Tetrazen

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Strukturformel
Struktur von Tetrazen
Allgemeines
Name Tetrazen
Andere Namen
  • 5-(4-Amidino-1-tetrazeno)-5H-tetrazol-Hydrat
  • (5-Tetrazolyl)-4-guanyltetrazen-Hydrat
  • Tetrazolyl-guanyl-tetrazen-Hydrat
  • 4-(1H-Tetrazol-5-yl)-3-tetrazen-2-carboximidamid
  • 1-(5-Tetrazolyl)-4-guanyltetrazen
  • 1-Amino-1-(1H-tetrazol-5-yl)-azoguanidin
  • GNGT
Summenformel C2H6N10 · H2O
Kurzbeschreibung

schwach gelbe, flockige Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 608-603-6
ECHA-InfoCard 100.128.336
PubChem 5486788
Eigenschaften
Molare Masse 188,15 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,7 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

137–139 °C (Zersetzung ab 110 °C)[1]

Löslichkeit

nahezu unlöslich in Wasser, Ethanol, Diethylether, Benzol und Tetrachlormethan[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 201​‐​302​‐​315​‐​319​‐​332
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tetrazen ist eine energetische, feste Stickstoffverbindung, die beim Entzünden unter Entwicklung von schwarzem Rauch verpufft. Tetrazen ist ein wichtiger Bestandteil von stich-, schlag- und wärmeempfindlichen Zündsätzen, die unter anderem in Zündhütchen und elektrischen Brückenzündern für Airbags verwendet werden.

Eigenschaften

Tetrazen bildet farblose bis schwach gelbe, flockige Kristalle und kann in verschiedenen polymorphen Formen auftreten. Es existiert in kristallinem Zustand als hydratisiertes Zwitterion. Die Verbindung ist explosiv und wird der Gruppe der Initialsprengstoffe zugeordnet.[2] Tetrazen ist bis etwa 75 °C langzeitstabil[1] und verpufft bei 140 °C nach wenigen Sekunden.[2] Trockenes Tetrazen ist sehr leicht entzündlich und hat eine hohe Explosionsenergie. Die Bleiblockausbauchung beträgt 155 ml/10 g.[2] Die Verbindung ist mit 1,0 J schlagempfindlich bzw. mit 8 N reibempfindlich.[2] Tetrazen ist praktisch unlöslich in Wasser, Alkohol, Ether, Benzol und Tetrachlorkohlenstoff.[2] Es wird von kochendem Wasser oder wässrigen Alkalien zersetzt. Die Löslichkeit ist in Ameisensäure/Essigsäure/Essigsäureanhydrid gut. Tetrazen löst sich in konzentrierter Salzsäure und in kalter konzentrierter Salpetersäure (0–5 °C) ohne Zersetzung und wird durch Verdünnen mit Wasser wieder ausgeschieden. Trotz der geringen thermischen Stabilität zeigen 8 Jahre unter Normalbedingungen gelagerte Tetrazen-Proben noch eine Reinheit von 99,9 %.

Tetrazen ist extrem empfindlich gegenüber elektrostatischen Entladungen und hinsichtlich der mechanischen Empfindlichkeit mit Quecksilber(II)-fulminat vergleichbar.[1]

Darstellung

Tetrazen lässt sich durch Reaktion von Natriumnitrit mit einem löslichen Salz von Aminoguanidin in Essigsäure darstellen (synthetisieren).[1][4]

Verwendung

Tetrazen dient als energiereicher Sensibilisator in Zündsätzen auf der Basis von Bleistyphnat; der Zusatz von Tetrazen erhöht die Ansprechempfindlichkeit und die Zuverlässigkeit. Bleiazid wird durch Beimischen von 5 % Tetrazen gegen Stich und Schlag sehr empfindlich. Tetrazen allein ist ein schlechter Initialsprengstoff, der durch zu starke Verdichtung seine Empfindlichkeit verliert, d. h. Tetrazen kann leicht totgepresst werden.

Geschichte

Tetrazen wurde erstmals 1910 von Hoffmann und Roth durch die Behandlung von Aminoguanidin mit salpetriger Säure hergestellt.[5]

Recht

Die Herstellung und Verarbeitung von Tetrazen ist ohne Genehmigung nach dem Sprengstoffgesetz verboten.

Stoffgruppe

Tetrazen sollte nicht mit der Stoffgruppe der verwandten Tetrazene verwechselt werden, insbesondere nicht mit 1-Tetrazen, als dessen Derivat es aufgefasst werden kann.

Verwechslungsgefahr

Tetrazen kann sehr leicht mit Tetrazenen, Tetrazinen, Tetrazol und Tetracen verwechselt werden.

Allergenität

Aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen ist bekannt, dass die Exposition gegenüber Tetrazen Asthma, Rhinitis und Dermatitis auslösen kann.[6]

Literatur

  • Robert Matyas, Jiri Pachman: Primary Explosives. Springer, 2013, ISBN 978-3-642-28435-9, S. 189–194.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Eintrag zu Tetrazen. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 28. Dezember 2014.
  2. a b c d e f J. Köhler, R. Meyer, A. Homburg: Explosivstoffe. 10., vollst. überarbeitete Auflage. Wiley-VCH, 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.
  3. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von 1-(5-tetrazolyl)-4-guanyl tetrazene hydrate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 19. Juli 2019.
  4. T. Günther, B. Mertschenk, B. Schulz: Guanidine and Derivatives, in: Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2012; doi:10.1002/14356007.a12_545.pub2.
  5. K. A. Hoffmann, R. Roth: Diazoverbindungen aus Amidoguanidin, Beiträge zur Kenntnis der Diazohydrazoverbindungen (Tetrazene). In: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 43, 1919, S. 1087–1095, doi:10.1002/cber.191004301187.
  6. P. S. Burge, M. Hendy, E. S. Hodgson: Occupational asthma, rhinitis, and dermatitis due to tetrazene in a detonator manufacturer. In: Thorax. 39(6), Jun 1984, S. 470–471. PMID 6235620.