Sigrun von Hasseln-Grindel

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von Hasseln-Grindel, 2008 (Dienstzimmer)

Sigrun von Hasseln-Grindel (* 2. Dezember 1952 als Sigrun von Goddenthow in Hamburg) ist eine deutsche Juristin, Begründerin der Rechtspädagogik und der Jugendrechtshausbewegung. Bis Juni 2018 war sie Richterin in Cottbus.[1]

Leben

Ihre Kindheit und Jugend waren vom Wiederaufbau der Existenz ihrer Eltern (Pommern/Schlesien) im westlichen Nachkriegsdeutschland und den damit verbundenen Umzügen geprägt. Stationen nach Hamburg waren Mannheim, Andernach, Neuwied und Tübingen, wo sie 1972 das Abitur bestand.

Von 1972 bis 1977 studierte von Hasseln Rechtswissenschaften in Tübingen sowie studienbegleitend Germanistik und Philosophie. Ihr Referendariat absolvierte sie zunächst in Ellwangen/Jagst und nach ihrer ersten Eheschließung 1979 in Hamburg. Dort legte sie im Juli 1980 das zweite Staatsexamen ab und trat 1980 eine Stelle als Richterin beim Landgericht Hamburg an.

1981 zog von Hasseln nach Oldenburg und wechselte zugleich in die Justiz des Landes Niedersachsen, wo sie bis 1998 als Richterin und teilweise als (Jugend-)Staatsanwältin wirkte; Stationen waren die Amtsgerichte Nordenham und Brake, die Staatsanwaltschaften Aurich und Oldenburg und seit 1992 das Landgericht Oldenburg.

Während der Zeit in Oldenburg wurden ihre drei Söhne geboren.

1998 wurde von Hasseln-Grindel zur Unterstützung des Einigungsprozesses im deutschen Recht und in der Jugend-Kriminalprävention ins Land Brandenburg berufen. Seitdem ist sie Vorsitzende Richterin einer großen (Jugend-)Strafkammer des Landgerichts Cottbus.[2]

Sigrun von Hasseln-Grindel ist in zweiter Ehe mit dem Sozialmediziner Bernhard Grindel verheiratet.

Leistungen

1982 begann von Hasseln – zunächst im Rahmen des Deutschen Richterbundes – mit ihrem rechtspolitischen und kriminalpräventiven Engagement für eine bürgernahe Justiz und für eine nachhaltige Kriminalprävention als Fundament einer humanen Rechts- und Verantwortungsgesellschaft. Unterstützt wurde sie von Roland Makowka, von Arthur Kaufmann und von Dieter Strempel. Von Hasseln war Herausgeberin, Begründerin und verantwortliche Redakteurin des Mitteilungsblatt des Vereins der Richter und Staatsanwälte im Landesgerichtsbezirk Oldenburg 1983–1995.

Mit der Durchführung des bundesweiten Aktions- und Mitmachtages „Jugend hat Recht“ 1996 in Oldenburg und der Gründung des ersten Jugendrechtshauses[3] 1996 in Oldenburg[4] begann sie, das Konzept der Rechtspädagogik in die Praxis umzusetzen.

2002 gründete sie in Berlin den Bundesverband der Jugendrechtshäuser Deutschland e. V. und danach weitere Jugendrechtshäuser. Im Jahr 2006 gründete sie die Akademie für Rechtskultur und Rechtspädagogik, deren Vorsitzende sie ist. Seit 2006 ist von Hasseln-Grindel auch Lehrbeauftragte der Universität Cottbus für das von ihr begründete Fach Rechtspädagogik / Human Law,[5] das seit 2009 auch an der Universität Warschau gelehrt wird.

Im Jahr 2009 war sie „Schirmfrau“ der Brandenburgischen Frauenwoche in Cottbus. Seit Mai 2011 ist sie Vertreterin des Schwerbehindertenvertreters für die Richterschaft der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Land Brandenburg.

Rechtspädagogik

Die von Sigrun von Hasseln-Grindel begründete Rechtspädagogik ist eine an den Bedürfnissen des Einzelmenschen und an den Erfordernissen der Gesellschaft(en) orientierte empirische, interdisziplinäre Wissenschaft zur gemeinsamen Bewältigung komplexer Herausforderungen unserer Zeit. Ziel ist die Schulung von Menschen aller Alters- und Bildungsschichten in regionalen wie in überregionalen Zusammenhängen für den friedlichen und gleichberechtigten Umgang in einer globalisierten, zivilen Bürgergesellschaft. Kulturenvielfalt, wirtschaftliche Interessen und soziale Gerechtigkeit sind darin keine trennenden Elemente, sondern Faktoren gegenseitiger Achtung.

Die Rechtspädagogik versucht, internationale Grundsätze des Zusammenlebens so in den Alltag von Bürgern mit unterschiedlichem Bildungsniveau, mit multiplem kulturellen und sozialen Hintergrund sowie in Kindergarten, Schule und Betrieb zu transformieren, dass sie von den jeweiligen Zielgruppen verstanden, akzeptiert und eingehalten werden. Die praktische Umsetzung der Rechtspädagogik erfolgt in regionalen Jugendrechtshäusern. Mit Hilfe der Rechtspädagogik ist es in einem seit 1999 in Cottbus laufenden Crashkurs-Projekt gelungen, die Rückfallquote bei Mehrfach- und Intensivtätern deutlich zu reduzieren.

Seit 2000 befindet sich Sigrun von Hasseln-Grindel im interdisziplinären Erfahrungsaustausch über Human Law mit Angehörigen aus Justiz, Bildung, Erziehung und der Kriminalprävention in Polen, Ungarn, Rumänien, Schweden, Litauen, Kroatien, Tunesien und Honduras. Human Law (Rechtspädagogik) wird seit 2006 an der Universität Cottbus (BTU) im Fachbereich „Kultur und Technik“ und seit 2009 an der Universität Warschau gelehrt.

Rechtspädagogik-Events (Auswahl)

  • Brücken im deutsch-deutschen Recht bauen. 18./19. Oktober 2012 in Potsdam, Staatskanzlei[6]
  • 8. Rechtspädagogische Tage 2011. Human Law. Ist Empathie die wirksamste Gewaltprävention? Im Jugendrechtshaus Hohen Neuendorf. 16.–18. November 2011.
  • 7. Rechtspädagogische Tage 2008. 25.–28. November 2008 in Bad Doberan
  • School of Human Law. Fairplay durch europäischen Klassenzimmerspaß mit Schülern aus 4 Staaten (Polen, Schweden, Litauen, Deutschland) 23.–30. April 2008 im Jugendrechtshaus Prenzlau
  • 6. Rechtspädagogische Tage. Mit Rechtspädagogik erfolgreich gegen Rechtsextremismus. 13.–16. November 2007. Jugendrechtshaus Senftenberg/ Südbrandenburg
  • Konferenz: Demokratieschulen in der interkulturellen Gesellschaft. Das Modell der Jugendrechtshäuser und Gründung des Bundesverbandes der Jugendrechtshäuser Deutschland e. V. am 27./ 28. Mai 2002 in Berlin, Friedrich-Ebert-Stiftung
  • Brandenburgisches Präventionsfestival „Es lohnt sich zu bewegen.“ 29. September bis 1. Oktober 2000 in Cottbus. Messehallen
  • Arbeiten die Organe der Rechtspflege bei der Kriminalitätsbekämpfung gegeneinander? 12. /13. Mai 1995. St. Augustin

Auszeichnungen

Lehrtätigkeit (Auswahl)

Sigrun von Hasseln-Grindel hielt bis heute ca. 300 Gastvorlesungen an Universitäten und Hochschulen im In- und Ausland, Impuls-, Fach- und Festvorträge, Fort- und Weiterbildungsseminare, bürgernahe Vorträge,[7] Autorenlesungen und Schulevents zu folgenden Themenkreisen:

  • Menschsein im neuen Zeitalter; Menschen in der Weltgesellschaft; Rechtsgesellschaft, Rechtskultur und Rechtspolitik; Frauen in der Gesellschaft; Seniorenpower heute; Behindertenperspektiven; Human Law/Rechtspädagogik/Erziehung zum Recht;[8] Jugendrechtsberatung auf rechtspädagogischer Basis; Jugendrechtshaus und Rechtspädagogik; Kinder- und Jugendschutz; Jugendkriminalität und Jugendkriminalprävention; Strafrecht und Strafprozessrecht; Opferperspektiven und Opferrechte.[9]

Mitgliedschaften

  • Bundesverband der Jugendrechtshäuser Deutschland e. V. (2002–2012; Mitgründerin und Vorsitzende, seit 2012 Ehrenvorsitzende)
  • Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, LV Berlin/Brandenburg
  • Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik e. V. (DGfK)
  • Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ)[10]
  • Deutscher Juristinnenbund (djb)
  • Deutscher Kinderschutzbund
  • Deutscher Richterbund (DRB)
  • Landespräventionsrat Brandenburg[11]
  • Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Kinder-, Jugend- und Gewaltdelinquenz sowie Jugendschutz des Trägervereins der Akademie für Rechtskultur und Rechtspädagogik e. V.“ (seit 2006; Mitgründerin und Vorsitzende)
  • Verein Recht und Gesellschaft e. V. (Vorsitzende von 1994 bis 2004)
  • Freier Deutscher Autorenverband[12]

Schriften

Monographien

  • Der Justizirrtum oder Lebenslänglich für Ernst Janssen. Berlin 1992, ISBN 3-928024-70-1.
  • Verkehrsrechtsberater. München 1996, ISBN 3-423-58100-X.
  • Jugendrechtsberater. 2. Auflage. dtv, München 2006, ISBN 3-423-58099-2. 3. Auflage 2012.[13]
  • Verkehrsunfall. Frankfurt am Main 1995.
  • Tilly Timber auf Megaland. Geschichten rund um das Jugendrechtshaus. Forum, Leipzig 1998, ISBN 3-931801-63-2. 3. Auflage 2018, Berliner Wissenschaftsverlag.
  • Rechtspädagogisches Kinder- und Jugendbuch. Leipzig 1998, ISBN 3-931801-63-2.

als Herausgeberin u. Mitautorin

  • Falken – Rechtsberater. Fallbeispiele – Musterbriefe – Gerichtsurteile. Niedernhausen, ISBN 3-8068-4734-7.
  • Rechtspädagogik. Von der Spaß- in die Rechts- und Verantwortungsgesellschaft. 2006, ISBN 3-8334-3638-7.
  • Das Jugendrechtshaus 2000. Orientierungsstätte für junge Menschen in der sozialen Stadt des 21. Jahrhunderts. BoD, ISBN 3-8311-0402-6.
  • (mit Bernhard Grindel): Brücken des Herzens bauen. Für mehr Mitmenschlichkeit im Alltag. Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-2020-5.
  • (mit Bernhard Grindel): Brücken des Herzens bauen II. Für mehr Mitmenschlichkeit im Alltag. Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8423-8064-6.

Broschüren (Auswahl)

  • Wegweiser Jugendrechtshaus. 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007.
  • Rechtspädagogische Bausteine im Jugendrechtshaus. Wenn Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte in die Schulen gehen. 2001.
  • Das Cottbuser Jugendrechtshaus. Orientierungsstätte für junge Menschen in der sozialen Stadt Cottbus im 21. Jahrhundert. Verein Cottbuser Jugendrechtshaus e. V. 1999, 2000, 2001.
  • Rechtskultur im 21. Jahrhundert. Informationsbroschüre des Vereins Recht und Gesellschaft e. V., 2000.

Zeitschriftenaufsätze (Auswahl)

  • Jugendrechtshäuser als Module für die innere Sicherheit des freiheitlichen Rechtsstaates im 21. Jahrhundert. In: Theorie und Praxis gesellschaftlichen Zusammenhalts – Aktuelle Aspekte der Präventionsdiskussion um Gewalt und Extremismus. Bundesministerium des Innern, 2008.
  • Vom Fremdenhass zur Toleranz. Interkultureller Täter-Opfer-Ausgleich. In: Neue Justiz. 2002.
  • Votum für eine offene Rechtsgesellschaft. In: Neue Justiz. 2001.
  • Wenn Bettnässer Weltpolitik machen. Betrifft Justiz, 2000.
  • Plädoyer für ein offenes Gericht in einem postmodernen Rechtscenter für alle. In: DRiZ. 1994.
  • Justiz – Aufbruch in das dritte Jahrtausend oder: Das Prinzip Mündige Verantwortung. In: DRiZ. 1993.

Sonstige

  • Vorwort-Autorin in: Manfred Günther Alles was jungen Menschen Recht ist 114 S., 4. A., Berlin 2019

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Justiz: Anwältin statt Pensionärin. In: Lausitzer Rundschau. 28. Juni 2018, abgerufen am 16. Januar 2020.
  2. jugendrechtshaus.de
  3. Jugendrechtshaus-Seite
  4. NWZ online berichtet
  5. Human-Law-EU-Seite
  6. Details auf der Webseite
  7. von Hasseln zu „Unterhalt“ bei ABC-Recht
  8. Vortragsauftrag an Studierende in Cottbus 2011@1@2Vorlage:Toter Link/www-docs.tu-cottbus.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 89 kB)
  9. Diskussionsbeitrag (Memento des Originals vom 12. Februar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.opferperspektive.de bei „Opferperspektive“
  10. Vortrag „Jugendliche und Gewalt“ (Memento des Originals vom 18. Dezember 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dvjj.de bei der DVJJ 2004.
  11. im LPR Brandenburg, mit Bild
  12. Porträt@1@2Vorlage:Toter Link/www.maerkische-lebensart.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf FDA Brandenburg
  13. Rezension der 2. Auflage durch die VKDL@1@2Vorlage:Toter Link/www.vkdl.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 54 kB)