Verfassung der Republik China

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Die Verfassung der Republik China (Taiwan) (Chinesisch: 中華民國憲法; Pinyin: Zhōnghuá Mínguó Xiànfǎ) beinhaltet die zentralen Rechtsdokumente und verfassungsrechtlichen Grundsätze der Republik China. Die erste, vorläufige Verfassung wurde vom Vorparlament am 11. März 1912 verabschiedet. 1946 wurde die heute noch gültige Verfassung entwickelt und 1947 in Kraft gesetzt.

Geschichte

Wegen innerer Unruhen und Herrschaften durch regionale Warlords brach das chinesische Kaiserreich zusammen und am 1. Januar 1912 wurde die Republik China ausgerufen. Im März 1912 trat dann eine „Provisorische Verfassung der Republik China“ in Kraft[1]. Nach der Chinesischen Wiedervereinigung 1928 entwickelte die Nationalregierung das Organisationsgesetz, welches aber noch keiner Verfassung entsprach.[2]

Auf Druck der Bevölkerung hin wurde 1931 die „Vorverfassung“ verabschiedet, die bis 1947 gültig war, obwohl sie weder rechtsstaatlichen, noch demokratischen Anforderungen entsprach. Sie stellte eher einen Machterhalt der Kuomintang (KMT, Chinesisch: 中國國民黨, Pinyin: Zhōngguó Guómíndǎng), der Nationalen Volkspartei Chinas, dar. 1936 wurde ein neu bearbeiteter Verfassungsentwurf vorgestellt, diesen lehnte das Volk allerdings ab.[3]

1946 fand eine verfassungsgebende Nationalversammlung statt, die von der Kommunistischen Partei Chinas (Chinesisch: 中國共產黨, Pinyin: Zhōngguó Gòngchǎndǎng) boykottiert wurde. Trotzdem wurde eine Verfassung entwickelt und 1947 als erste „Verfassung der Republik China“ verabschiedet. Sie besteht insgesamt aus 56 Kapiteln und 7 zusätzlichen Artikeln. Diese ist bis heute in Taiwan gültig.

Die Wahl des ersten Präsidenten Chiang Kai-shek (Chinesisch: 蔣介石, Pinyin: Jiǎng Jièshí), der seit 1938 Vorsitzender der KMT war, fand 1948 statt. Im selben Jahr traten die „Provisorischen Artikel während der Periode der Mobilmachung zur Niederschlagung der Rebellion“ (kurz: Prov. Art.) in Kraft. Sie stellten formell zwar keine Veränderung der Verfassung dar, verdrängten diese aber teilweise und sprachen dem Präsidenten mehr Macht zu. Nachdem 1949 die Volksrepublik China ausgerufen worden war bezog sich die Republik China nur noch auf Taiwan und ein paar kleineren Inseln. Die Verfassung und die „Provisorischen Artikel“ bezogen sich allerdings weiterhin auf die Republik China als Gesamtchina. Die Taiwanesische Regierung änderte dies aus mehreren Gründen nicht: zum einen stellte es einen hohen politischen Symbolwert dar und zum anderen drohte und droht die Gefahr durch die Volksrepublik China, die daran interessiert ist, sich als ein vereintes China darzustellen. Somit wird durch Taiwan bis heute an der verfassungsrechtlichen Einheit Chinas festgehalten. Allerdings entstanden auch Probleme, da die Verfassung nicht direkt auf Taiwan bezogen und so zum Teil zu generell ist. Es wurde versucht, diese durch Verfassungsergänzungen von 1991, 1992, 1994, 1997, 1999, 2000 und 2005 zu lösen.

Verfassungsinhalt

Der Plan um eine Verfassung Gesamtchinas zu erreichen, wurde vor der Teilung Chinas von Dr. Sun Yatsen erarbeitet. Die wesentlichen Ziele sind die Wiederherstellung der Einheit Chinas und die politische Unterweisung der Bevölkerung.[3]

Der Plan lässt sich in 3 Phasen aufteilen:

  1. „Phase der Militärherrschaft“ (Chinesisch: 军政, Pinyin: jūnzhèng) = China mit Waffengewalt einigen → 1928
  2. „Phase der Herrschaft durch Unterweisung“ (Chinesisch: 驯政, Pinyin: xùnzhèng) = chinesisches Volk politisch durch Nationalregierung unterweisen → 1928–1946
  3. „Herrschaft kraft Verfassung“ (Chinesisch: 宪政, Pinyin: xiànzhèng) = Erarbeitung einer Verfassung → ab 1946

Durch die Verfassung sollte die Regierung an die „Drei Prinzipien des Volkes“[4] gebunden werden:

  • Prinzip der Volksgemeinschaft (Chinesisch: 民族主義, Pinyin: mínzú zhǔyì) ≙ Nationalismus
  • Prinzip der Volksrechte (Chinesisch: 民權主義, Pinyin: mínquán zhǔyì) ≙ Demokratie
  • Prinzip der Volkswohlfahrt (Chinesisch: 民生主義, Pinyin: mínshēng zhǔyì) ≙ Befriedigung von Lebensbedürfnissen

Das Konzept der Verfassung von 1947 basiert auf Suns „Lehre der Unterscheidung von Macht des Volkes und Fähigkeit der Regierung“. Die Verfassung unterscheidet zwischen den Gewalten der Regierenden und den Gewalten der Regierten (des Volkes).

Die 4 Gewalten des Volkes sind:

  • Wahl einer Regierung
  • Abwahl einer Regierung
  • Gesetzesinitiative
  • Referendum

Letzteres wird durch die Nationalversammlung ausgeübt, die den Präsidenten wählt und für Verfassungsänderungen zuständig ist.

Die 5 Gewalten der Regierung (Zweig=Yuan= 院) setzen sich wie folgt zusammen:

  • Gesetzgebung – Legislativ-Yuan (Chinesisch: 立法院, Pinyin: Lìfǎ Yuàn) nach Art. 62 ≙ Parlament
  • Verwaltung – Exekutiv-Yuan (Chinesisch: 行政院, Pinyin: Xíngzhèng Yuàn) nach Art. 53 ≙ Regierung
  • Rechtsprechung – Justiz-Yuan (Chinesisch: 司法院, Pinyin: Sīfǎyuàn) nach Art. 77 ≙ Justizwesen
  • Prüfung – Prüfungs-Yuan (Chinesisch: 考試院, Pinyin: Kǎoshì Yuàn) nach Art. 83 ≙ Prüfung, Leitung des öffentlichen Diensts
  • Kontrolle – Kontroll-Yuan (Chinesisch: 監察院, Pinyin: Jiānchá Yùan) nach Art. 90 ≙ ständiger parlamentarischer Untersuchungsausschuss, kontrolliert Regierung

Das System der 5 Gewalten stellt eine Mischung aus präsidialen und parlamentarischen Elementen dar, eine Art Synthese zwischen dem altchinesischen Beamtenstaat und dem modernen Volksstaat. Durch die zahlreichen Reformen und Zusätze sind allerdings rechtstechnische Ungereimtheiten entstanden, durch die die Verfassung krisenanfällig erscheint.

Abschnitte der Verfassung

Präambel

I. Allgemeine Bestimmungen (Art. 1 - 6)

II. Rechte und Pflichten des Volkes (Art. 7 - 24)

III. Die Nationalversammlung (Art. 25 - 34)

IV. Die Präsidentschaft (Art. 35 - 52)

V. Administration (Art. 53 - 61)

VI. Legislatur (Art. 62 - 76)

VII. Judikative (Art. 77 - 82)

VIII. Prüfung (Art. 83 - 89)

IX. Kontrolle (Art. 90 - 106)

X. Mächte der zentralen und lokalen Regierung (Art. 107 - 111)

XI. System der Lokalverwaltung (Art. 112 - 128)

XII. Wahl, Abruf, Initiative und Referendum (Art. 129 - 136)

XIII. Grundsätzliche Nationalpolitik (Art. 137 - 169)

XIV. Durchsetzung und Änderung der Verfassung (Art. 170 - 175)[5]

Eine theoretisch mögliche neue Verfassung ist sehr unwahrscheinlich, da für ihr Entstehen eine Dreiviertelmehrheit im Legislativ-Yuan zustande kommen müsste.

Literatur

  • Neukirchen, Mathias: „Die Verfassung der Republik China (Taiwan)“. In: Bryde, Brun-Otto/Kunig, Philip/Hernekamp, Karl-Andreas (Hg.): Verfassung und Recht in Übersee. Law and Politics in Africa, Asia and Latin America. Hamburg: Hamburger Gesellschaft für Völkerrecht und Auswärtige Politik e.V., 2005. ISSN 0506-7286, S. 418–452.
  • Wang, Yinhong: Verfassungskontrolle in China. Eine historische und politische Darstellung. 1. Berlin: LIT Verlag, 2016. ISBN 3643507534, S. 52–63.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Provisorische Verfassung der Republik China. 4. Februar 2006. Abgerufen im .
  2. Bernd Martin: Deutsch-chinesische Beziehungen 1928-1937: 'Gleiche' Partner unter 'ungleichen' Bedingungen - eine Quellensammlung. Akademie Verlag, Berlin 2003, ISBN 9783050029856, S. 139.
  3. a b Mathias Neukirchen: Verfassung und Recht in Übersee: Law and Politics in Africa, Asia and Latin America - Die Entstehungsgeschichte der Verfassung von 1947. Hamburger Gesellschaft für Völkerrecht und Auswärtige Politik e.V., Hamburg 2005, S. 425 - 427.
  4. Johannes Chang: Jahrbuch des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster: Sun Yat-sen - Seine Lehre und seine Bedeutung. Wilhelms-Universität Münster, Münster 1960, S. 179-184.
  5. Office of the President: Republic of China (Taiwan): Constitutional Chapters. 27. Januar 2017. Abgerufen im .