Weißes Palais (Kassel)

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Blick auf Friedrichsplatz und Obere Königsstraße um 1840: In der Bildmitte das Weiße Palais

Das Weiße Palais war ein Stadtpalais im nordhessischen Kassel, das älteste Gebäude der später als Residenzpalais bezeichneten Residenz der beiden letzten Kurfürsten von Hessen-Kassel.

Bau

Der außen eher unscheinbare und schmucklose Bau wurde in den Jahren 1767–69 an der Nordwestecke des Friedrichsplatzes von Simon Louis du Ry für den Generalmajor und Oberkämmerer des Landgrafen Friedrich II., Friedrich Christian Arnold von Jungkenn gen. Münzer von Mohrenstamm, erbaut, dem der Landgraf aus den für die Stadterweiterung zur Verfügung stehenden Mitteln einen Zuschuss gewährte. Das dreistöckige, von einem Walmdach bedeckte Gebäude hatte einen Grundriss von etwa 32 × 16 Metern. Die Hauptfront zum Friedrichsplatz war neunachsig, mit einem Balkon im Ersten Stock und einem Flachgiebel über den drei Mittelachsen mit den drei Eingangsportalen. Zur Oberen Königsstraße war es fünfachsig, wiederum mit einem aufgesetzten Flachgiebel über den drei mittleren Fensterachsen. Die Beletage war im Ersten Stock. Entlang der gesamten Friedrichsplatzfront verlief eine etwa 5 m breite Rampe zur Vorfahrt von Kutschen.

Jungkenn verkaufte sein „Palais Jungkenn“ bereits 1772 an die Hessischen Landstände. Diese nutzten es nur selten als Tagungsort und vermieteten es stattdessen an Privatpersonen. Während der Zeit des kurzlebigen Königreichs Westphalen (1807–1813) befand sich das Justizministerium darin.

Kurprinzenresidenz

Da das Stadtschloss im November 1811 während der napoleonischen Herrschaft durch einen Großbrand zerstört worden war, überließen die Landstände nach der Restitution der Landgrafschaft Hessen-Kassel bzw. von Kurhessen im November 1813 dem Thronfolger Wilhelm II. das Palais als Residenz. Dieser ließ es in den Jahren von 1816 bis 1821 durch Johann Conrad Bromeis ausbauen und erweitern. Entlang der Königsstraße, im rechten Winkel zum ursprünglichen Gebäude, entstand ein neunachsiger Anbau von etwa 28 × 16 m Grundfläche. In diesem befanden sich in der Beletage hauptsächlich Repräsentationsräume, während der Altbau vor allem die Wohnräume enthielt.

Kurfürstenresidenz und Erweiterungen

Rotes Palais

Datei:Residenzpalais Kassel.jpg
Fassadenaufriss des Roten Palais

Nachdem Wilhelm II. nach dem Tod seines Vaters Wilhelm I. die Regierung angetreten hatte, ließ er seine Residenz für Repräsentationszwecke in den Jahren 1821–1826 durch den von Johann Conrad Bromeis vorgenommenen Bau des Roten Palais erheblich erweitern. Der neue und mit etwa 55 × 40 m Grundfläche erheblich größere und vor allem Zeremonialräume enthaltende Bau schloss unmittelbar an das Weiße Palais an und war mit diesem verbunden. Dabei entstand in dem Rechteck zwischen den beiden Flügeln des Weißen Palais ein großer Innenhof. Das alte Palais der Landstände erhielt einen Anstrich in weiß-grünlich-grauer Farbe und wurde seitdem als „Weißes Palais“ bezeichnet.

Palais Reichenbach

Wilhelm II. hatte schon 1813 seine Mätresse Emilie Ortlöpp nach Kassel mitgebracht, was zur faktischen Beendigung seiner Ehe mit Auguste von Preußen (1780–1841) führte.[1] Für seine Geliebte, mit der er bis zu seinem Regierungsantritt meist im Schloss Philippsruhe in Hanau lebte, erwarb Wilhelm 1821 das 1772 an der Königsstraße erbaute und nach seinem Bauherrn, dem Generalmajor und Direktor des landgräflichen Baudepartements Johann Wilhelm von Gohr,[2] benannte Palais Gohr, ließ es umbauen, durch ein Treppenhaus und einen Seitenflügel mit Festsaal erweitern und durch Verbindungstüren mit seinem Weißen Palais verbinden.

Spätere Nutzung

Als Kurhessen im Oktober 1866, nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg, von Preußen annektiert wurde, wurde der gesamte Komplex des Residenzpalais preußischer Staatsbesitz. Die Verbindungstüren vom Weißen Palais zum Palais Reichenbach wurden 1870 zugemauert, und 1881 wurde das Palais Reichenbach, inzwischen „Kleines Palais“ genannt, an einen privaten Nutzer verkauft.

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der deutschen Monarchien suchte man nach einer angemessenen neuen Nutzung für das Rote und Weiße Palais. Bereits 1921 wurde durch den damaligen Oberbürgermeister Philipp Scheidemann die Städtische Gemäldegalerie in den Räumen des Weißen Palais eröffnet.[3] Am 30. Juni 1923 folgte das Deutsche Tapetenmuseum im Roten Palais. 1934 wurde auch das Weiße Palais mit einbezogen, da die Tapetensammlung inzwischen erheblich angewachsen war.[4]

Zerstörung und Abriss

Nachdem bei einem britischen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg in der Nacht vom 8. zum 9. September 1941 das Palais Reichenbach und das Rote Palais in Brand geraten waren und die Obergeschossdecken im Roten Palais dabei einstürzten, wurde das Mobiliar des Weißen Palais zusammen mit dem teilweise geretteten Mobiliar des Roten Palais vollständig ausgelagert. Einige dieser hochwertigen Zeugnisse hessischer Handwerkskunst sind heute im Weißensteinflügel des Schlosses Wilhelmshöhe ausgestellt.[5] Die geretteten Bestände des Tapetenmuseums wurden nach Einbeck ausgelagert und ab 1948 in einer verkleinerten Kollektion im Weißensteinflügel von Schloss Wilhelmshöhe präsentiert, bis sie 1976 ins Hessische Landesmuseums in Kassel verlegt wurden.[4] Das Weiße Palais selbst brannte zwei Jahre später beim verheerenden Bombenangriff am 22./23. Oktober 1943 vollständig aus. Die Ruine wurde im November 1948 gesprengt und dann bis 1950 schrittweise abgebrochen. Reste des vollständig erhaltenen, dann aber demontierten Rampengitters vor dem Weißen Palais werden im Magazin des Hessischen Landesmuseums in Kassel aufbewahrt.

Literatur

  • Rolf Bidlingmaier: Das Residenzpalais in Kassel. Der Architekt J. Conrad Bromeis und die Raumkunst des Klassizismus und Empire in Kurhessen unter Kurfürst Wilhelm II. Schnell & Steiner, München/Zürich 2000, ISBN 3-7954-1340-0.
  • Paul Heidelbach: Kassel. Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur. Bärenreiter-Verlag, Kassel/Basel 1957.
  • Wolfgang Hermsdorff: Minister von Jungkenn und sein Palais. Blick Zurück Nr. 1305; Hessische Allgemeine, 2. Dezember 1989.
  • Alois Holtmeyer: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Band VI: Kreis Cassel-Stadt. Friedrich Bleibaum, Marburg 1923.
  • Hans Huth: Das Residenzpalais in Kassel. Deutscher Kunstverlag, Berlin 1930. (Amtlicher Führer, Hg. Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten)

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Zwar kam es schon 1815 bei dem Paar zur Trennung von Tisch und Bett, aber aus politischen Gründen wurde die Scheidung verweigert, und erst nach Augustes Tod heiratete Wilhelm die von ihm 1821 zur Gräfin Reichenbach erhobene Emilie.
  2. Cornelius Steckner: Die “Verschönerung” von Kassel unter Friedrich II. Andeutungen zur Stadtsanierung durch das Bau-Department unter Johann Wilhelm von Gohr und Claude Nicolas LeDoux. In: Stadtplanung und Stadtentwicklung in Kassel im 18. Jahrhundert. Kassel 1983, S. 33–51. (Kasseler Hefte für Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik 5)
  3. Yannick Philipp Schwarz: Die Kunstsammlung der Stadt Kassel in der Weimarer Republik. In: ZHG Band 121, Kassel 2016, ISSN 0342-3107. S. 285–302.
  4. a b deutsches tapetenmuseum, auf museum-kassel.de, abgerufen am 15. Oktober 2021
  5. Das Meiste befindet sich in Depots, andere Stücke sind an den Bundespräsidenten und an das Neue Palais in Potsdam ausgeliehen.

Koordinaten: 51° 18′ 51,8″ N, 9° 29′ 47″ O