Seeschlacht bei Punta Stilo

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Seeschlacht bei Punta Stilo
Datum 9. Juli 1940
Ort Bei Kalabrien, Italien
Ausgang Unentschieden
Konfliktparteien

Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Australien Australien

Italien 1861 Königreich Italien

Befehlshaber

Vereinigtes Konigreich Andrew Cunningham

Italien Inigo Campioni

Truppenstärke
1 Flugzeugträger
3 Schlachtschiffe
5 Leichte Kreuzer
16 Zerstörer
2 Schlachtschiffe
10 Kreuzer
32 Zerstörer
5 Torpedoboote
Verluste

1 Leichter Kreuzer beschädigt
2 Zerstörer beschädigt

1 Schlachtschiff beschädigt
1 Schwerer Kreuzer beschädigt
1 Zerstörer beschädigt

Die Seeschlacht bei Punta Stilo wurde am 9. Juli 1940 südlich von Kalabrien zwischen den Alliierten (Royal Navy und Royal Australian Navy) und der italienischen Marine (Regia Marina) ausgetragen. Punta Stilo ist ein Bezugspunkt an der kalabrischen Südküste.

Hintergrund

Es handelte sich um die erste Seeschlacht des Zweiten Weltkriegs im Mittelmeer und das erste große Aufeinandertreffen britischer und italienischer Flottenverbände in der Geschichte.

Die Seeschlacht entwickelte sich erst, nachdem beide Seiten ihre jeweiligen Aufträge beendet hatten: Der italienische Flottenverband war auf dem Rückweg von einem Begleitschutzeinsatz für einen Konvoi nach Nordafrika, der alliierte Begleitschutzeinsatz war verschoben worden. Als die Flottenverbände aufeinandertrafen, ließen sich beide Seiten auf einen Kampf ein. Punta Stilo stellte eines der seltenen direkten Aufeinandertreffen von Schlachtschiffen während des Zweiten Weltkriegs dar. Insgesamt waren unter anderem fünf Schlachtschiffe und ein Flugzeugträger beteiligt:

Auf alliierter Seite unter Admiral Andrew Cunningham:

(insgesamt 3 Schlachtschiffe, 1 Flugzeugträger, 5 Kreuzer, 16 Zerstörer; insgesamt 24 381-mm-Geschütze)

Auf italienischer Seite unter Admiral Inigo Campioni:

(insgesamt 2 Schlachtschiffe, 13 Kreuzer, 32 Zerstörer, 5 Torpedoboote; insgesamt 20 320-mm-Geschütze. Wegen technischer Probleme kehrten drei Zerstörer – Dardo, Da Noli und Strale – und zwei Leichte Kreuzer – Diaz und Cadorna – noch vor dem Beginn der Schlacht nach Tarent zurück)

Verlauf der Schlacht

Der italienische Admiralstab befahl den von Bengasi zurückkehrenden Flottenverbänden, sich am 9. Juli um 14 Uhr bei den Koordinaten 37° 40′ N, 17° 20′ O zu vereinigen, also etwa 65 Seemeilen südöstlich von Punta Stilo, um sich dort in strategisch günstiger Position den alliierten Flotteneinheiten zu stellen. Beide Flottenverbände kreuzten am Vormittag in Richtung NNW, gegen 12 Uhr etwa 90 Seemeilen voneinander entfernt. Um 11:45 Uhr und um 15:45 Uhr ließ Cunningham vom Flugzeugträger HMS Eagle Flugzeuge vom Typ Swordfish aufsteigen, deren Angriffe auf die italienische Flotte jedoch erfolglos blieben.

Der britische Kreuzer HMS Neptune sichtete die italienischen Flotteneinheiten um 15:10 Uhr, die ihrerseits bereits seit 15:05 Uhr auf die Briten zuhielten. Vier italienische Schwere Kreuzer eröffneten um 15:15 Uhr aus 21.500 m Entfernung das Feuer auf den Verband von Admiral John Tovey, der kurz darauf ebenfalls das Feuer eröffnen ließ. Die italienischen Kreuzer Da Barbiano und Da Giussano wurden besonders vom britischen Kreuzer HMS Orion und vom australischen Kreuzer HMAS Sydney beschossen, die sich jedoch ab 15:23 Uhr wegen des italienischen Drucks zurückzogen. HMS Neptune erhielt einen Treffer vom Kreuzer Giuseppe Garibaldi, die Schäden beschränkten sich jedoch auf das Katapult und das Bordflugzeug. Um 15:30 Uhr endete dieses erste Gefecht.

Die Schlachtschiffe traten in Aktion, als die Italiener mit ihren Leichten Kreuzern Da Barbiano und Di Giussano einen Versuch unternahmen, den Flugzeugträger HMS Eagle und den beschädigten Kreuzer HMS Gloucester anzugreifen, die zusammen mit einigen Zerstörern im Rückraum gehalten worden waren. Dabei hatten die Briten nicht unerhebliche Probleme wegen der unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten ihrer Schlachtschiffe.

Das italienische Schlachtschiff Giulio Cesare eröffnete um 15:52 Uhr aus einer Entfernung von 26.400 m das Feuer auf das Schlachtschiff HMS Warspite, die Conte di Cavour dann auf Malaya und Royal Sovereign. Seit der Skagerrakschlacht galt in der italienischen Marine die Regel, nach der jedes Schlachtschiff jeweils nur ein einziges Ziel bekämpfen sollte, während eine Feuerzusammenfassung auf die Warspite vielleicht erfolgreicher gewesen wäre, gerade wegen der ungenauen italienischen Feuerleit- und Zieleinrichtungen, aber eben auch, weil die drei britischen Schlachtschiffe nie richtig zusammen operieren konnten (neuere Forschungen in britischen Archiven – Cernuschi, Rivista Marittima 2/1998 – haben ans Licht gebracht, dass die Warspite von einer 320-mm-Granate der Giulio Cesare getroffen wurde, was die britische Seite bis heute nie zugeben wollte).

Um 15:53 Uhr überflog eine dieser ungenauen italienischen Salven die Warspite und beschädigte die Zerstörer Hereward und Decoy. Ab 15:54 Uhr feuerte auch das Schlachtschiff Malaya auf die Giulio Cesare, doch die Entfernung war zu groß, woraufhin sie um 15:58 Uhr das Feuer wieder einstellte. Ab 15:55 Uhr griffen die italienischen Kreuzer in das Geschehen ein. Der Schwere Kreuzer Trento feuerte drei 203-mm-Salven auf die HMS Warspite, das Schwesterschiff Bolzano kämpfte mit den Kreuzern Toveys. Um 15:59 Uhr verfehlten zwei Granaten der Giulio Cesare die Warspite nur um Haaresbreite („closely bunched salvo“). Unmittelbar danach erhielt die Giulio Cesare einen 381-mm-Treffer von der Warspite, der beträchtlichen Schaden anrichtete: Feuer brachen aus, ein 37-mm-Munitionsdepot explodierte, es gab etliche Tote und Verwundete, für kurze Zeit fiel der Strom aus, und die Geschwindigkeit sank bis auf 18 Knoten. Die Besatzung konnte die volle Einsatzbereitschaft in kurzer Zeit wiederherstellen, doch um 16:04 Uhr brachen beide Schlachtflotten fast gleichzeitig den Kampf ab und änderten den jeweiligen Kurs; die Briten, weil sich die Italiener recht gut auf die Warspite eingeschossen hatten (Zitat Cunningham: „enemy gunnery good“), welche die Mediterranean Fleet auf keinen Fall verlieren wollte. Nur Malaya feuerte noch kurze Zeit weiter. Kreuzer und Zerstörer setzten den Kampf noch bis 16:50 Uhr fort. Zunächst feuerten die Schweren Kreuzer Fiume und Gorizia auf den britischen Kreuzer Liverpool, der dann zusammen mit anderen Kreuzern abrupt den Kurs änderte, was zu beträchtlicher Verwirrung bei den Briten und über einige Minuten hinweg zu recht ungenauem alliiertem Feuer führte. Um 16:07 Uhr wurde der italienische Zerstörer Alfieri leicht beschädigt, kurz darauf erhielt der Kreuzer Bolzano drei Treffer, was zu einem kurzfristigen Ausfall der Steueranlage führte. Die italienischen Zerstörergeschwader griffen die britischen Verbände zwischen 16:06 Uhr und 16:45 Uhr sechsmal an, jedoch ohne Erfolg.

Folgen

Die Seeschlacht von Punta Stilo endete unentschieden. Trotz kontrastierender Propaganda beider Seiten hatte sie keinerlei strategische Konsequenzen für die beiden Kriegsparteien. Der britische Versuch, der italienischen Flotte unmittelbar nach dem Kriegsausbruch eine verheerende Niederlage beizubringen, war gescheitert. Er hätte für die Briten schlimm enden können, wären die beiden in Tarent verbliebenen Schlachtschiffe der Littorio-Klasse mit ihren zusammen 18 381-mm-Geschützen ausgelaufen.

Auf taktischer Ebene bestätigte die Schlacht bewährte Taktiken und Lektionen, doch führte sie auch zu etlichen neuen Ansätzen. Die Seeschlacht von Punta Stilo war der Anfang vom Ende althergebrachter „Dinosaurierschlachten“ zwischen Schlachtschiffen. Admiral Cunningham ließ die „Rules of Engagement“ (dt.: Regeln für den Kampfeinsatz) der „Mediterranean Fleet“ (dt.: Mittelmeerflotte) umfassend überarbeiten und forderte Flugabwehrkreuzer und gepanzerte Flugzeugträger.

Auf italienischer Seite waren die zu lernenden Lektionen sehr viel schwerer. Die Seeschlacht von Punta Stilo fand in nächster Nähe der Stützpunkte der italienischen Luftwaffe statt, doch von einer wirklich synergischen Zusammenarbeit der beiden rivalisierenden Teilstreitkräfte war man noch weit entfernt. Bis Punta Stilo kooperierten diese beiden Teilstreitkräfte über eine Art von „Amtshilfeanträgen“, die über ministerielle Kanäle ausgetauscht wurden. Italienische Flugzeuge trafen am 9. Juli 1940 viel zu spät über dem Schauplatz der Seeschlacht ein und bombardierten dann versehentlich die eigene Flotte. Der italienische Außenminister Ciano schrieb über die Schlacht in sein Tagebuch, nicht die britische Flotte sei das wirkliche Problem gewesen, sondern der Gegensatz zwischen der italienischen Marine und der italienischen Luftwaffe. Die Kooperation konnte später verbessert werden, auch die Einführung von hervorragenden Luft-See-Torpedos brachte Fortschritte, doch die Briten hatten dann durch ihr Radar und vor allem dank den Entzifferungsspezialisten in Bletchley Park einen kriegsentscheidenden Vorsprung.

Weblinks