Waitaha
(wörtlich: Wasser-Träger) ist eine nicht scharf definierte Bezeichnung für eine frühe indigene Bevölkerungsgruppe Neuseelands, insbesondere auf der Südinsel. Der Status der heutigen
-Nachfahren ist umstritten. Neuerdings wird mit dem Namen „
“ auch eine matriarchalisch geprägte polynesische Friedenskultur („
“) verbunden, die nach dem – wissenschaftlich nicht anerkannten – Zeugnis heutiger
-Nachfahren etwa 1000 Jahre vor den historisch überlieferten
-Einwanderungen nach Neuseeland gelangte.
Geschichte
Die Einwanderungen der
aus ihrer mythischen Heimat
nach Neuseeland begannen nach ihren oralen Quellen etwa im 12. Jahrhundert. Ab dem 16. Jahrhundert wurden die friedliebenden
durch kriegerische
vertrieben oder getötet und die Überlebenden durch Eroberungszüge und Heirat allmählich absorbiert, zunächst durch die
, diese später ihrerseits durch die
. In der Überlieferung der
und
wird unter „
“ nicht nur ein spezieller
(Stamm) verstanden, sondern auch eine Kollektivbezeichnung für die ersten Bewohner der Südinsel. "
[=
]
auf die Südinsel kamen, ist archäologisch bisher nicht geklärt, es wird aber davon ausgegangen, dass im Gegensatz zu den weniger zahlreichen
der Südinsel die
-Stämme auf der Nordinsel durch die günstigeren Umweltbedingungen stärker wuchsen und dass die
schließlich durch die in Neuseeland nicht ungewöhnlichen Migrationsbewegungen vernichtet und absorbiert wurden.[1] Die Genealogie der
führt die
auf einen Ahnen namens
und seinen Sohn
zurück. Ein
ist auch in der Tradition von
auf der Nordinsel und von
in Polynesien bekannt. Ihr
(Kanu)
ist auch der Name eines Sternbildes und eines Navigationsweges auf den nach den Sternen ausgerichteten polynesische Navigationshilfen.[1] Die Nachfahren der
gelten heute nicht mehr als eigenständiger Stamm und werden – gegen ihren Willen aufgrund des umstrittenen
(1999)[3][4] – von den die Südinsel wirtschaftlich und politisch beherrschenden
vertreten. Mehrere Organisationen in
und Umgebung tragen „
“ in ihrem Namen, doch hat dies mit den heute lebenden
nichts zu tun; der Name wird nur als Synonym für die Region
(ein altes
-Siedlungsgebiet) gebraucht – so z. B.
oder der
-Name der
.
„Song of Waitaha“
1994 erschien in Neuseeland „
–
“ – ein Buch, in dem die Geschichte der
von ihnen selbst erzählt wird. Es stellt einen Ausschnitt des kulturellen Gedächtnisses der
dar, das in ihren heiligen Gesängen, den „
“, überliefert worden war. In den letzten Jahrhunderten, in denen die
nicht mehr autonom leben konnten, hatten sie dieses Wissen verborgen gehalten; Ende der 1980er Jahre beschlossen die Ältesten, ihre alten Überlieferungen zu veröffentlichen.[5][6][7] „
“ enthält die Schöpfungsmythen und andere mythologische Erzählungen, wie sie sehr ähnlich auch bei verschiedenen
-Stämmen zu hören sind, das Schwergewicht aber bilden die Schilderungen der Wanderzüge der
vor allem auf der Südinsel, ihrer Lebensweise und ihrer Sitten und Gebräuche. Dabei zeigt sich das Bild einer matriarchalisch geprägten Gesellschaft, die weder Waffen noch Verteidigungsanlagen kennt, bei der – anders als bei den historischen
– die Tötung eines Menschen (auch eines feindlichen Kriegers) tabu ist und deren wichtigste Gottheit
, die Göttin des Friedens, ist. Eine weitere Besonderheit ist, dass die
stolz ihre multi-ethnischen Wurzeln betonen und schildern, wie sie sich stets gern mit anderen Stämmen und Völkern verbunden haben, wobei sie gleichzeitig das Wissen um ihre weit zurückreichenden Abstammungslinien (
) pflegten.
Rezeption
„
“ stieß gleich nach Erscheinen auf heftigste Kritik. Auslöser war die – im Buch eher nebensächliche – Aussage, dass die Besiedlung Neuseelands durch die Vorfahren der
"vor 67 Generationen" (nach landläufiger Umrechnung wäre dies vor etwa 1700 Jahren) begonnen habe. Das würde allen bisherigen Erkenntnissen und Überzeugungen fast 1000 Jahre "Geschichte" hinzufügen und steht damit im krassen Widerspruch zur gängigen Geschichtsschreibung, nach der Neuseeland zu jener Zeit unbewohnt war.
[von "
"]
[8] – Auch einige
, insbesondere die
, übten heftige Kritik, da sie sich, als Nachfahren der "klassischen"
, als die alleinige
, die Urbevölkerung ihres Landes sehen (und deshalb auch Entschädigungszahlungen für den illegalen Landraub der weißen, meist britischen Siedler erhielten und erhalten). Eine unbefangene Aufnahme dieser Selbstdarstellung der
und ihrer Geschichte wurde nicht zuletzt auch deshalb erschwert, weil gewisse
-Kreise um
, der bei der Herausgabe des Buches mitgewirkt hatte, das Thema spekulativ ausschlachteten und auf ihre Weise vermarkteten, sehr zum Leidwesen der
, die sich heftig aber erfolglos gegen diese Diskreditierung und „spirituelle Ausbeutung“ wandten.
[7] "
" gilt seither für viele als das literarische Fantasie-Produkt des
(Weißen)
. So steht eine sachgerechte Rezeption – unabhängig von der umstrittenen Datierungsfrage – dieses mythologisch, ethnologisch (u. a. für die Matriarchatsforschung), ökologisch wie allgemein-kulturhistorisch interessanten Dokuments einer frühen pazifischen Friedenskultur noch am Anfang. Durch die deutschsprachige Ausgabe von "
" wurden die
erstmals auch in Europa bekannt.[9] 2008 wurden als Gemeinschaftsprojekt von zwei deutschen Schulen (dem Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz und der Freien Waldorfschule Neuwied) ein "Theaterspektakel" (mit Orchester und Chor) mit Texten aus der Mythologie und Geschichte der
aufgeführt.
Siehe auch
Literatur
- Song of Waitaha. The Histories of a Nation.Wharariki Publishing Company,Darfield, New Zealand2003, ISBN 0-9583378-1-0 (englisch, Erstausgabe 1994).
- Makere Ruka Te Korako, Te Porohau Ruka Te Korako:Whispers of Waitaha. Traditions of a Nation.Wharariki Publishing Company,Darfield, New Zealand2006, ISBN 0-9582541-0-9 (englisch).
- Winfried Altmann (Hrsg.): Song of Waitaha.Das Vermächtnis einer Friedenskultur in Neuseeland. Nach den Gesängen der Ältesten erzählt vonTe Porohau Ruka Te Korako. Drachen Verlag, Klein Jasedow 2010, ISBN 978-3-927369-51-1 (Deutsche Übersetzung des Buchs:Song of Waitaha.Erstausgabe 2006).
- Herries Beattie,Teone Taare Tikao:Tikao Talks. Traditions and Tales.Cadsonbury Publications,Christchurch, New Zealand2004, ISBN 1-877346-04-7 (englisch, Erstausgabe 1939 beiA.W. Reed, Dunedin). [Anmerkung 1]
- Winfried Altmann: Drei Beiträge in: 360° – Neuseeland: "Maoritanga": Die Wirklichkeit des Mythos in Aotearoa. (Nr. 4, 2012, S. 52–55); Waitaha – Die etwas anderen Ureinwohner Neuseelands. (Nr. 1/2013, S. 54–57); "The sadness still remains". Die letzten Waitaha in Neuseeland. (Nr. 2/2013, S. 43–46). ISSN 1866-797X
Einzelnachweise
- ↑ a b c
Ngai Tahubefore the Treaty. (PDF; 4,0 MB) In:The Ngai TahuReport 1991.Waitangi Tribunal, abgerufen am 22. Mai 2019 (englisch).
- ↑
Ngāi Tahu and Waitaha. In:Te Arathe Encyclopedia of New Zealand. , abgerufen am 14. Juli 2011 (englisch).
- ↑
Makere Stewart-Harawira:The New Imperial Order - Indigenous Responses To Globalization.Huia Publischers,Wellington2005, ISBN 1-86969-160-1, S. 196 ff. (englisch).
- ↑ Markus A. Schneider: Das Friedensvolk der Waitaha. In: Matrix 3000. Band 27, (Mai/Juni). Matrix3000 Verlag GmbH, Peiting 2005 (englisch, Online [abgerufen am 25. Januar 2016]).
- ↑
History of Song of Waitaha : Histories of a Nation..Wharariki Publishing Limited, abgerufen am 14. Juli 2011 (englisch).
- ↑
Waitaha Nation of Peace.Wharariki Publishing Limited, abgerufen am 14. Juli 2011 (englisch).
- ↑ a b
Makere Harawira:Neo-imperialism and the (mis)appropriation of indigenousness.Kingston Strategic (NZ) Ltd, abgerufen am 14. Juli 2011 (englisch).
- ↑
Michael King:The Penguin history of New Zealand.Penguin Books,Auckland2003, ISBN 0-14-301867-1 (englisch).
- ↑ Winfried Altmann: Das Vermächtnis der Waitaha. (PDF; 200 kB) In: Kulturkreatives Spektrum. Abgerufen am 22. Mai 2019 (englisch).
Anmerkungen
- ↑
Teone Taare Tikaolebte von 1850 bis 1927; er war zehn Jahre lang Schüler der letztenTohunga(Priester, Eingeweihte) seiner Zeit und galt als der beste Kenner der Geschichte der indigenen Völker Neuseelands, insbesondere der Südinsel. 1920 erzählte er dem HistorikerHerries Beattiezwei Wochen lang aus seinem reichen Wissen.