Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich

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Der Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich (VSStÖ)[1] ist eine sozialistische Studierendenorganisation an den österreichischen Hochschulen und Fraktion in der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH). Der VSStÖ ist statutarisch in den Parteistrukturen der SPÖ verankert und stellt drei ordentliche Delegierte beim SPÖ-Bundesparteitag.[2] Derzeitige Bundesvorsitzende ist Hannah Czernohorszky.

Der VSStÖ ist unter anderem in den österreichischen Universitätsstädten Wien, Graz, Linz, Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck und Leoben vertreten und stellt aktuell die stellvertretende Vorsitzende der ÖH-Bundesvertretung.[3][4]

Geschichte

Datei:VSStÖ Gründung.jpg
Foto von der VSStÖ-Gründung

Als erste Vorläuferorganisation des VSStÖ konstituierte sich 1893 in Wien die Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten.[5] Gründungsobmann wurde Max Adler. Im Zuge der Revolution 1918/19 gründeten sich auch in Innsbruck und Graz sozialistische Studierendenorganisationen. 1922 schlossen sich die Gruppen in Wien, Graz und Innsbruck dem damals noch großdeutsch orientierten Verband Sozialistischer Studenten (ab 1929: Sozialistische Studentenschaft Deutschlands und Österreichs) an. In der Ersten Republik machte der Widerstand gegen deutschnationale und antisemitische Umtriebe an Österreichs Universitäten die sozialistischen Studierenden zu Zielscheiben rechtsextremer Gewalt. Im Austrofaschismus und dem späteren Nationalsozialismus wurde der Verband verboten.[6]

Vorsitzende des VSStÖ seit 1946[7]
Jahr Vorsitzender
1946–1947 Raoul Schmiedeck
1947–1949 Heinz Damian
1949–1950 Fritz Marsch
1950–1951 Ferdinand Maly
1951–1952 Peter Proksch
1952–1954 Günter Haiden
1954–1956 Karl Blecha
1956–1957 Peter Jankowitsch
1957–1960 Günter Steinbach
1960–1962 Franz Bauer
1962–1963 Hannes Androsch
1963–1964 Kurt Hawlitschek
1964–1966 Helmut Sommer
1966–1967 Günter Rehak
1967–1968 Günter Blecha
1968–1969 Silvio Lehmann
1969–1970 Herbert Ostleitner
1970–1971 Kurt Puchinger
1971–1973 Johann Dvorák
1973–1974 Fritz Weber
1974–1975 Manfred Matzka
1975–1977 Michael Häupl
1977–1979 Karl Öllinger
1979–1980 Walter Schwarzenbrunner
1980–1982 Herbert Buchinger
1982–1983 Kurt Stürzenbecher
1983–1984 Alexander Wrabetz
1984–1985 Marc Hall
1985–1988 Bernhard Heinzlmaier
1988–1989 Josef Kletzmayr
1989–1991 Karin Kern-Wessely
1991–1992 Erich König
1992–1993 Alfred Kausl
1993–1995 Agnes Berlakovich
1995–1997 Julian Jäger
1997–1999 Eva Czernohorszky
1999–2000 Jürgen Wutzlhofer
2000–2001 Dagmar Hemmer
2001–2003 Eva Schiessl
2003–2005 Andrea Brunner
2005–2007 Sylvia Kuba
2007–2008 Ilia Dib
2008–2009 Maria Maltschnig
2009–2010 Sophie-Marie Wollner
2010–2011 Stefanie Grubich
2011–2012 Mirijam Müller
2012–2014 Jessica Müller
2014–2015 Rasha Abd El Mawgoud
2015–2017 Katrin Walch[8]
2017–2019 Katharina Embacher[9]
2019–2020 Marlene Spitzy[10]
2020–2022 Dora Jandl
seit 2022 Hannah Czernohorszky

Nach 1945 war der wiedergegründete VSStÖ an der Gründung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) beteiligt. Der VSStÖ kämpfte – relativ erfolglos – gegen die Rückkehr von (ehemaligen) Nazis an die Hochschulen und die Verbreitung von nazistischem Gedankengut in Lehrveranstaltungen an. Mitte der sechziger Jahre schrieb zum Beispiel das damalige VSStÖ-Mitglied und spätere Finanzminister Ferdinand Lacina die antisemitischen Äußerungen des Wiener Wirtschaftsprofessors Taras Borodajkewycz in einer Vorlesung mit. Nach politischen Turbulenzen und heftigen Protesten, die vor allem auf Wirken des späteren Bundespräsidenten Heinz Fischer ins Rollen kamen, wurde 1965 bei einer Demonstration der ehemalige KZ-Häftling und Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem Burschenschafter erschlagen. Im Zuge der Auseinandersetzungen um die Geschehnisse musste Borodajkewycz sein Amt aufgeben.[6][11]

Der Verband erreichte Anfang der 1980er Jahre im Zusammenhang mit den Universitätsreformen unter Bruno Kreisky und Wissenschaftsministerin Firnberg hohe Wahlergebnisse. Danach begann eine Serie von Wahlniederlagen bei den alle zwei Jahre stattfindenden ÖH-Wahlen, die bis Mitte der 1990er Jahre andauerte und parallel zu den Niederlagen der SPÖ verlief. 1995 konnte der VSStÖ zusammen mit anderen linken und liberalen Gruppen erstmals die konservative Mehrheit an der ÖH-Spitze brechen und die erste Vorsitzende in der Geschichte der ÖH stellen. Nach den ÖH-Wahlen 2001 wurde abermals zusammen mit den Grünen & Alternativen Student_Innen (GRAS) eine rot-grüne Koalition in der ÖH-Bundesvertretung gebildet, die 2003 und 2005 von den Studierenden wiedergewählt wurde, 2005 wurde der VSStÖ sogar erstmals mandatsstärkste Studentenvertretung. Bei der Wahl 2007 büßte der VSStÖ 4 Mandate ein und verlor damit zwar seine Mandatsführerschaft, stellte aber gemeinsam mit der GRAS und den Fachschaftslisten Österreichs erneut die Exekutive. Nach weiteren Verlusten konnte 2011 wieder dazugewonnen werden. Im Jahr 2014 ist es zu einer umfangreiche Novelle des Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetzes gekommen[12]. Nach der Wiedereinführung der Direktwahl verlor der VSStÖ zunächst, konnte aber bei den ÖH Wahlen 2017 wieder 4 Mandate dazu gewinnen und erneut die ÖH Vorsitzende stellen.

Auch bei den ÖH-Wahlen 2019 erzielte der VSStÖ einen Zugewinn von einem Mandat, wurde aber von der GRAS knapp überholt. Es bildete sich erneut eine Zusammenarbeit zwischen GRAS, VSStÖ und FLÖ, die nach einem Jahr im September 2020 zerbrach. Daraufhin übernahm eine AG-Mandatarin den ÖH-Vorsitz und die ÖH Bundesvertretung arbeitete mit wechselnden Mehrheiten. Bei den ÖH-Wahlen 2021 erzielte der VSStÖ mit Spitzenkandidatin Sara Velic den ersten Platz und damit ein historisches Ergebnis. Seit 1. Juli 2021 arbeitet wieder eine Koalition aus VSStÖ, GRAS und FLÖ, angeführt von Sara Velic als ÖH-Vorsitzender.

Politische Position

Das politische Engagement erfolgt hauptsächlich im sozialpolitischen Bereich: hier sind die Hauptforderungen die Abschaffung bestehender Studiengebühren und eine bessere Studienförderung, hin zu einer echten sozialen Absicherung von Studierenden. Weitere Schwerpunkte sind die Frauenpolitik und die Gleichberechtigung ausländischer Studierender. Innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) tritt der VSStÖ für eine „linkere“ Politik ein. Der VSStÖ ist Mitglied der International Union of Socialist Youth (IUSY) und der Young European Socialists (YES).

Wahlergebnisse

Der VSStÖ kandidiert bei den ÖH-Wahlen. Die nachfolgende Tabelle zeigt die erreichten Prozente bei den vergangenen Wahlen.

1989 20,0 %
1991 15,5 %
1993 13,8 %
1995 10,4 %
1997 12,4 %
1999 15,1 %
2001 21,5 %
2003 20,4 %
2005 23 % (16 Mandate in der Bundesvertretung)
2007 16,95 % (11 Mandate in der Bundesvertretung)
2009 14,28 % (8 Mandate in der Bundesvertretung)
2011 17,48 % (12 Mandate in der Bundesvertretung)
2013 17,04 % (12 Mandate in der Bundesvertretung)
2015 14,95 %[13] (8 Mandate in der nur mehr 55 Mandate großen Bundesvertretung)
2017 20,54 %[14] (12 Mandate in der nur mehr 55 Mandate großen Bundesvertretung)
2019 22,44 %[15] (13 Mandate in der nur mehr 55 Mandate großen Bundesvertretung)
2021 24,6 %[16] (14 Mandate in der nur mehr 55 Mandate großen Bundesvertretung)

Exekutiven der ÖH-Bundesvertretung mit VSStÖ-Beteiligung

  • 1995–1997 Koalition von VSStÖ, GRAS, LSF, FLÖ und KSV
  • 2001–2003 Koalition von GRAS und VSStÖ (bis 2002 inkl. KSV)
  • 2003–2005 Koalition von GRAS und VSStÖ
  • 2005–2007 Koalition von VSStÖ und GRAS
  • 2007–2008 Koalition von GRAS, FLÖ und VSStÖ (im Juni 2008 vorzeitig beendet)
  • 2009–2011 Koalition von GRAS, FEST und VSStÖ
  • 2011–2017 Koalition von GRAS, FLÖ, VSStÖ und FEST
  • 2017–2020 Koalition von VSStÖ, GRAS und FLÖ[17]
  • seit 2021 Koalition von VSStÖ, GRAS und FLÖ

Literatur

  • Marie Tidl: Die Roten Studenten. Dokumente und Erinnerungen. 1938–1945. 1976.
  • Wolfgang Speiser: Die sozialistischen Studenten Wiens. 1927–1938. Vorwort von Heinz Fischer. Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung, Europaverlag, Wien 1986, ISBN 3-203-50949-0.
  • Ariane Heilingsetzer, Maria Mesner, Heinz Rögl, Fritz Weber (Hrsg.): Zur Geschichte des Verbandes sozialistischer Studenten Österreichs (VSSTÖ) 1945–1970. 1989.
  • Helge Zoitl: „Student kommt von Studieren!“ Zur Geschichte der sozialdemokratischen Studentenbewegung in Wien. 1992.
  • Hans-Peter Weingand, Werner Winkler: Diese Welt muss unser sein – Die sozialistischen Studierenden in Graz 1919–1991. Graz 1992.
  • Paulus Ebner, Karl Vocelka: Die zahme Revolution. ’68 und was davon blieb. 1998.
  • Sigrid Nitsch: Die Entwicklung des allgemeinpolitischen Vertretungsanspruches innerhalb des Verbandes Sozialistischer StudentInnen Österreichs (VSStÖ) in Wien im Zeitraum von 1965 bis 1973 (PDF; 2,46 MB) 2004
  • Martin Amschl, Hans-Peter Weingand: StudentInnen, hört die Signale! 100 Jahre Verband Sozialistischer StudentInnen Graz. 1918-2018. 2018.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. zvr.bmi.gv.at Zentrales Vereinsregister: ZVR Nummer: 687701153, abgerufen am 4. September 2015.
  2. SPÖ Organisationsstatut (PDF; 253 kB) SPÖ; abgerufen am 24. April 2017.
  3. Wir in der ÖH. VSStÖ, abgerufen am 25. September 2022.
  4. Vorsitz. Österreichische Hochschüler_innenschaft, abgerufen am 25. September 2022.
  5. https://rotbewegt.at/epoche/einst-jetzt/artikel/die-geschichte-des-verband-sozialistischer-student_innen-vssto
  6. a b Verband Sozialistischer Studenten Österreichs (VSStÖ). In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.)
  7. Geschichte des VSStÖ, Seite 4. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 31. Dezember 2013.@1@2Vorlage:Toter Link/home.vsstoe.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  8. [1] Zentrales Vereinsregister: ZVR Nummer: 687701153, abgerufen am 4. September 2015
  9. VSStÖ: LFU-Studentin Katharina Embacher zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt. In: OTS.at. (ots.at [abgerufen am 22. August 2017]).
  10. VSStÖ: Marlene Spitzy zur Bundesvorsitzenden gewählt. In: OTS. Austria Presse Agentur, 7. Juli 2019, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  11. rotbewegt.at
  12. RIS - Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 12.07.2018. Abgerufen am 12. Juli 2018.
  13. wahlergebnisse2015.oeh.ac.at Wahlergebnisse ÖH Wahlen 2015; abgerufen am 4. September 2015
  14. wahlergebnisse2017.oeh.ac.at Wahlergebnisse ÖH Wahlen 2017; abgerufen am 4. September 2017
  15. ÖH Wahl 2019 Ergebnisse. Abgerufen am 29. Mai 2019.
  16. Hier sind die Ergebnisse der ÖH-Wahl 2021 im Detail. 20. Mai 2021, abgerufen am 2. Juli 2021.
  17. ORF at/Agenturen red: Wiederauflage von linker ÖH-Koalition gescheitert. 16. September 2020, abgerufen am 21. September 2020.