Stellvertretendes Generalkommando

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Das Stellvertretende Generalkommando war eine Organisationseinheit des deutschen Heeres und später des Heeres der Wehrmacht. Solange ein Generalkommando mobilisiert war, übernahm das Stellvertretende Generalkommando dessen sämtliche Funktionen als ortsfeste (immobile) Kommando- und Verwaltungsbehörde eines Armeekorpsbereichs und der dort stationierten Truppen. Befehlshaber des Stellvertretenden Generalkommandos war der Stellvertretende Kommandierende General.[1] Die Bayerische, Preußische, Sächsische und Württembergische Armee vor und während des Ersten Weltkrieges sowie das Heer der Wehrmacht zur Zeit des Nationalsozialismus kannten Stellvertretende Generalkommandos.[2][3][4]

Kompetenzen und Aufgaben im Ersten Weltkrieg

In ihren Territorialbereichen waren die Militärbefehlshaber die Inhaber der vollziehenden Gewalt. Bis zur Unterstellung unter das Kriegsministerium in kriegswirtschaftlichen Fragen am 8. Dezember 1916 hatten sie eine Immediatstellung zum Kaiser. Sie verfügten über ein ausgedehntes Verordnungsrecht und eine Weisungsbefugnis gegenüber der Zivilverwaltung in den entsprechenden Regierungsbezirken.

Das Immediatverhältnis zum Kaiser bedeutet, dass die stellvertretenden Generalkommandeure und die ihnen gleichgestellten Festungskommandanten jeder zivilen Kontrolle entzogen waren. Sie übten de facto selbständige Herrschaftsfunktionen aus, die auch die verfassungsmäßigen Rechte einschränkten.

Ihre Aufgaben beschränkten sich nicht nur auf Nachschubangelegenheiten (Intendantur) also der Ersatzlieferung von Mannschaften und Pferden, der Versorgung der Armeekorps mit Kriegsmaterial, oder dem Kommando über die zurückgebliebenen Truppen und der Grenzschutz. In ihren Zuständigkeitsbereich fielen auch die Spionageabwehr, die Überwachung des öffentlichen Lebens etwa durch Pressezensur[5], Postüberwachung, Einschränkung der Versammlungsfreiheit oder der Einsatz von Kriegsgefangenen. Insbesondere ab 1916 waren sie zunehmend in der Steuerung der Kriegswirtschaft eingesetzt.[6] In den letzten Kriegsjahren waren sie auch für den Einsatz der Etappenhelferinnen zuständig.

Die zivilen Behörden unterstanden diesen Militärbehörden. Im Rahmen des Belagerungszustandes war es den stellvertretenden Generalkommandos erlaubt ohne Einschaltung eines zivilen Gerichts militärische Schutzhaftbefehle zu verhängen.

Das große Aufgabenspektrum während des Krieges führte dazu, dass die Personalstärke der stellvertretenden Generalkommandos stark anstieg. Waren im achten Württembergischen Stellvertretenden Generalkommando 1914 nur sieben Offiziere und 14 Unterbeamte tätig, waren es 1917 bereits 134 Offiziere.

Im Laufe des Krieges wurden verschiedene Bereiche zentralisiert. Das war etwa durch die Gründung des Kriegspresseamtes 1915 oder des Kriegsamtes 1916 der Fall.

Durch den Luftangriff auf Potsdam am 18. April 1945, bei dem das Reichsarchiv schwer getroffen wurde, ging ein großer Teil der dort archivierten Akten der preußischen Stellvertretenden Generalkommandos verloren, so auch die Akten des X. Armeekorps in Hannover, was die Rekonstruktion der nordwestdeutschen Militärgeschichte von 1867 bis 1919 vor erhebliche Forschungsprobleme stellt.

Literatur

  • Wolf-Rüdiger Schrumpf: Territoriale Kommandogewalt und zivile Verwaltungskompetenz im 1. Weltkrieg. Konsens, Kooperation, Konflikt. Eine Studie über die Aktivitäten des Stellvertretenden Generalkommandos des VII. Armeekorps und der Mittelbehörden der Provinz Westfalen bei der Versorgung der Zivilbevölkerung, Münster 1995 (Phil. Diss. der Universität Münster).
  • Jörn Leonhard: Die Büchse der Pandora. Geschichte des ersten Weltkrieges. München, 2013 S. 207f.
  • Stadt Oldenburg (Hg.): Oldenburg 1914-1918. Ein Quellenband zur Alltags-, Sozial-, Militär- und Mentalitätsgeschichte der Stadt Oldenburg im Ersten Weltkrieg. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Oldenburg Bd. 7), Oldenburg (Isensee) 2014. ISBN 978-3-7308-1080-4.

Weblinks

Einzelnachweise