Tetrabenazin

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Strukturformel
Strukturformel von Tetrabenazin
(R,R)-Isomer (oben) und (S,S)-Isomer (unten)
Allgemeines
Freiname Tetrabenazin
Andere Namen

(RR,SS)-1,3,4,6,7,11b-Hexahydro-9,10-dimethoxy-3-(2-methylpropyl)-2H-benzo[a]chinolin

Summenformel
  • C19H27NO3 (Tetrabenazin)
  • C19H27NO3·HCl (Tetrabenazin·Hydrochlorid)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-383-6
ECHA-InfoCard 100.000.348
PubChem 6018
ChemSpider 5796
DrugBank DB04844
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N07XX06

Eigenschaften
Molare Masse 317,43 g·mol−1 (Tetrabenazin)
Schmelzpunkt
  • 125–126 °C (Tetrabenazin) [1]
  • 208–210 °C (Tetrabenazin·Hydrochlorid) [1]
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tetrabenazin ist ein Arzneistoff, der in Deutschland seit 2007 und in Österreich seit 2010 für die Behandlung der Chorea Huntington und von mittelschweren bis schweren Spätdyskinesien zugelassen ist, und bereits davor als so genanntes Orphan-Arzneimittel für die Behandlung dieser und einiger weiterer seltener Bewegungsstörungen verordnet wurde bzw. wird. In Deutschland, Dänemark und Kanada wird es unter dem Markennamen Nitoman, in der Schweiz Xenazine, vertrieben. Entwickelt wurde es in den 1950er Jahren. Seine Wirkung entfaltet es über die Förderung des frühen Stoffwechselabbaus des Neurotransmitters Dopamin. Genauer formuliert leert es die präsynaptischen Dopaminspeicher.

Klinische Wirkung

Tetrabenazin wird eingesetzt, um Hyperkinesen (insbesondere Chorea und Dystonie) zu reduzieren.[5] Hier sind vor allem zu nennen:

Die Dosiseinstellung sollte langsam einschleichend erfolgen. Die gleichzeitige Einnahme von MAO-Hemmern ist kontraindiziert.

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Tetrabenazin (Kürzel TBZ) wirkt als potenter VMAT-Hemmer.[6] Von klinischer Bedeutung ist seine Eigenschaft, die Dopamin-Ressourcen im ZNS zu verarmen und damit dessen Verfügbarkeit als Neurotransmitter im synaptischen Spalt zu reduzieren. In seiner VMAT inhibitierenden Eigenschaft ähnelt TBZ dem Reserpin, wenngleich der Wirkmechanismus im Detail nicht identisch zu sein scheint.[6] Die stärkste VMAT-Affinität hat das Stereoisomer mit (3R,11bR)-Konfiguration. Zusätzlich wirkt TBZ als Antagonist von Dopamin-Rezeptoren.[6] 11C-markiertes TBZ kann als PET-Radioligand verwendet werden.

Pharmakokinetik

TBZ unterliegt einem starken First-Pass-Effekt. Der aktive Hauptmetabolit ist das Hydroxy-Analogon Dihydrotetrabenazin (DTBZ).[7]

Derivate

Im März 2017 wurde von der FDA deuteriertes Tetrabenazin (Deutetrabenazin) der Firma Teva zugelassen. Dieses hat bis auf eine verlängerte Wirksamkeit dieselben Eigenschaften.[8]

Handelsnamen

Monopräparate
Nitoman, Dystardis (D), Xenazine (CH), Tetmodis (A)

Einzelnachweise

  1. a b The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1580, ISBN 978-0-911910-00-1.
  2. a b c d Datenblatt Tetrabenazine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 23. Oktober 2016 (PDF).
  3. Tetrabenazine Tablets. (Memento vom 25. Januar 2014 im Internet Archive; PDF; 111 kB) Orphan.
  4. Public Assessment Report. (PDF; 541 kB) MHRA.
  5. C. Kenney, J. Jankovic: Tetrabenazine in the treatment of hyperkinetic movement disorders. In: Expert Review of Neurotherapeutics. Band 6, Nr. 1, 2006, S. 7–17, doi:10.1586/14737175.6.1.7, PMID 16466307.
  6. a b c Guangrong Zheng, Linda P. Dwoskin, Peter A. Crooks: Vesicular monoamine transporter 2: Role as a novel target for drug development. In: AAPS Journal. Band 8, Nr. 4, 2006, S. E682–E692, doi:10.1208/aapsj080478, PMID 17233532, PMC 2751365 (freier Volltext).
  7. D. E.Schwartz, H. Bruderer, J. Rieder, A. Brossi: Metabolic studies of tetrabenazine, a psychotropic drug in animals and man. In: Biochemical Pharmacology. Band 15, Nr. 5, 1966, S. 645–655, doi:10.1016/0006-2952(66)90031-1.
  8. Derek Lowe: The First Deuterated Drug Arrives. In: In the Pipeline (Science). 4. April 2017 (blogs.sciencemag.org).