Umweltethik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Umweltethik ist die ethische Teildisziplin, die sich mit dem normativ richtigen und moralisch verantwortbaren Umgang mit der äußeren, nichtmenschlichen Natur befasst. Innerhalb der Umweltethik kann zwischen der philosophisch-ethischen und der politisch-rechtlichen Ebene sowie der praktischen Einzelfallarbeit unterschieden werden. Die geistige Auseinandersetzung auf philosophisch-ethischer Ebene führt zu unterschiedlichen Naturschutzbegründungen, die angeben, an welchen Werten sich menschliches Handeln gegenüber Natur orientieren soll.

Die Umweltethik ist ein relativ neuer Bereich der angewandten Ethik. Deshalb werden einige Begrifflichkeiten noch unterschiedlich gebraucht. Oft wird die Umweltethik beispielsweise auch als ökologische Ethik oder irrtümlich als Umweltphilosophie bezeichnet. Wichtige Teilbereiche der Umweltethik sind

  • die Tierethik, die sich mit dem moralisch verantwortbaren Umgang mit Tieren befasst;
  • die Naturethik, die den Umgang mit biologischen Einheiten wie Populationen, Arten, Biotopen, Ökosystemen oder Landschaften betrifft;
  • die Umweltethik im engeren Sinne, die sich mit dem Umgang mit natürlichen Ressourcen und Umweltmedien (beispielsweise Wasser, Boden, Klima, genetische Vielfalt) beschäftigt.

Verschiedene Positionen

Eine zentrale Frage der Umweltethik ist, welchen natürlichen Wesen oder Dingen ein absoluter Selbst- oder Eigenwert beigemessen werden sollte, welchen natürlichen Entitäten gegenüber also – wie gegenüber menschlichen Personen – eine moralische Verpflichtung um ihrer selbst willen besteht (Inklusionsproblem). Hierzu gibt es unterschiedliche Positionen. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Anthropozentrismus, Theozentrismus und Physiozentrismus.[1]

Im Anthropozentrismus bestehen moralische Verpflichtungen nur gegenüber Menschen; Natur ist nur schützenswert, sofern dies im instrumentellen oder auch nicht-instrumentellen (ästhetischen, symbolischen, identitätsstiftenden etc.) Interesse von Menschen ist. Anthropozentrische Positionen berücksichtigen die moralisch relevanten Interessen von Menschen, die auch zukünftige Generationen umfassen können. Eine wichtige anthropozentrische Position ist die Naturästhetik, die dem menschlichen Interesse am ästhetischen Wert der Natur eine hohe Bedeutung beimisst.

Im Theozentrismus gilt Natur als schützenswert nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie Wohnort, Schöpfung etc. eines göttlichen Wesens ist.

Im Physiozentrismus wird auch natürlichen Entitäten moralischer Selbstwert zugeschrieben. Während der so genannte Pathozentrismus (nur) allen schmerzempfindlichen Wesen moralischen Selbstwert zuschreibt, gehen Biozentrismus und Ökozentrismus bzw. Holismus darüber hinaus. Im Biozentrismus werden alle lebendigen Wesen als moralisch wertvoll betrachtet. Im Ökozentrismus steht das außermenschliche Haus, in dem die Lebewesen leben, im Mittelpunkt des ethischen Interesses, da das Individuum nicht ohne Umwelt und Umgebung auskommt.[2] Im Holismus werden alle Systeme und Lebewesen sowie nicht individuelle Wesenheiten der Natur (z. B. Arten, Ökosysteme oder die Biosphäre in ihrer Gesamtheit[3]) zum moralischen Objekt erhoben.

Die biotische Ethik ist ein Zweig der Ethik, der nicht nur Arten und Biosphären, sondern auch das Leben selbst schätzt. Auf dieser Grundlage definiert die biotische Ethik als einen menschlichen Zweck, das Leben zu sichern und zu verbreiten. Die panbiotische Ethik erweitert diese Prinzipien auf den Weltraum und versucht, das Leben in der Galaxie zu sichern und zu erweitern, beispielsweise durch gerichtete Panspermie.[4]

Kritikpunkte

Keine der Schlussfolgerungen von Naturschutzbegründungen sind zwingend, da sie nur naheliegend gegenüber ihren Alternativen sind. Diese Naturschutzbegründungen reichen nicht aus, um die ökologischen Probleme zu lösen, und aus ihnen können keine direkten Naturschutzziele abgeleitet werden. Sie bieten Staatsbürgern in der Praxis jedoch die notwendigen Begründungen und Einsichten, die auf der politisch-rechtlichen und der kasuistischen Ebene des Einzelfalls diskutiert und umgesetzt werden können. Die Umweltethik ersetzt damit aber keine sozialen und aktiven Bewegungen und würde ohne diese einem isolierten Spezialdiskurs gleichkommen.

Die Umweltethik kann zwar keinen Letztbeweis für den Eigenwert der Natur liefern, sie bietet aber eine ganze Reihe verschiedener Argumente, die für einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt sprechen (siehe auch: Argument der letzten Person). Nicht zuletzt sind hier Pflichten gegenüber zukünftigen Generationen und naturästhetische Argumente zu nennen. Sie unterscheidet sich von der Umweltphilosophie insofern, als diese nur Erklärungsmodelle, aber keine Handlungsrichtlinien liefert.

Literatur

  • Dieter Birnbacher (Hrsg.): Ökologie und Ethik Bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart: Reclam 2001, ISBN 3-15-009983-8.
  • Andreas Brenner: UmweltEthik. Ein Lehr- und Lesebuch, Fribourg: Paulus 2008, ISBN 978-3-7278-1631-4.
  • Forum österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz (Hrsg.): Umweltethik. Beiträge zur Grundlegung zukunftsverträglicher Werthaltungen. Wien 1994.
  • Martin Gorke: Bewahrung der Biodiversität vom Standpunkt einer holistischen Ethik, In: Naturschutz und Biologische Vielfalt, Bonn – Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz 2007, S. 125–144, ISBN 978-3-7843-3948-1.
  • Martin Gorke: Artensterben – Von der ökologischen Theorie zum Eigenwert der Natur. Stuttgart: Klett-Cotta 1999, ISBN 978-3-608-91985-1
  • Guido Hangartner: Waldethik – Theologisch-ethische Überlegungen zu Wald und Forstwirtschaft – Eine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Umwelt- und Sozialethik, München: Herbert Utz 2002, ISBN 3-8316-0207-7.
  • Vittorio Hösle: Philosophie der ökologischen Krise, München: Beck 1991, ISBN 3-406-38368-8.
  • Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1979.
  • Angelika Krebs (Hrsg.): Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997, ISBN 3-518-28862-8.
  • Kirsten Meyer: Der Wert der Natur. Begründungsvielfalt im Naturschutz, Paderborn: mentis 2003.
  • Konrad Ott: Umweltethik zur Einführung, 2. Auflage, Hamburg: Junius 2014, ISBN 978-3-88506-677-4.
  • Konrad Ott: Umweltethik, in: Kirchhoff, Thomas (Hg.): Online Encyclopedia Philosophy of Nature / Online-Lexikon Naturphilosophie, Universitätsbibliothek Heidelberg: Heidelberg 2020, ISSN 2629-8821, doi:10.11588/oepn.2020.0.68742.
  • Konrad Ott, Martin Gorke (Hrsg.): Spektrum der Umweltethik, Hamburg: Metropolis 2000, ISBN 3-89518-289-3.
  • Dietmar von der Pfordten: Ökologische Ethik. Zur Rechtfertigung menschlichen Verhaltens gegenüber der Natur, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1996, ISBN 3-499-55567-0.
  • Gerhard Pretzmann (Hrsg.): Umweltethik. Manifest eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur, Graz: Stocker 2001.
  • Peter Singer: Praktische Ethik, Stuttgart: Reclam 1994, ISBN 3-15-008033-9.
  • Patrick Spät: Zur Würde des Lebendige, in: Post-Physikalismus, hrsg. von Marcus Knaup, Tobias Müller und Patrick Spät, Freiburg i.Br.: Karl Alber 2011, S. 352–378, ISBN 978-3-495-48464-7.
  • Werner Theobald: Umweltethik und die Realität des Umwelthandelns am Beispiel Klimaschutz. In: Umweltwissenschaften und Schadstoffforschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie 16(4), S. 219–222 (2004), ISSN 0934-3504.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ott, Konrad: Umweltethik. In: Kirchhoff, Thomas (Hg.): Online Encyclopedia Philosophy of Nature / Online-Lexikon Naturphilosophie. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2020, doi:10.11588/oepn.2020.0.68742.
  2. Christoph Sebastian Widdau: Einführung in die Umweltethik. 1. Auflage. Reclam, Ditzingen 2021, ISBN 978-3-15-961884-5, S. 112–117.
  3. Martin Gorke: "Bewahrung der Biodiversität vom Standpunkt einer holistischen Ethik", In: Naturschutz und Biologische Vielfalt, Bonn - Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz 2007, S. 127, ISBN 978-3-7843-3948-1.
  4. Matt Williams: Seeding the Milky Way with life using 'Genesis missions'. In: phys.org. 21. Januar 2019, abgerufen am 13. Juni 2020 (englisch).

Weblinks