Vovinam
Vovinam Viêt Võ Dao ist eine Kampfkunst aus Vietnam.
Vovinam wird ohne und mit Waffen ausgeübt. Es basiert auf dem Prinzip der Harmonie zwischen hart und weich. Es umfasst auch das Training des gesamten Körpers und nutzt Kraft und Reaktion des Gegners.
- Vo (Võ) bedeutet Kampfkunst
- Vinam steht für „Vietnam“
Allgemeines
Vovinam Viêt Võ Dao wurde neben der Selbstverteidigung auch mit dem Ziel der Gesundheiterhaltung und der persönlichen Entwicklung kreiert.
Vovinam umfasst Hand- und Ellenbogentechniken, Fußtritte, Fußfeger, Würfe und Hebeltechniken. Trainiert werden Angriffs- und Abwehrtechniken, Befreiungstechniken, Formen, Freikampf und der traditionelle Ringkampf.
Selbstverteidigungstechniken behandeln unter anderem die Verteidigung gegen Würgen, Festhalten, Messer- sowie Schwertangriffe.
Fortgeschrittene lernen, die Techniken vielfältig zu kombinieren und sich gegen bewaffnete Gegner zu verteidigen. In der Trainerstufe wird der Umgang mit traditionellen Waffen, wie Langstock, Messer, Schwert, Säbel, Hellebarde und Axt geübt. Die Waffen dienen als Trainingsgeräte zur Erlangung einer optimalen Körperbeherrschung. Äußerste Konzentration ist erforderlich.
Prinzip: Hart und weich in Harmonie
Die Yin-und-Yang-Theorie (vietnamesisch „Âm-Dương“)[1] besagt, dass alle Geschehnisse im Universum durch das ständige Wechselspiel von Yin (negativ) und Yang (positiv) bewirkt werden. Gemäß dieser Theorie existieren Kampfkünste, die das Harte gegenüber dem Weichen, und andere, die das Weiche gegenüber dem Harten vorziehen. Im Vovinam Viêt Võ Dao bevorzugt man weder das eine noch das andere. Hart und weich werden gleichermaßen eingesetzt, um sich jeder Situation, jedem Problem entsprechend anpassen zu können. Daher liegt das Hauptprinzip des Vovinam Viêt Võ Dao darin, die Gegensätze von hart und weich den Umständen entsprechend wechselseitig zuzuordnen und damit eine koordinierte Wechselwirkung der Gegensätze zu bewirken.
Ausgehend von Võ-Thuat, der Kampfkunsttechnik als Mittel, entwickelt ein Schüler im Laufe der Trainingsjahre die Fähigkeit, hart und weich miteinander zu ergänzen und je nach Situation im richtigen Verhältnis anwenden zu können, sei es im Kampf oder im alltäglichen Leben. Hierbei werden nicht nur die körperlichen Fähigkeiten entwickelt, sondern auch der Geist des Schülers geprägt. Doch nicht nur das Prinzip der Harmonie von hart und weich trägt dazu bei, die Philosophie der Kampfkunst zu verinnerlichen, sondern auch viele andere Dinge, die aus dem Training hervorgehen, beispielsweise Kampfgeist, Mut und Zähigkeit, aber auch Fairness, Bescheidenheit und Toleranz. Vor allem aber die Trainingsmoral und die Art der Technikanwendung prägen den Charakter eines Schülers.
Die größte Schwierigkeit liegt darin, das Ego zu durchschauen und zu überwinden. Sollte dies gelingen, gewinnt ein Vovinam-Schüler nach und nach aus der eigenen Stärke heraus auch an Großzügigkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen. Mit dem Bewusstsein, dass das wichtigste im Leben eines Menschen andere Menschen sind, liegt das Endziel darin, nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Menschen helfen zu können, in Frieden und Harmonie mit seiner Umwelt zu leben, und wenn nötig, dazu bereit zu sein, das eigene Leben für das Leben anderer Menschen einzusetzen.
Mit der gegenseitigen Begrüßung „die starke Hand auf dem gütigen Herzen“ wird dem Schüler im Rahmen des Trainings sowohl das Hauptprinzip als auch das Ziel des Vovinam Viêt Võ Dao ständig ins Bewusstsein gerufen. Hierbei geht es darum, die Kraft und Reaktion des Gegners auszunutzen, also mit geringem eigenen Kraftaufwand eine maximale Wirkung zu erzielen.
In Deutschland gibt es über zwanzig Vovinam-Schulen.
Logo
Die Form des gelben Vovinam-Viêt-Võ-Dao-Abzeichens besteht aus der Verbindung eines Vierecks und eines Kreises, oben eckig und unten rund. Diese Form symbolisiert die Vollendung des Wahren, Guten und Schönen.[2][3]
Das Abzeichen ist marineblau umrahmt. Der rote Schriftzug „Vovinam“ steht über dem marineblauen Schriftzug „Viêt Võ Dao“ und weist mit seinen spitzen Buchstaben den Weg zum Ziel. Darunter befinden sich die beiden Pole von Yin (rot) und Yang (marineblau).
In der Mitte der beiden Pole steht die gelbe Landkarte von Vietnam. Das Symbol der beiden Yin- und Yang-Pole wird von einem breiten weißen Kreis umschlossen, der das Wesen des Dao symbolisiert, mit dem Auftrag, zwischen Yin und Yang zu vermitteln, die beiden Pole zu unterwerfen und sie zu tolerieren, um das Leben aller Wesen zu ermöglichen.
Geschichte
Begründer des Vovinam Viêt Võ Dao ist Großmeister Nguyễn Lộc.[2][3]
In seiner Jugend trainierte er traditionelle, vietnamesische Kampfkünste. Er wuchs in einem Vietnam auf, das unter 50 Jahren französischer Kolonialisierung zu leiden hatte. Er war der Überzeugung, dass ein starkes Volk nur entstehen könne, indem seine Jugend trainiert werde – ein starker Körper, ein klarer Verstand und eine „reine“ Seele.
Er begann mit dem Studium verschiedener Kampfkunstarten. Er las Bücher über Geschichte, Kunst, Gesundheit, Philosophie und Religion. All diese Erfahrungen und Kenntnisse vereinte er in einer neuen Kampfkunst und Philosophie. Sie war patriotisch geprägt, da sie von einem Vietnamesen für Vietnamesen gemacht war. Die Vielfalt der Quellen spiegelt sich auch in der Vielfalt der Techniken wider. Dennoch waren die Techniken so konzipiert, dass sie adäquat dem vietnamesischen Körperbau und Wuchs angepasst sind: Klein, aber flink und wendig.
1938 stellte er Vovinam offiziell vor.
Weltweit verbreitet wurde Vovinam vor allem durch in Frankreich ansässige vietnamesische Flüchtlinge.
Nach Nguyễn Lộcs Tod übernahm Großmeister Le Sang 1960 Pflege, Weiterentwicklung und weltweite Verbreitung des Vovinam.
Im Jahr 2010 starb Großmeister Le Sang. Die weltweite Organisation des Vovinam Viet Vo Dao hat die World Vovinam Viet Vo Dao Federation (WVVF) mit Sitz in Saigon übernommen. In Europa wurde 2010 die European Vovinam Viet Vo Dao Federation (EVVF) gegründet, der wiederum der Deutsche Vovinam Viet Vo Dao Fachverband e.V. als deutsche Dachorganisation angehört. Es gibt aber noch weitere Organisationen, z. B. für Deutschland die Föderation Vovinam Viet Vo Dao Deutschland.
Siehe auch Geschichte der vietnamesischen Kampfkünste.
Die zehn Prinzipien des Vovinam Viêt Võ Dao
- Anstreben der höchstmöglichen Stufe der Kampfkunst sowie einer humanitären Haltung
- Pflegen, verbreiten und weiterentwickeln des Vovinam Viêt Võ Dao
- Respektieren der Meister und Trainer, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern
- Einhalten der Ordnung und Disziplin
- Respektieren anderer Kampfkünste. Keine Anwendung der Kampfkunst, außer im Falle der Verteidigung
- Schärfen und kultivieren des Geistes; stark sein für ein sinnvolles Leben
- Verinnerlichen von Fairness und Gerechtigkeit
- Stärken des Willens; Überwindung von Hindernissen
- Entwickeln von Ausdauer und Zielstrebigkeit; Probleme klug lösen
- Ausbilden von Selbstvertrauen und Mut, aber auch von Bescheidenheit und Toleranz[1][3]
Das Gürtelsystem, der Anzug und die Farben
Anzug
Ab der Gründung der „Việt-Võ-Đạo-Föderation“ 1973 war der Anzug schwarz.[3]
Im Sommer 1990 fand ein Treffen der Vovinam-Meister statt. Es hatte das Ziel, eine Organisation für Vovinam Việt Võ Đạo außerhalb Vietnams auf die Beine zu stellen. Einer der Beschlüsse war, dass die Anzüge im Vovinam Việt Võ Đạo weltweit nun blau sein sollten.
Gürtel
Der Schüler beginnt mit einem hellblauen Gürtel – in derselben Farbe wie sein Anzug (je nach Land können die Anzüge auch dunkelblau sein). Er gilt dann als „Võ Sinh“, als Schüleranwärter.[2][3]
Darauf folgt der dunkelblaue Gürtel. Ab diesem Zeitpunkt ist er „Mon Sinh“, ein Schüler.
Mit den folgenden drei Prüfungen werden dem blauen Gürtel gelbe Streifen hinzugefügt. Nach dem dritten gelben Streifen folgt der Gelbgurt. Der Schüler hat die Trainerstufe erreicht.
Gelb ist die Farbe der Asiaten. Sie symbolisiert die Verinnerlichung der Kampfkunst und der Philosophie, so als wäre das Gelernte „hauttief“ in den Körper eingedrungen.
Der in anderen Kampfkünsten schwarze Gürtel ist im Vovinam gelb. Entsprechend darf ein Vovinam-Schüler anstelle eines gelben Gürtels einen schwarzen Gürtel tragen.
In nun längeren Abständen folgen jeweils ein, zwei oder drei rote Streifen auf dem gelben Gürtel. Sie entsprechen dem ersten, zweiten bzw. dritten Dang (Dan (Kampfsport)).
Die darauf folgende Prüfung ist die Meisterprüfung. Ihr erfolgreicher Abschluss berechtigt zum Tragen des roten Gürtels mit rundum laufendem gelben Rand.
Rot steht für das Blut, die intensive Flamme. Der Trainierende hat das Vovinam Viêt Võ Dao noch weiter verinnerlicht.
Der fünfte bis zehnte Dang wird durch einen vollständig roten Gürtel mit ein bis sechs weißen Streifen symbolisiert.
Weiß steht für die Unendlichkeit, die Knochen; es ist Symbol der Tiefe, des Geistes. Mit dem weißen Gürtel wird dem Meister die absolute Beherrschung des Vovinam Viêt Võ Dao bescheinigt. Auf diesem Gürtel sind mehrere dünne Längsstreifen in den Farben blau, gelb und rot aufgebracht. Sie zeigen noch einmal die Gesamtheit des Vovinam Viêt Võ.
Dieser Gürtel ist dem „Präsidenten“ vorbehalten, er ist der einzige, der ihn tragen darf. Bis September 2010 war dies Großmeister Le Sang. In Deutschland wird ein weißer Gürtel auch für Kinder verwendet. Es folgen dann sechs Prüfungen, bei denen man jeweils immer einen blauen Streifen bekommt.
Der Gürtelaufbau repräsentiert auch den Aufbau des Vovinamschülers von außen nach innen (Anzug – Hautfarbe – Blut – Knochen).
Namensschilder
Zu jeder Gürtelfarbe gibt es farblich angepasste Namensschilder. Zu blauen Gürteln wird ein blaues Namensschild mit gelber Schrift getragen, zu gelben Gürteln ein gelbes Namensschild mit roter Schrift und zu roten Gürteln ein rotes Namensschild mit weißer Schrift. Der Patriarch trägt ein weißes Namensschild mit roter Schrift. Am oberen und unteren Rand des weißen Namensschildes sind jeweils drei dünne, horizontale Streifen in den Farben blau, gelb und rot.[3]
Spezialitäten
Vovinam hat ein paar sehr individuelle Techniken:
- „Dam Lao“: Ein geschwungener Faustschlag mit den Knöcheln der Handoberseite, zum Beispiel zur Schläfe.
- „Da Canh“: Ein „quer“ angewandter Fußtritt mit der Fußaußenseite
- Beinscheren („Don Chan“): Meist mit beiden Beinen gesprungene Tritte oder Klammergriffe, die den Gegner zu Boden stoßen bzw. reißen.
- Vierkampf („Tu Dau“): Ein einstudierter Kampf zwischen 4 Vovinamtrainern/-meistern.
Grundtechniken, Waffen
- Handtechniken (đòn tay)
- Ellenbogentechniken (chỏ)
- Fusstritte (đá)
- Knietechniken (gối)
- Formen (Quyền, Song Luyện, Đa Luyện)
- Angriffstechniken (chiến lược)
- Traditionelles Ringen (Vật)
- Beinscheren (đòn chân)
- Langstock (côn)
- Schwert (kiếm)
- Breitschwert / Säbel (Dao)
- Hellebarde (Dai Dao)
- Machete
- Fächer[2]
Literatur
- Patrick Levet: Vovinam VietVoDao. The martial art, the history and the culture of a people of warriors. Patrick Levet, Singapur 2006, ISBN 981-05-8060-6.
Film
- Vovinam in Vietnam. Dokumentarfilm, Deutschland, 2009. 28:30 Min., Buch und Regie: Tilman Büttner, Produktion: SWR, Deutsche Welle, Transtel, Reihe: Spiele der Welt. Erstsendung: 6. September 2000 bei arte, Dossier von SWR.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Vovinam Stuttgart
- ↑ a b c d vovinam.com (Memento des Originals vom 17. Oktober 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b c d e f vovinam-viet-vo-dao.de