Tim Renner

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Tim Renner, 2016

Tim Renner (* 1. Dezember 1964 in Berlin) ist ein deutscher Musikproduzent, Journalist und Autor; von 2014 bis 2016 war er Berliner Staatssekretär für Kultur.

Leben

Renners Mutter arbeitete als Sozialpädagogin im Strafvollzug, sein leiblicher Vater Hans Christof Stenzel war Filmregisseur, sein Stiefvater Herbert Renner Bibelverleger.[1] In seinem siebten Lebensjahr zog seine Familie von Berlin nach Hamburg.[1] Anfang der 1980er Jahre veröffentlichte er ein eigenes Kassetten-Fanzine namens Festival der guten Taten, danach moderierte er Sendungen beim NDR (z. B. die experimentelle Radio-Show Zur Lage der Nation), schrieb Pop-Kolumnen für Scritti sowie für Tempo und das Hamburger Stadtmagazin Tango. Ein 1983 aufgenommenes Studium der Germanistik an der Universität Hamburg brach Renner ab.[2] 1984 war er bei der Produktion des Filmprojekts Für eine Handvoll D-Mark (einem Hamburger Musikmagazin u. a. mit Abwärts, Markus Oehlen und Ti-Tho) an Regie und Drehbuch beteiligt.

1986 wechselte Renner von seiner Tätigkeit als Journalist in die Musikbranche.[3] Er begann seine Arbeit als Artists-&-Repertoire-Manager bei der Polydor, wo er ab 1989 die neu gegründete Abteilung „Polydor Progressive Music“ leitete. Er leitete das 1994 gegründete Polygram-Sub-Label Motor Music Ltd. Als der Mutterkonzern Polygram 1998 mit Universal zu „Universal Music Deutschland“ fusionierte, wurde Renner Anfang 2001 Geschäftsführer. 2003 wurde er vom World Economic Forum als „Global Leader for Tomorrow“ benannt.

2004 verließ Tim Renner Universal Music und schrieb anschließend mit Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm ein Buch über seine persönliche Einschätzung zur Zukunft der Medienindustrie. Renner baute die Firmengruppe Motor Entertainment auf, zu der ein Musikverlag mit buchbarem Label (Motor Music) und eine Booking Agentur für das Tourgeschäft (Motor Tours, im Joint Venture mit Four Artist) sowie Management (z. B. für Polarkreis 18) gehört. Bis zum August 2011 war Renner auch Gesellschafter des Radiosenders Motor FM. Seit dessen Umbenennung in FluxFM infolge eines Gesellschafterstreits ist Renner nicht mehr am Sender beteiligt.[4]

Tim Renner ist langjähriger Dozent im Studiengang Musikbusiness der Popakademie Baden-Württemberg und wurde dort 2009 zum Professor ernannt. Die Hochschule begründete die Ernennung damit, dass Renner eine der „renommiertesten Persönlichkeiten der Musikbranche“ sowie „innovativer Vordenker der Musikwirtschaft“ sei.[5]

2011 erschien das Buch Digital ist besser, welches er mit seinem zwei Jahre älteren Bruder, dem früheren Medienjournalisten und heutigen PR-Berater Kai-Hinrich Renner,[6] schrieb. Seit 2011 traten Renner und Motor Entertainment zudem als Co-Produzenten der monatlichen Fernsehsendung Berlin Live bei ZDFkultur in Erscheinung. 2012 bis 2013 moderierte er bei Bremen Vier eine eigene Radiosendung mit Namen Radio Renner. 2013 erschien sein Buch Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten: Die Wahrheit über die Popindustrie über Erfolgsfaktoren der Musikbranche.[3]

Renner ist verheiratet mit Petra Husemann-Renner[7] und hat zwei Töchter.[8]

Politik

Tim Renner ist Mitglied der SPD und gehört als Beisitzer dem Vorstand des „Kulturforums der Sozialdemokratie“ an.[9] 2009 beriet er Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und griff dessen Idee eines „Kreativpakts“ zwischen Wirtschaft, Politik und Künstlern auf.[10] In den folgenden Jahren entwickelte Renner im Rahmen des Kreativpakts zusammen mit Künstlern, Unternehmern und SPD-Politikern Konzepte zu Netzpolitik, Urheberrecht, Bildungspolitik, Künstlersozialversicherung und Kulturpolitik.[11] Teile der Konzepte des Kreativpaktes flossen in das SPD-Regierungsprogramm 2013 ein.[12]

Renner unterstützte 2013 den Wahlkampf der SPD und deren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und rief mit ihm gemeinsam u. a. zu „Breitband für alle“, digitaler Lernmittelfreiheit und sozialer Absicherung von Solo-Selbstständigen auf.[13] Außerdem verantwortete er den SPD-Wahlkampfsong (Wir sind) Zuhaus.[3] Am 15. Januar 2020 wurde er zum Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD Berlin gewählt.[14] Renner ist außerdem Beisitzer im Kreisvorstand der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf.[15]

Berliner Staatssekretär für Kultur

Unter dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, wurde Renner am 28. April 2014 Kulturstaatssekretär des Landes Berlin, als Nachfolger von André Schmitz. Renner setzte sich unter anderem für eine bessere Förderung der freien Künstlerszene und eine Erhöhung des Kulturetats ein.[16]

Im März 2015 wurde bekannt, dass Tim Renner 2017 den Direktor der Tate Gallery of Modern Art, Chris Dercon, zum Intendanten der Volksbühne Berlin und Nachfolger von Frank Castorf machen wolle, was zu öffentlicher Kritik unter anderem durch den Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann führte.[17] Der Schauspieler Alexander Scheer bat ihn, das Theater nach der Entscheidung nicht mehr zu betreten. Als er ihm dort 2018 nach einer Filmvorführung begegnete, schüttete er Renner ein Glas Bier über den Kopf.[18]

Mit der neuen rot-rot-grünen Koalition fiel das Kulturressort an die Partei Die Linke.[19] Renner wurde am 8. Dezember 2016 aus dem Amt entlassen.[20]

Bundestagskandidatur

2016 kündigte Renner an, für die Bundestagswahl 2017 für die SPD als Bundestagsabgeordneter im Bundestagswahlkreis Berlin-Charlottenburg – Wilmersdorf für den Bundestag kandidieren zu wollen.[21] Bei einer Mitgliederbefragung der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf am 26. Februar 2017 konkurrierten fünf Kandidaten um die Nominierung als Direktkandidat der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf für die Bundestagswahl 2017. Renner erhielt 223 Stimmen und Ülker Radziwill 211 Stimmen.[22] Am 17. März 2017 setzte sich Renner schließlich gegen Radziwill in einer Stichwahl als SPD-Direktkandidat für den Bundestagswahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf für die Bundestagswahl 2017 durch.[23]

Bei der Bundestagswahl konnte er sich nicht gegen seinen CDU-Mitbewerber, Klaus-Dieter Gröhler, durchsetzen und auch der Platz 6 auf der Landesliste der SPD reichte nicht für den Einzug in den Deutschen Bundestag.

Im August 2020 wurde bekannt, dass Renner auf Aufforderung der Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey 2021 erneut für ein Mandat bei der Bundestagswahl 2021 antreten wollte, diesmal im Bundestagswahlkreis 82 in Neukölln.[24] Hierbei unterlag Renner mit 45,18 % zu 51,95 % gegen den Mitbewerber Hakan Demir, obwohl er als Favorit sowohl Giffeys als auch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Martin Hikel gegolten hatte.[25]

Bücher

  • Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm. Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Campus, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-593-37636-9; überarbeitete Neuauflage: Rogner & Bernhard, Berlin 2008, ISBN 978-3-8077-1045-7.
  • Digital ist besser. Warum das Abendland auch durch das Internet nicht untergehen wird. Campus, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-593-39208-0 (mit Kai-Hinrich Renner).
  • Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten: Die Wahrheit über die Popindustrie. Berlin Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-8270-1161-9 (mit Sarah Wächter).

Weblinks

Commons: Tim Renner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b unternehmerakzente.de (Memento vom 29. Oktober 2014 im Internet Archive)
  2. Rüdiger Braun: Universität Potsdam verabschiedet Absolventen. Märkische Allgemeine, 14. Juli 2016, abgerufen am 14. März 2021.
  3. a b c Tim Renners schmutzige Fantasie. Berliner Republik 1/2014. Abgerufen am 10. Februar 2017
  4. Kurt Sagatz: Neuer Name, neues Glück? Alles rauscht. Der Tagesspiegel, abgerufen am 12. Juni 2014
  5. Tim Renner wird Professor. Popakademie Baden-Württemberg. Abgerufen am 10. Februar 2017
  6. Medienjournalist Kai-Hinrich Renner wechselt zur Kommunikations-Agentur schoesslers. Abgerufen am 25. März 2022 (deutsch).
  7. Siehe ""Neue Musik sollte besser vergütet werden als alte Hits", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. November 2021, Seite 24, Artikel über Petra Husemann-Renner
  8. hna.de Tim Renner über die Zukunft des Pop: "Als Eltern sind wir die Pest". Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 15. Oktober 2013
  9. Vorstand Kulturforum der Sozialdemokratie spd.de, abgerufen am 10. Februar 2016.
  10. Wir brauchen einen Kreativpakt. Welt am Sonntag, 14. Juni 2009.
  11. Reboot Arbeit, update Urheberrecht, bildet soziale Netzwerke! Broschüre der SPD-Bundestagsfraktion, abgerufen am 10. Februar 2017 (PDF-Datei, 1,2 MB).
  12. Kulturpolitik ist keine Festivalpolitik. SPD-Bundestagsfraktion, 22. Mai 2013.
  13. Breitband für alle! von Tim Renner und Peer Steinbrück. Die Welt, 9. Juni 2013.
  14. Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD (AGS). 13. August 2019, abgerufen am 17. Januar 2020 (deutsch).
  15. Kreisvorstand SPD Charlottenburg-Wilmersdorf. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) SPD-Charlottenburg-Wilmersdorf, abgerufen am 31. Mai 2020.
  16. Tim Renner Berlins Kultur braucht gut gemachte Ordnungspolitik. Berliner Zeitung, 15. September 2016
  17. Claus Peymann im Interview mit Peter Kümmel: „Der Renner muss weg!“ Die Zeit, Nr. 15/2015, 12. April 2015, abgerufen am 20. April 2015.
  18. „Ich will das Biest reiten“. Abgerufen am 14. Dezember 2019.
  19. Michael Müller zum Regierenden Bürgermeister von Berlin wiedergewählt – Senatorinnen und Senatoren ernannt. Der Regierende Bürgermeister Senatskanzlei, 8. Dezember 2016, abgerufen am 20. Juli 2017.
  20. Konstituierende Sitzung des Senats mit Personalentscheidungen. Der Regierende Bürgermeister Senatskanzlei, 8. Dezember 2016, abgerufen am 20. Juli 2017.
  21. RBB: Renner will in den Bundestag
  22. Tim Renner entscheidet SPD-Mitgliederbefragung für sich. Berliner Morgenpost, 26. Februar 2017, abgerufen am 20. Juli 2017.
  23. Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner kandidiert für den Bundestag. Berliner Zeitung, 17. März 2017, abgerufen am 20. Juli 2017.
  24. Ex-Kulturstaatssekretär Renner will in den Bundestag, Kulturnachrichten auf deutschlandfunkkultur.de vom 16. August 2020, abgerufen 17. August 2020
  25. Hakan Demir: Hakan Demir kämpft für die SPD: „Es ist wichtig, nahbar zu sein“. In: taz.de. 20. Februar 2021, abgerufen am 21. Februar 2021.