstunden geleistet werden müssen. Auch Kinderarbeit und das Verbot, sich gewerkschaftlich zu organisieren, sind vielerorts noch immer normal. In Asien, wo ein Großteil der Textilien für den Rest der Welt produziert wird, müssen geschätzt sieben Prozent aller Kinder (was über 62 Millionen entspricht) arbeiten. Dabei sind zunehmend weniger Kinder in den Nähfabriken anzutreffen, während der größere Anteil mit dem Anbau und Ernte von Baumwolle sowie in Spinnereien beschäftigt ist.[8][6]
Allein in Deutschland werden jährlich 1,1 Millionen Tonnen Kleidung aussortiert, wobei Ausrangiertes noch immer vorwiegend im Altkleidercontainer entsorgt wird.[9]
Der Anteil der getragenen Bekleidung, der gebraucht weiterverkauft wurde oder an Bedürftige abgegeben, lag dagegen bei nur zehn Prozent. Insgesamt werden rund 55 Prozent der Alttextilien noch immer vernichtet; entweder kommen sie, dem Müll beigemischt, in die Müllverbrennung oder gelangen als Ersatzbrennstoff nach Osteuropa, wie Greenpeace berichtete.[7]
Ein umfangreiches Angebot an qualitativ hochwertiger Secondhandkleidung kann perspektivisch dazu beitragen, dass mehr Augenmerk auf Verarbeitungsqualität und Markenware gelegt wird. Zudem verändert sich der Umgang mit der eigenen Kleidung durch das Bewusstsein, sie nach der Nutzung noch verkaufen zu können.[10]
Der Markt
In der von der KPMG gemeinsam mit dem EHI Retail Institute veröffentlichten Studie Fashion 2030: Sehen, was morgen Mode ist, zum Thema Zukunft der Modebranche in Deutschland, gaben 34 Prozent der Kunden in Deutschland an, bereits gebrauchte Mode zu kaufen, während 28 weitere Prozent es sich vorstellen können. Durch den Aspekt der Nachhaltigkeit liegt Second-Hand im Trend und könnte nach Schätzungen der Experten bis 2030 einen Marktanteil von 20 Prozent ausmachen. Da außerdem die Bedeutung des Onlinehandels weiter zunehmen wird und eine Flächenreduktion bei den stationären Händlern erwartet wird, wird insbesondere das Onlineangebot an gebrauchter Kleidung zunehmen.[1]
Secondhandkleidung kaufen
Secondhandkleidung wird in der Regel günstiger als vergleichbare Neuwaren angeboten, wobei der Markt insbesondere im Luxussegment sowie bei fair oder ökologisch produzierter Mode stark wächst.[1] Hierzu zählen auch Kleidungsstücke, die mit dem Grünen Knopf oder sonstigen Gütesiegeln gemäß Global Organic Textile Standard und der Fair Wear Foundation gekennzeichnet sind.
Im stationären Handel wird gebrauchte Kleidung teilweise nach wie vor von karitativen Unternehmen wie Oxfam oder Humana angeboten, die regelmäßig über die Verwendung der erwirtschafteten Gelder Bericht ablegen.[11][12]
Für eine leichtere Orientierung wird die Kleidung dabei in der Regel vorsortiert nach Art des Kleidungsstücks, Farbe und Größe angeboten.[12]
Zu den kommerziellen Anbietern, die bereits seit den 1980er Jahren im stationären Handel mit Secondhandmode tätig waren, zählt unter anderem die Texaidtochter ReSales, die nach eigenen Angaben über 50 Ladengeschäfte in Deutschland betreibt. Seit 2020 wird das Konzept ebenfalls durch einen Onlinehandel ergänzt, der auch Nichtmarkenware im Sortiment hat.[13] Zu den ersten Onlinehändlern, die Secondhandkleidung im deutschsprachigen Raum online anboten, gehörte Ubup, später umbenannt in Momox Fashion. Der Shop ist nach eigenen Angaben noch immer der größte Onlineanbieter für Secondhandkleidung und kauft gebrauchte Kleidung von Privatpersonen an, um die Einzelstücke anschließend online anzubieten.[14]
Zahlreiche Modemarken haben bereits damit begonnen, ein eigenes Secondhandangebot aufzubauen. Die Branchenzeitung Textilwirtschaft berichtete, dass unter anderem Adidas, About You, Dr. Martens, Farfetch, Hugo Boss, H&M, Levi’s, The North Face und Zalando bereits ein Sortiment an eigener Secondhandkleidung anbieten und nun auch Tommy Hilfiger die Ausweitung des Geschäftsmodells auf Secondhandkleidung angekündigt hat.[15][9]
Secondhandkleidung spenden
Es besteht an vielen Orten die Möglichkeit, Altkleidung direkt an eine Kleiderkammer oder einen gemeinnützigen Anbieter zu spenden. Wer unversehrte, gebrauchte Kleidung nicht mehr benötigt und sie nicht verkaufen möchte, kann sie vielerorts verpackt in einen Altkleidercontainer werfen. Das Sammeln von Gebrauchtkleidung ist in Deutschland nicht genehmigungspflichtig und wird sowohl von Non-Profit-Organisationen als auch von kommerziellen Unternehmen durchgeführt. Gemeinnützige und karitative Unternehmen, die Altkleidersammlungen durchführen, sind verpflichtet, Angaben zur weiteren Verwendung der Kleidung auf ihren Sammelbehältern zu machen. Zur Orientierung empfiehlt das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen das Siegel des Vereins FairWertung e.V., dass an Anbieter von Sammelcontainern vergeben wird.[16][17]
Secondhandkleidung verkaufen
Private Anbieter haben mittlerweile eine Reihe von potenziellen Abnehmern für gut erhaltene Secondhandkleidung. Im Jahr 2021 hat die Stiftung Warentest elf große Portale verglichen, darunter eBay, eBay Kleinanzeigen, Momox Fashion, Vinted (früher Kleiderkreisel), Zalando, Mädchenflohmarkt und die auf Designerware spezialisierten Portale Rebelle, Buddy & Selly und Vestiaire Collective.
Die einzelnen Geschäftsmodelle unterscheiden sich in erster Linie in folgenden Punkten:[9]
- Ware einschicken oder selbst versenden
- Verkauf im Paket, zum Kilopreis oder je Einzelstück
- Ware selbst beschreiben oder Beschreibung erfolgt durch Verkäufer
- Verkaufsgebühren auf Einstellportalen pro Stück, prozentual oder kombiniert
- Bezahlung per Banküberweisung oder als Gutschein
- Käuferschutz und Datenschutz
Frauen im Alter zwischen 16 und 34 Jahren zeigen beim Verkauf gebrauchter Kleidung die höchste Aktivität und erlösen im Schnitt 300 Euro, für ein Dutzend Teile im Jahr.[9]
Mietangebote
Im Bereich Kinderkleidung gab es in Deutschland mehrere Anbieter, die ähnlich wie ein Windeldienst mit einem Mietmodell arbeiteten. Die Kunden wählten aus, welche Kleidungsstücke sie nutzen wollten, und schickten diese nach Abschluss der Nutzung zurück. Der größte Anbieter war der von Tchibo gegründete Dienst Tchibo Share. Nachdem während der COVID-19-Pandemie diverse Anbieter, darunter auch Kilenda, ihr Angebot eingestellt haben, hat sich das Angebot in diesem Marksement deutlich verringert.[18]
Kritik
Während insbesondere Anbieter von Secondhandkleidung und Unternehmen, die Kleiderspenden annehmen, sich stets auf die ökologischen und sozialen Vorteile berufen, gibt es auch einige Kritikpunkte, die das Geschäft mit gebrauchter Kleidung betreffen. Die günstigen Preise, die im Internet oft mit kostenlosem Rückversand gekoppelt sind, verführen viele Menschen dazu, deutlich mehr zu kaufen, als sie eigentlich benötigen. Anstatt wie ursprünglich beabsichtigt alte Kleidungsstücke durch neue zu ersetzen, werden so zusätzliche Teile angeschafft, was indirekt weiterhin die Produktion von Bekleidung anheizt.[10]
Ein weiteres Problem besteht in dem oft kostenfrei angebotenen Versand der Secondhandkleidung, der dazu verleitet, sich eine Auswahl zu bestellen und den Rest kostenfrei zurückzuschicken, was allerdings zu Lasten der Umwelt geht.[9]
Dennoch gehen Branchenkenner davon aus, dass der dauerhafte Trend zu Secondhandkleidung, im Vergleich zum reinen Konsum von Neuwaren, auf Sicht die deutlich nachhaltigere Alternative sein wird. Hierzu muss allerdings die Kundschaft aufhören in Maßstäben zu denken, die auch der Fast Fashion entsprechen, die sie zu mehr Käufen verführen möchte, als sie eigentlich beabsichtigten.[10][1]
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Studie – Fashion 2030: Trend-Guide für die Zukunft der Modebranche in Deutschland KPMG, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ Lioba Keller-Drescher: Die Ordnung der Kleider. Ländliche Mode in Württemberg. 1750-1850 Eberhard Karls Universität Tübingen, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ Bekleidung als Spiegel der Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Braun-gemustertes Kleid Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ Ursula Meyer-Semlies: In den Memelwiesen. Gollenberg Verlag, Seesen 1983, ISBN 3-922370-05-5, S. 97 ff.
- ↑ Simone Blaß: Vererben oder in den Müll? Beim Klamottenvererben auf Gerechtigkeit achten t-online, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ a b c Billigmode. Darum ist uns Kinderarbeit beim Kleiderkauf egal. Quarks, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ a b Rohstoffe im Blick: Was tun mit ausrangierter Kleidung? VerbraucherService Bayern, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ a b Bio, Secondhand, Nutzungsdauer: Was bei nachhaltigem Umgang mit Kleidung wichtig ist Umweltbundesamt, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ a b c d e Gebrauchte Kleidung verkaufen. Portale für Second-Hand-Klamotten im Check Stiftung Warentest, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ a b c Mode. Secondhand ist nicht unbedingt nachhaltiger Deutschlandfunk Nova, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ Secondhand-Kleidung: ausgefallen, nachhaltig und günstig Oxfam, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ a b Humana. Second Hand and Vintage. Konzept Humana, aufgerufen am 7. September 2022
- ↑ ReSales. Konzept ReSales, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ Momox Fashion (Ubup) Utopia.de, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ Tommy Hilfiger steigt in den Recommerce ein Textilwirtschaft, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ Second Hand: Gebrauchtes für alle Deutsche Umweltstiftung, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ DZI Spenden-Tipps. Gebrauchtkleidung Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen, aufgerufen am 6. September 2022
- ↑ Kinderkleidung mieten: Leider kein Geschäftsmodell mit Zukunft Utopia.de, aufgerufen am 7. September 2022