Suite Gothique

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Das heutige Erscheinungsbild der Ghys-Orgel von 1895 in Notre-Dame (Dijon), für deren Einweihung die Suite Gothique komponiert wurde

Die Suite Gothique aus dem Jahr 1895 ist ein Orgelwerk des Komponisten Léon Boëllmann und zählt zu den bekanntesten Werken der Orgelmusik der französischen Romantik.

Entstehung

Boëllmann komponierte die Suite Gothique Op. 25 im Jahr 1895 anlässlich der Einweihung der von Jean-Baptiste Ghys erbauten französisch-romantischen Orgel der Pfarrkirche Notre-Dame in Dijon. Das Instrument verfügte damals über zwei Manualwerke und Pedal. Boëllmann verstand sein rund 15-minütiges Werk, das er zwei Jahre vor seinem Tod schuf, auch als Retrospektive seines musikalischen Schaffens. Er griff dabei aber auch in freier Manier die Klangsprache der großen Orgelkomponisten der französischen Romantik wie César Franck, Alexandre Guilmant oder Eugène Gigout, der sein Lehrer war, auf. Der Titel widerspiegelt die Begeisterung der französischen Spätromantik für das Zeitalter Gotik, die auch die kurz zuvor entstandene Symphonie Gothique für Orgel von Charles Marie Widor (1894) bezeugt.

Aufbau und Charakteristik

Die Suite umfasst vier Sätze:

  • Introduction – Choral: Der gravitätische erste Satz in c-Moll ist von einer zunächst im Hauptwerk, dann im Pedal und schließlich im Schwellwerk vorgetragenen würdevollen antiphonalen Choralmelodie geprägt.
  • Menuet Gothique: Das Menuett wechselt auf die «fröhlichere» Tonart C-Dur und weist eine tänzerisch-leichte Melodieführung auf, die sich ideal für Flötenregister eignet.
  • Prière à Notre-Dame: Der Titel des Stücks ist doppeldeutig, und kann sowohl mit dem Uraufführungsort, der Kirche Notre-Dame de Dijon, in Verbindung gebracht werden, als auch im Wortsinne als musikalische Untermalung eines Gebets zu Maria (Unsere Liebe Frau) gelesen werden. Dieser langsame Satz in As-Dur steht in der Tradition der Orgel-Prières der französischen Romantik. Die träumerisch-schwebenden Klänge verlangen eine Registrierung mit zarten Streicherstimmen.
  • Toccata: Die mächtig-virtuose Toccata ist wohl die bekannteste und meistgespielte Komposition Boëllmanns. Sie kehrt zur Ausgangstonart c-Moll zurück und erfordert eine vollklingende Registrierung (Plenum und Zungen). Die Pedalmotive sind dabei durchdringend und distinkt, während auf dem Manual schillernde Begleitfiguren gespielt werden. Das Werk ist durch eine allmähliche Steigerung der klanglichen Dichte gekennzeichnet und endet nach einem virtuosen Finale durch eine erlösende Picardische Terz in majestätischem Dur.

Ton- und Videodokumente (Auswahl)

Literatur

  • Viktor Lukas: Reclams Orgelmusikführer, Stuttgart 2002, S. 233.