Weidbuche
Weidbuchen sind Buchen, die in ihrer heutigen Form dadurch entstanden, dass die jungen Bäume früher auf einer Weide oder in einem Hutewald wuchsen und sie von Weidetieren, vor allem Kühen und Ziegen, verbissen wurden – ihnen also Blätter und Zweige abgefressen wurden. Sie hatten dann keinen Haupttrieb mehr und wuchsen buschig.
Entstehung
„Die Lebensgeschichte einer Weidbuche besteht vor allem aus einem zähen Überlebenskampf. Neben Gras und Kräutern fressen Rinder auch Blätter und junge Triebe von Bäumen und Sträuchern.“
Wenn eine Jungbuche im Alter von einigen Jahren von einem Weidetier abgefressen wird, entsteht ein „Kuhbusch“. Dicht über dem Erdboden treibt die Pflanze zu den Seiten wieder aus. Abfressen und Neuaustreiben wiederholt sich oft über viele Jahre hin. Wenn die Pflanzen eine Höhe von einem Meter haben, können sie schon bis zu 50 Jahre alt sein. Nach Jahrzehnten oder auch erst nach Jahrhunderten werden einige Triebe in der Mitte so hoch, dass die Tiere nicht mehr an sie heranreichen. Dann ist das Aussehen der Weidbuche erreicht.[1] Außer durch den Verbiss leiden die jungen Pflanzen auch durch den Tritt der Tiere, durch Wind und durch Schnee.
Erscheinungsform
Die Weidbuchen sehen besonders schön aus, wenn sie frei in der Landschaft stehen. Sie sind auf Weidfeldern an manchen Stellen Süddeutschlands 250 Jahre alt. Durch die extensive Weidenutzung vergangener Jahrhunderte sind sie entstanden. Inzwischen wird Milchvieh vor allem in Ställen gehalten. Deshalb ist die Entwicklung von verbissenen Jungbuchen (Kuhbusch) gefährdet. Um das Landschaftsbild mit den zerklüfteten Stämmen der Weidbuchen zu erhalten, mühen sich nun Heimatverbände um ihre Existenz.
Weidfelder
Im Südschwarzwald gibt es noch 10.000 Hektar Weidfelder. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung werden sie aber zurückgedrängt.
„[Sie sind] komplexe Gefüge vielfältiger Lebensgemeinschaften. Sie sind in der Regel sehr struktur- und artenreich. Häufig sind verschiedene Pflanzengesellschaften auf engem Raum miteinander verzahnt. In die Weideflächen eingestreut finden sich immer wieder Feuchtbiotope, Felsen und Steinrasseln, Gehölze und Einzelbäume wie die stattlichen Weidbuchen.“
Schweizer Löwenzahn, Scheuchzers Glockenblume, Gold-Fingerkraut und Gelber Enzian kommen auf den Weidfeldern vor. Wegen des vorherrschenden Grases werden diese Pflanzengesellschaften Borstgrasrasen genannt. Auch Silberdistel, Flügelginster und Hundsveilchen kommen vor. Unter den Vögeln sind Zippammer, Kolkrabe, Wanderfalke, Wasserpieper, Zitronengirlitz und Ringdrossel vertreten. Der Warzenbeißer, eine Heuschreckenart, die man früher zum „Abzwicken“ von Warzen einsetzte ist in der Lebensgemeinschaft der Weidfelder ebenfalls vertreten.
Die vorherrschende Kuhrasse in der Weidfelder-Vegetation sind die Hinterwälder-Rinder. Zur Erhaltung der Rasse wurde 1987 der Förderverein Hinterwäldervieh e.V. gegründet.
„Extensiver Weidebetrieb wird von den meisten Landwirten im Nebenerwerb geleistet und setzt viel Engagement und Idealismus voraus.“
Landwirtschaftliche Betriebe sind immer mehr sinkenden Erzeugerpreisen ausgesetzt. Sie müssen sich vergrößern und kleinere Betriebe bleiben auf der Strecke. Die beste Art, die Weidfelder zu schützen ist die Aufrechterhaltung der Beweidung – am besten durch die hier heimischen Rinder. Deshalb setzen sich Heimatvereine für sie ein. Die Weidfelder im Südschwarzwald haben nicht nur für die Landwirtschaft eine Bedeutung, sondern auch für Naturschutz und Tourismus.
Weidbuchen im Südschwarzwald
Mit Unterstützung durch den Naturpark Südschwarzwald wurden die Bäume im Wiesental und um die beiden Berge Schauinsland und Belchen (Schwarzwald) erfasst. Auch im Großtal des Freiburger Stadtteils Kappel gibt es Weidbuchen. Die Befürchtung, dass es nur noch wenige Exemplare dieser bizarren Schönheiten gäbe, hat sich nicht bestätigt. Dennoch will der Schwarzwaldverein die Zukunft der Bäume sichern helfen und kartiert den Bestand in ganz Südbaden.[2]
„Man fand 1600 Stellen, an denen Weidbuchen wachsen: als „Kuhbusch“, als aufstrebender Jungbaum, als beeindruckender, mächtiger Baum oder als zusammenbrechender Greis.“
Weidbuchen (eine besondere Erscheinung der Rotbuche) haben als Erscheinungsform der extensiven Weidewirtschaft im Südschwarzwald nicht nur einen hohen touristischen Wert, sie bieten auch Lebensraum für teilweise seltene Moose, Flechten, Vögel und Insekten. Deshalb müssen sie fachgerecht gepflegt werden, wenn es sie in der Zukunft weiterhin geben soll.[1]
Einzelnachweise
- ↑ a b Dagmar Betting u. a.: Weidbuchen erhalten, Jungwuchs fördern, Eine Pflegeempfehlung. (Memento vom 3. April 2014 im Internet Archive) Merkblatt.
- ↑ Jelka Louisa Beule: Die knorrigen Weidbuchen bei Freiburg-Kappel sollen erhalten bleiben. Badische Zeitung, 1. Oktober 2020, abgerufen am 1. Oktober 2020.
Literatur
- Dagmar Betting u. a.: Weidbuchen erhalten, Jungwuchs fördern, Eine Pflegeempfehlung. Merkblatt hrsgb. vom Regierungspräsidium Freiburg (online-Fassung (PDF))
- Angelika Schwabe-Braun: Eine pflanzensoziologische Modelluntersuchung als Grundlage für Naturschutz und Planung. Weidfeld-Vegetation im Schwarzwald: Geschichte der Nutzung — Gesellschaften und ihre Komplexe — Bewertung für den Naturschutz. (= Urbs et Regio. 18). Kassel 1980, ISBN 3-88122-056-9.
Weblinks
- Weidbuchen - Stolze Zeichen der Natur (auf Naturpark Südschwarzwald)
- Arbeitsgruppe „Natur und Landschaft“ des Naturparks Südschwarzwald: Weidfelder - Weidbuchen - Wäldervieh, Eine Wanderung von der Vergangenheit in die Zukunft, 2011
- Weidbuchen-Wanderungen im Südschwarzwald Zusammenstellung mehrerer Wanderungen an den Weidbuchen im Südschwarzwald vorbei (zwischen 5 und 11 Kilometer lang)
- Weidbuchen im Schwarzwald und den Vogesen: Beeindruckende und gefährdete Charakterbäume
- Hinterwälder ... das Urwüchsige aus dem Schwarzwald, Förderverein Hinterwälder e.V.