Wald-Flattergras

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Wald-Flattergras

Wald-Flattergras (Milium effusum)

Systematik
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Unterfamilie: Pooideae
Tribus: Milieae
Gattung: Flattergräser (Milium)
Art: Wald-Flattergras
Wissenschaftlicher Name
Milium effusum
L.

Das Wald-Flattergras (Milium effusum)[1], auch Gewöhnliches Flattergras,[2] Waldhirse[2][3] oder Weiches Flattergras genannt, ist eine Pflanzenart in der Familie der Süßgräser (Poaceae). Es kommt in großen Teilen Eurasiens und im östlichen Nordamerika vor.

Beschreibung

Illustration mit Darstellung aller Pflanzenteile
Rispiger Blütenstand

Erscheinungsbild und Blatt

Das Wald-Flattergras ist eine überwinternd grüne[1], ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von etwa 50 bis 100, seltener bis zu 120 Zentimeter erreicht. Es bildet lockere Horste mit kurzen, unterirdischen Ausläufern, die eine gelbliche und kurz behaarte Schuppung besitzen. Unter den untersten Blattscheiden wachsen einzelne Erneuerungssprossen in die Höhe. Die unverzweigten, aufrechten Halme sind schlank bis mittelmäßig dick, glatt und kahl; in der unteren Hälfte weisen sie drei bis fünf kahle Knoten auf.

Die bläulich grünen, kahlen Blattspreiten besitzen eine Länge von 10 bis 20, seltener bis zu 30 Zentimeter und eine Breite von bis zu 1,5 Zentimeter. Sie sind dünn, unterseits gekielt und flach ausgebreitet mit schwachen Riefen. Nerven und Ränder fühlen sich rau an. Von den glatten und kahlen Blattscheiden ist die unterste dünn und zerfasert. Das häutige, milchig weiße Blatthäutchen ist bis zu 9 Millimeter lang, am Ende abgerundet und zerschlitzt.

Blütenstand, Blüte und Frucht

Die Blütezeit liegt zwischen Mai und Juli. Der 10 bis 30 Zentimeter lange und bis zu 20 Zentimeter breite, rispige Blütenstand ist im Umriss ei- oder pyramidenförmig und locker ausgebreitet mit oft etwas nickender Spitze. Die Seitenäste gehen in drei- bis sechsteiligen Büscheln von der Hauptachse ab. Sie stehen oft weit ab und sind an der Spitze etwas herab gebogen, manchmal im oberen Teil etwas geschlängelt. Der basale Teil ist glatt und trägt keine Ährchen, der distale Teil ist wie die Ährchenstiele rau. Das 2,4 bis 3,6 Millimeter lange, grannenlose Ährchen ist einblütig und hellgrün, seltener rötlich überlaufen. Die Form des Ährchens ist schmal elliptisch bis eiförmig mit einer Spitze; der Querschnitt ist rund. Es besitzt zwei Hüllspelzen, die die Deckspelze überragen; die Spelzen sind abgerundet. Die glatte und kahle Karyopse ist bei einer Länge von etwa 2 Millimeter im Umriss breit elliptisch.

Die Chromosomenzahl der Art ist 2n = 14 oder 28.[4]

Ökologie

Das Wald-Flattergras ist ein wintergrüner Hemikryptophyt[1] und eine Horstpflanze mit kriechendem Rhizom und flach wurzelnden, unterirdischen Ausläufern. Vegetative Vermehrung erfolgt durch kurze, unterirdische Ausläufer.[5]

Blütenökologisch handelt es sich um schwach vorweibliche Blüten mit Windblütigkeit nach dem „Langstaubfädigen Typ“.[5]

Die Diasporen (Ausbreitungseinheiten) sind die von den knorpelig verhärteten, glänzenden, unbegrannten Deck- und Vorspelzen umschlossenen Karyopsen. Die Hüllspelzen bleiben auf der Pflanze zurück. Die Windausbreitung erfolgt als Flieger und Windstreuer. Vermutlich tritt auch Ameisenausbreitung auf. Die Karyopsen sind Kältekeimer. Fruchtreife ist von Juli/August bis Oktober.[5]

Vorkommen

Das Wald-Flattergras im weiteren Sinne (Milium effusum s. l.) ist – mit einer großen Verbreitungslücke in Ostsibirien – transpaläarktisch verbreitet und kommt zudem im östlichen Nordamerika vor. Im südlichen Europa fehlt es lediglich auf einem Großteil der Iberischen Halbinsel, den Balearen, den Azoren, in Griechenland und auf Kreta. Im nördlichen Europa gibt es keine Vorkommen auf Spitzbergen und den Färöern. Im Nahen Osten liegt die Südgrenze der Verbreitung in Zentral- und Nordostanatolien und im Nordwestiran. In Mittelasien reicht die dort teils disjunkte Verbreitung bis in die Dsungarei, den Tianschan und den Pamir-Alai sowie teils bis in den Himalaya und den Nan Shan. In Ostasien kommt das Wald-Flattergras nur im Süden von Ostsibirien vor und zudem in einem disjunkten Teilareal in Japan und Korea sowie auf Kamtschatka, Sachalin, den Kurilen, im Bereich von Ussuri, Uda und in der Seja-Bureja-Ebene. Auch auf Taiwan ist das Wald-Flattergras zu finden. In Nordamerika erstreckt sich das Areal vom Bereich der Großen Seen bis zur Ostküste. Die Westgrenze liegt im nordöstlichen South Dakota und in Manitoba, die Nordostgrenze in Neufundland und Nova Scotia und die Südgrenze in Illinois und North Carolina. In Neuseeland kommt das Wald-Flattergras synanthrop vor.

In Mitteleuropa ist das Wald-Flattergras häufig und verbreitet und fehlt nur auf den Nordseeinseln sowie auf den ärmeren Böden der nordwestdeutschen Marschen. Im nordwestdeutschen Tiefland sind die Vorkommen ohnehin recht zerstreut.

Das Wald-Flattergras besiedelt anspruchsvolle, artenreiche Laub- und Mischwälder und wächst bis zur subalpinen Hochstauden- und Gebüschvegetation. In bodensauren Wäldern ist es seltener zu finden. Der Boden muss frisch bis feucht, nährstoffreich, locker und feinerdig sowie neutral bis schwach sauer sein. Das Wald-Flattergras ist ein Humuszeiger und eine Mullbodenpflanze, die auf tiefgründigen, steinigen, sandigen oder reinen Lehmböden vorkommt. Auf Sandstein wächst sie selten und auf Kalk nur bei einer umfangreichen Humusschicht. Sie steht im Halbschatten oder im Schatten. Das Wald-Flattergras wächst bevorzugt in frischen, anspruchsvollen Laub- und Mischwäldern mit reicher Humusschicht, in Schlaggebüschen und Hochstaudenfluren.

Die Höhenverbreitung reicht in den Alpen bis in Höhenlagen von etwa 2400 Meter. In den Allgäuer Alpen steigt es in der Unterart Milium effusum subsp. alpicola in Bayern am Rotkopf am Laufbacher Eck bis zu 2050 m Meereshöhe auf.[6]

Systematik

Die Erstveröffentlichung von Milium effusum erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum.[7] Synonyme für Milium effusum L. sind: Agrostis effusa (L.) Lam., Decandolia effusa (L.) Bastard, Melica effusa (L.) Salisb., Miliarium effusum (L.) Moench, Milium confertum L., Milium effusum subsp. alpicola Chrtek[8], Milium effusum subsp. confertum (L.) K.Richt., Milium effusum var. elatius Koch, Milium effusum var. latifrons Podp., Milium effusum var. subacaule Jans & Wacht., Milium effusum var. variegatum Ducommun, Milium transsilvanicum Schur, Paspalum effusum (L.) Raspail.[9][10]

Manche Autoren unterscheiden bei Milium effusum mehrere Unterarten:

  • Milium effusum L. subsp. effusum
  • Milium effusum subsp. alpicola Chrtek: Sie wird von manchen Autoren als Synonym zu Milium effusum gestellt.[8]
  • Milium effusum subsp. cisatlanticum (Fernald) A.Haines:[9][11] Sie kommt in Nordamerika vor. Vom manchen Autoren wird sie aber als Synonym zu Milium effusum L. gestellt.[8]

Belege

  • Hans Joachim Conert (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Begründet von Gustav Hegi. 3., völlig neubearbeitete Auflage. Band I. Teil 3: Spermatophyta: Angiospermae: Monocotyledones 1(2). Poaceae (Echte Gräser oder Süßgräser). Parey Buchverlag, Berlin 1998, ISBN 3-8263-2868-X, S. 427–428 (erschienen in Lieferungen 1979–1998 6. Lieferung, 1992).
  • Rudolf Schubert, Walter Vent (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Begründet von Werner Rothmaler. 8. Auflage. Band 4: Kritischer Band, Volk und Wissen, Berlin 1990. ISBN 3-06-012526-0.
  • Wald-Flattergras. FloraWeb.de, abgerufen am 15. September 2011

Einzelnachweise

  1. a b c Wald-Flattergras. FloraWeb.de
  2. a b Rolf Wisskirchen, Henning Haeupler: Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Mit Chromosomenatlas. Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 1). Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1998, ISBN 3-8001-3360-1, S. 314.
  3. Datenblatt bei Flora Oberfranken Online.
  4. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001. Seite 261. ISBN 3-8001-3131-5
  5. a b c Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  6. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 153–154.
  7. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 1, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 61, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D1%26issue%3D%26spage%3D61%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D
  8. a b c Rafaël Govaerts (Hrsg.): Milium effusum. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 25. Januar 2020.
  9. a b Robert J. Soreng, Paul M. Peterson, Gerrit Davidse, Emmet J. Judziewicz, Fernando O. Zuloaga, Tarciso S. Filgueiras, Osvaldo Morrone: Catalogue of New World Grasses (Poaceae): IV. Subfamily Pooideae. In: Contributions from the United States National Herbarium. Band 48, 2003, Milium, S. 451–452 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fbiodiversitylibrary.org%2Fpage%2F386500~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D, PDF-Datei; 53,4 MB).
  10. Milium effusum bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis.
  11. Arthur Haines: New Combinations in the New England Tracheophyte Flora. In: Stantec Botanical Notes. Band 13, ISSN 1541-8626, S. 1–8 (hier: S. 4; online).

Weblinks

Commons: Wald-Flattergras (Milium effusum) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien