Travail allemand

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Die Travail allemand (TA, deutsch Deutsche Arbeit), auch „Travail antifasciste allemand“[1] oder „Travail Anti-Allemand“[2] war ein Sektor der Résistance, der nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich im Frühjahr 1940 vom Zentralkomitee (ZK) der Parti communiste français (KPF) geschaffen wurde. In ihm waren alle deutschsprachigen Mitglieder der 1924 gegründeten Organisation Main-d'Oeuvre immigrée (MOI) einbezogen, die von der KPF auch mit der Leitung der TA beauftragt wurde.[3] 1942/43 wurde sie Bestandteil der Nationalen Front Frankreichs. Die TA wurde von einem Dreierkopf (Triangel) geleitet, der seit Ende 1941 aus folgenden Personen bestand: Franz Marek (KPÖ), Otto Niebergall (KPD) und Artur London (tschechoslowakische KP).

Umfeld in Frankreich um 1940

In den 1930er Jahren lebten ca. 30.000 Deutsche und deutschsprachige Emigranten in Frankreich. Unter Ihnen waren mehrere Tausend Freiwillige, die für die Spanische Republik gekämpft hatten, viele Künstler, viele Wissenschaftler, viele Juden und andere rassisch Verfolgte, viele bürgerliche Demokraten, Gewerkschafter und verfolgte Politiker.

Mit der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht nach der Niederlage der Französischen Republik im Mai 1940, der der Sitzkrieg und der Westfeldzug vorausgegangen waren, waren diese Emigranten extrem bedroht. Viele versuchten zu flüchten, einige begingen auch Selbstmord, viele gingen in den Untergrund, versuchten zu überleben und begannen in unterschiedlichster Form den Widerstand gegen die Besatzungsmacht. In dieser Situation wurde die Travail allemand als spezielle Kampforganisation der Résistance gegründet, der insbesondere tausende deutschsprachige Untergrundkämpfer, aber auch Untergrundkämpfer aus praktisch allen Ländern Europas angehörten.[4]

Tätigkeit

Ziel der Arbeit der TA war es, in die faschistische Kriegsmaschine einzudringen und durch antifaschistische Aufklärung die faschistische Ideologie der Soldaten zu bekämpfen und für den Friedensgedanken in der deutschen Armee, den Dienst- und Verwaltungsorganen zu wirken.

Die Aktivitäten der TA gliederten sich überwiegend in folgende Bereiche: a) "Inter" = interregionale Instrukteure. Es gab etwa ein Dutzend Inter (davon zehn Österreicher), welche die Aufgabe hatten, in Verbindung mit der TA-Leitung (Paris) und den französischen Regionalleitern in strategisch wichtigen Regionen (vor allem in Nordfrankreich und an der Atlantikküste) die sogenannten „Eingebauten“ zu betreuen und mit illegalem Material zu versorgen. b) Die Eingebauten waren zumeist als Dolmetscher beschäftigt, entweder bei zivilen Dienststellen der deutschen Besatzungsmacht (z. B. "Organisation Todt") oder in Wehrmachtseinrichtungen, etwa bei Militärflugplätzen, Truppenübungsplätzen, Soldatenheimen usw.

Die wichtigsten Stützpunkte der österreichischen "Eingebauten" waren in Bordeaux, Lille und Boulogne-sur-Mer. Deutsche Widerstandskämpfer spielten hier nur eine sehr untergeordnete Rolle. Weiterhin waren die fast ausschließlich jüdischen Frauen, die in der sogenannten „Mädelarbeit“ eingesetzt wurden, ein integraler Bestandteil der TA. Sie traten als Elsässerinnen auf, um eine plausible Erklärung für die Kenntnisse der deutschen und französischen Sprache zu finden. Die Angehörigen der Mädelgruppe (zumeist zu zweit unterwegs) sprachen deutsche Wehrmachtssoldaten an, verwickelten diese in Gespräche und sondierten, ob sie für antifaschistische Propaganda zugänglich waren. Im positiven Fall übergaben sie ihnen Untergrundzeitungen, etwa den Soldat im Westen. Der Soldat im Westen wurde nach der Verhaftung des ersten Redakteurs (Hans Zipper, österreichischer Spanienkämpfer) bis 1944 fast ausschließlich von Franz Marek geschrieben[5] und in der Wohnung einer österreichischen Widerstandskämpferin in Paris vervielfältigt. Er erschien zeitweilig in einer Auflage von 60.000 Exemplaren pro Ausgabe. Schließlich gehörte zur TA auch die Tätigkeit der sogenannten „Streugruppen“, die aus Sicherheitsgründen zumeist in Gruppen von drei bis vier Personen auftraten. Ihre Aktionen fanden teils heimlich, teils öffentlich statt. Eine besonders spektakuläre Variante bestand darin, tagsüber hunderte Flugblätter aus fahrenden Straßenbahnen zu werfen und blitzschnell abzuspringen.

Nach der Besetzung Südfrankreichs durch die Wehrmacht (November 1942) wurde in Lyon eine eigene TA-Leitung etabliert, die von den Österreichern Oskar Grossmann und Paul Kessler geführt wurde. Unter ihrer Ägide entstand die Untergrundzeitschrift Soldat am Mittelmeer.

Zwischen November 1943 und August 1944 wurde die TA durch die enge Zusammenarbeit zwischen der französischen Polizei, der Sicherheitspolizei (Paris, Lyon) und der Gestapo Wien zerschlagen. Einige Wiener Gestapo-Beamte waren bereits im November 1943 zeitweilig nach Paris beordert worden. Die Wiener Gestapo spielte deshalb eine wichtige Rolle, weil ab November 1942 eine Reihe österreichischer Widerstandskämpfer in Frankreich, ebenfalls als Elsässer getarnt, nach Österreich zurückgekehrt waren und Kurierverbindungen dieser Widerstandskämpfer zwischen Wien und Paris bzw. Lyon existierten.

Von den österreichischen TA-Aktivisten wurden fast hundert Personen verhaftet (laut Franz Marek). Von den Deutschen waren es elf.[6]

Der territoriale Tätigkeitsbereich der TA erstreckte sich auch auf Belgien (vor allem Brüssel und Antwerpen), wo jedoch keine eigene Leitung existierte. Die Verbindungen zwischen Paris und Brüssel wurden von Mareks Lebensgefährtin Tilly Spiegel, später von dem österreichischen Spanienkämpfer Gustav Teply aufrechterhalten.

Rezeptionsgeschichte

Die Rezeption des Anteils deutschsprachiger Exilanten an der französischen Résistance war bis 1990 fast ausschließlich von der DDR-Historiographie dominiert, deren Kernaussagen in manchen Publikationen auch das Ende der DDR überlebten und zum Teil bis heute die Sicht auf diesen Bestandteil des Widerstands prägen, etwa bei Ulla Plener[7] oder Stefan Doernberg[8]. Geschichtsklitterungen und Verzerrungen in der DDR prägten auch die Darstellungen der TA. So wurde etwa der 1970 aus der KPÖ ausgeschlossene Franz Marek auch in der DDR zur „Unperson“ gestempelt und seine führende Tätigkeit in der TA mit keiner Silbe erwähnt. Weiterhin wurde die Entstehungsgeschichte der TA (wie des kommunistischen Widerstands in Frankreich insgesamt) bereits auf den Sommer oder Herbst 1940 vordatiert, um die verheerenden Auswirkungen des Hitler-Stalin-Pakts zu kaschieren und eine Kontinuität des Widerstands zu suggerieren. Als bemerkenswert muss ferner der Umstand gelten, dass der österreichische Anteil an der TA völlig marginalisiert, der Anteil deutscher Kommunisten jedoch übertrieben wurde.

Literatur

  • Hans Schafranek: Österreicher und Österreicherinnen im französischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung: Der „Travail Allemand“ (TA). In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes/DÖW (Hrsg.), Jahrbuch 2020, Wien 2020, S. 287-325, ISBN 978-3-901142-77-2.
  • Tanja von Fransecky: Bis ans Maul der Bestie. Nelly Klein – eine österreichische Jüdin im belgischen Widerstand. (= Publikationen der Gedenkstätte Stille Helden, Band 8). Metropol Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-86331-444-6.
  • Maximilian Graf u. a.: Franz Marek – Ein europäischer Marxist. Die Biografie. Mandelbaum Verlag, Wien 2019. ISBN 978385476-690-2.
  • Andrea Hurton: Österreicherinnen in der belgischen Résistance. Eine topographische und archivalische Spurensuche in Brüssel und Malines/Mechelen. In: Sebastian Bischoff, Christoph Jahr, Tatjana Mrowka, Jens Thiel (Hrsg.): "Belgium is a beautiful city?" Resultate und Perspektiven der Historischen Belgienforschung. Historische Belgienforschung herausgegeben vom Arbeitskreis Historische Belgienforschung im deutschsprachigen Raum, Band 5, Waxmann Verlag, Münster/New York 2018, S. 161-171. ISBN 978-3-8309-3777-7.
  • Maximilian Graf, Sarah Knoll (Hrsg.): Franz Marek. Beruf und Berufung Kommunist: Lebenserinnerungen und Schlüsseltexte. Mandelbaum Verlag, Wien 2017. ISBN 978385476-659-9.
  • Claude Collin: Le "Travail allemand", une organisation de résistance au sein de la Wehrmacht. Articles et témoignages. Les Indes Savantes, Paris 2013. ISBN 978-2-84654-352-1.[9]
  • Claude Collin: Le "Travail allemand": origines et filiations. In: Guerres mondiales et conflits contemporains 2008/2 (numéro 230).
  • Stéphane Courtois, Denis Peschanski, Adam Rayski: Le sang de l'étranger. Les immigrés de la MOI dans la résistance, Paris, Arthème, Fayard, 1989. ISBN 978-2213018898.
  • Josef Meisel: Jetzt haben wir Ihnen, Meisel! Kampf, Widerstand und Verfolgung des österreichischen Antifaschisten Josef Meisel (1911-1945). Wien 1985. ISBN 978-3900351434.
  • Dolly Steindling: Meine Jugend. Ein Bericht. Wiener Verlag 1990.
  • Dolly Steindling: Hitting Back : An Austrian Jew in the French Resistance (Studies and Texts in Jewish History and Culture). 2000
  • Karlheinz Pech: An der Seite der Résistance. Zum Kampf der Bewegung ‚Freies Deutschland’ für den Westen in Frankreich (1943–1945). Militärverlag der DDR: Berlin 1974
  • Dora Schaul (Hrsg.): Resistance. Erinnerungen deutscher Antifaschisten. 3. Aufl., Dietz-Verlag: Berlin 1985, darin insb. Otto Niebergall: Der antifaschistische deutsche Widerstandskampf in Frankreich – seine Leitung und Entwicklung. S. 21–58
  • Éveline Brès und Yvan Brès: Un Maquis d'antifascistes allemands en france. Languedoc/Chaleil: Montpellier 1987
  • Stefan Doernberg (Hrsg.): Im Bunde mit dem Feind. Deutsche auf alliierter Seite. Dietz Verlag GmbH Berlin, 1995. 384 S., 22 Abb., ISBN 3-320-01875-2.
  • Roland Pfefferkorn (Hrsg.): La résistance allemande contre le nazisme (actes du colloque de Strasbourg (18–19 mars 1997)). 2. ed., rev. et corr. Strasbourg: Association Nationale des Ancients Combattants de la Résistance, Comité régional Alsace.

Filme

  • Frankreichs fremde Patrioten – Deutsche in der Résistance. Regie: Wolfgang Schoen, Frank Gutermuth, Deutschland 2006, 53 min.
  • Du travail allemand au travail de memoire – Gerhard Leo, ein Deutscher in der Résistance, Bodo Kaiser, Deutschland 2003, 60 min.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Éveline Brès und Yvan Brès: Un Maquis d'antifascistes allemands en France. Languedoc/Chaleil: Montpellier 1987, S. 29.
  2. Heike Bungert: Das Nationalkomitee und der Westen. Franz Steiner Verlag, 1997, ISBN 978-3-515-07219-9
  3. Karlheinz Pech: An der Seite der Résistance. Zum Kampf der Bewegung ‚Freies Deutschland’ für den Westen in Frankreich (1943-1945). Militärverlag der DDR: Berlin 1974, S. 35.
  4. Ausstellung "Deutsche in der Résistance" Veranstalter: Verband DRAFD e.V., Erste Eröffnung: 1995
  5. Zur führenden Tätigkeit Mareks in der TA vgl. Maximilian Graf u. a.: Franz Marek - Ein europäischer Marxist. Die Biografie. Mandelbaum Verlag, Wien 2019, S. 78ff.
  6. laut einem Tätigkeitsbericht von Otto Niebergall, der im Bundesarchiv Berlin im Nachlass Franz Dahlem vorhanden ist
  7. Ulla Plener (Hrsg.): Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Bodoni, Berlin 2005, ISBN 3-929390-80-9.
  8. Stefan Doernberg: Im Bunde mit dem Feind. Deutsche auf alliierter Seite. Dietz Verlag, Berlin 1995, ISBN 978-3-320-01875-7.
  9. Buchankündigung