Villa Neizert

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Villa Neizert (ca. 2000)
Abbruch der Villa Neizert, Niederbieber Rasselstein (2002)

Die Villa Neizert war ein repräsentatives, großbürgerliches Wohnhaus in Neuwied, das nach einem fast 20 Jahre dauernden Rechtsstreit im Jahr 2002 abgerissen wurde.

Geschichte

Um 1888 ließ Friedrich Remy (1849–1903), der älteste Sohn des Werkseigentümers der Rasselstein-Werke, Albert Remy, gegenüber dem von ihm 1877 erweiterten Blechwalzwerk für sich und seine Familie ein, im Grundbuch als „palastartig“ benanntes, Wohngebäude mit großzügiger Parkanlage errichten.

Die Familie Remy bewohnte die Villa bis 1903. Danach bezog der, mit der Familie Remy verwandte, Kommerzienrat Carl Neizert (1881–1932) mit seiner Familie das Anwesen. Seitdem war das Haus unter dem Namen Villa Neizert in Neuwied bekannt.

Von 1960 bis circa 1970 nutze die Firma Rasselstein die Villa für Verwaltungszwecke und als Labor und schließlich bis 1980 als Büro der betriebseigenen Krankenkasse.

Architektur

Die Villa wurde im Baustil des Historismus errichtet. Große Rundfenster im ersten Stock, ein risalitartig vortretender Mittelbau sowie das hohe Mansarddach riefen die üppige französische Barockarchitektur in Erinnerung. Die beiden nach hinten verlängerten Seitenfronten zeichneten sich ebenfalls durch Mittelrisalit und hohe Giebelaufbauten aus. Die Außenwände waren mit gelben Verblendklinker und Naturstein-Eckquadern verkleidet. Ein ausladendes Hauptgesims mit Zahnschnitt schmückte die Fassade. Die ehemals schmückenden Dachaufbauten sind auf dem obigen Foto bereits entfernt.

Der Architekt ist unbekannt.

Die Villa Neizert nach 1980

Bereits 1981 hatte die Firma Rasselstein AG, mittlerweile Rasselstein GmbH, bei der Stadtverwaltung Neuwied die Genehmigung für den Abbruch der Villa Neizert beantragt. Als Begründung gab sie an, dass eine wirtschaftliche Nutzung nicht mehr gegeben und eine Erhaltung des Bauwerkes nicht zumutbar sei. Das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz beantragte daraufhin die förmliche Feststellung als geschütztes Denkmal. Am 14. Juni 1983 wurde das Anwesen schließlich nach § 8 des DSchPflG von der Kreisverwaltung als Kulturdenkmal ausgewiesen.

Die Rasselstein AG, als Eigentümerin, legte Widerspruch ein und bekam Unterstützung von dem Kreisrechtsausschuss der wie folgt argumentierte:

„[…] Mit einem derartigen Stilgemisch, wie es die „Villa Neizert“ aufweist, sind noch zahlreiche andere Gebäude im Kreis Neuwied vorhanden […]“

Das mit dem Fall betraute Verwaltungsgericht Koblenz bestellte daraufhin Frau Prof. Dr.-Ing. Ingeborg Schild von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen als Fachgutachterin. Das von ihr erstellte Gutachten stellte 1985 fest:

„Die Villa Neizert ist aufgrund der zuvor dargelegten Spezifika ihrer Grundrisskonzeption, ihrer inneren Organisation und Ausgestaltung, ihres Baukörpers und ihrer Fassaden ein hervorragendes Zeugnis des künstlerischen Schaffens ihrer Entstehungszeit […]. Als einem hervorragenden Beispiel einer Villa der Neurenaissance nach dem Leitbild französischer Schlossbaukunst der Renaissance besteht an der Erhaltung und Pflege der Villa Neizert aus wissenschaftlichen und künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse.“

Am 25. Juli 1985 stellte das Oberverwaltungsgericht Koblenz ein „öffentliches Interesse“ und somit eine Unterschutzstellung der Villa Neizert fest. Gegen dieses Urteil legte die Eigentümerin Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ein und verwies wiederholt auf eine finanzielle Unzumutbarkeit des mittlerweile baufällig gewordenen Gebäudes. Vor der Presse wurden die Kosten für eine Instandsetzung mit „mehreren Millionen Mark“ angegeben.

Der Rasselstein AG wurde ein „kontrollierter“ Verfall der Villa vorgeworfen. So verschwand bei einem Einbruch 1986 eine ganze Marmortreppe mit handgeschmiedetem Treppengeländer aus der Villa. Die Rheinzeitung am 10. Dezember 1986:

„[…] Marmorstufen und Treppengeländer können nach Ansicht der Kriminalpolizei nur mit einem schweren Lastwagen transportiert werden […]“

Nachdem, mit Urteil vom 3. April 1987, das Oberverwaltungsgericht Koblenz die hohe Bedeutung der Villa als Kulturdenkmal bestätigte legte die Rasselstein AG wiederholt Berufung ein. Am 14. Februar 1991 setzte das Oberverwaltungsgericht Koblenz das Berufungsverfahren aus und leitete dem Bundesverfassungsgericht den Fall zu.

1993 erteilte das Landesdenkmalamt einen Zuschuss in Höhe von 100.000 DM zur Notsicherung des Daches, nachdem die Rasselstein AG bereits 1992 erklärt hatte:

„[…] dass wir bei unserer bisherigen Meinung verbleiben, dass die Villa Neizert kein erhaltenswertes Denkmal ist und dass uns zumindest Wiederherstellungsaufwendungen nicht mehr zuzumuten sind.“

Das Bundesverfassungsgericht entschied 2002 zugunsten der Rasselstein AG und gab mit Bescheid vom 25. März 2002 das Recht das „unzumutbare“ Gebäude abzureißen. Die Rheinzeitung notierte:

„Jetzt ist es endgültig: Die Villa Neizert wird abgerissen. Nach einem über 20 Jahre dauernden Streit über den möglichen Erhalt des denkmalgeschützten Hauses ist dessen Schicksal nun besiegelt.“

Popularität

Aufgrund ihres „unheimlichen“ Äußeren, Erzählungen über Unglücksfälle und von „geisterhaften Erscheinungen“, wurde die Villa Neizert, unter anderem als Villa Rasselstein, in zahlreichen Spuk- und Geisterforen von Okkultisten, vereinzelt auch im Volksglauben, zum „verfluchten Spukhaus“ verklärt. Kurz nach dem Unfalltod des Unternehmers Carl Remy verstarb seine Frau. Alle Bewohner, die danach das Anwesen bezogen, erkrankten schwer oder fanden einen plötzlichen Tod.[1] Die Villa war überregional bekannt und ihr Abriss löste Bestürzung bei Bürgern und Denkmalschützern aus.

Literatur und Quellen

  • Kurt Frein: Villa Neizert – Die Folgen? In: Baudenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 57, 2003, S. 90–95.
  • Paul-Georg Custodis: Die Villa Neizert in Neuwied – Chronologie eines Untergangs. In: Baudenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 57, 2003, S. 96–100.

Beides aus:

Einzelnachweise

  1. Jessica Boesler: Die Gespenstervilla. In: Halloween im Büro. (Memento vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) In: Financial Times Deutschland. 31. Oktober 2012. Abgerufen am 6. November 2012.

Weblinks