Wikiup:Artikelwerkstatt/Simplicius/Lexikon Familienrecht in Deutschland

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Beim Familienrecht in Deutschland überschneiden sich Zivilrecht und Öffentliches Recht.

Vorwort

Mit der Geburt wird das Kind zur Person. Die amtliche Bescheinigung über die Geburt ist die Geburtsurkunde. Mutter ist die Person, die das Kind geboren ist. Vater ist automatisch der Mann, der zum Zeitpunkt mit der Mutter verheiratet war. Bei unverheirateten Paaren erfolgt die Vaterschaftsfeststellung. Es ist möglich, eine Erklärung über das Gemeinsame Sorgerecht zu machen. Das Jugendamt vermerkt sie im Sorgeregister. Jeder Mensch kann sich über eine Vorsorgevollmacht Vorkehrungen für den Fall einer schweren Krankheit usw. machen. Für die Kinder ist es möglich, eine Sorgerechtsvollmacht und eine Sorgerechtsverfügung anzufertigen. Das kann über den Notar bei der Bundesnotarkammer hinterlegt werden.

Bei getrennt lebenden Elternteil spricht man von betreuungsberechtigtem und umgangsberechtigten Elternteil. Das Umgangsrecht basiert auf § 1626 Abs. 3 BGB und § 1684 BGB. Das Familiengericht kann eine Umgangsregelung, für die Abholungen und Rückgaben eine Umgangspflegschaft, für den Umgang selbst einen begleiteten Umgang oder einen Umgangsausschluss veranlassen. Das Gericht regelt grundsätzlich die Häufigkeit, Dauer und Umstände des Umgangs; Dritte hingegen nicht, auch nicht der Umgangspfleger, der Ergänzungspfleger oder das Jugendamt.

In Gerichtsverfahren besteht bei einigen Familiensachen eine Anwaltspflicht (etwa bei Scheidungen, Unterhaltssachen), und bei anderen nicht (etwa bei Kindschaftssachen). Bei der Trennung sind Fragen wie Scheidung, Kindesunterhalt und Trennungsunterhalt zu klären. Ist der unterhaltsverpflichtete Elternteil nicht zur Zahlung von Unterhalt bereit oder fähig, leistet das Jugendamt Unterhaltsvorschuss.

Bei Kindschaftssachen wird das Jugendamt beratend hinzugezogen, bei Gefährdungen nach § 1666 BGB auch als Verfahrensbeteiligte. Den Kindern kann ein Verfahrensbeistand zuordnet werden. Häufig werden Sachverständige für die Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Kriterien bei Trennungssituation sind etwa Erziehungsfähigkeit, Kontinuitätsprinzip, Bindungstoleranz und Kindeswille. Zu den notwendigen Eigenschaften für den Kindeswillen zählen Stabilität, Autonomie usw.

Besteht eine finanzielle Bedürftigkeit, kann im Vorfeld eines Verfahrens bei der Rechtskostenberatungsstelle des zuständigen Amtsgerichts ein Beratungshilfeschein geholt werden. Sobald ein Verfahren begonnen hat, besteht die Möglichkeit, die Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Bei Bewilligung wird der Anwalt dann vom Gericht beauftragt per Beiordnung.

Zu den wichtigsten Gesetzen im Familiengericht zählen das BGB als materielles Recht und das FamFG als formelles Recht (als Nachfolger des FGG 2009). Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe das SGB VIII und das SGB X, sowie ggf. Verwaltungsverfahrensgesetz und die VwGO. Es gibt noch weitere Rechtsquellen. Auch werden gerne Beschlüsse der höchsten Rechtsprechung aus Fachzeitschriften zitiert. Der Anwalt selbst ist unter anderem der BRAO verpflichtet.

Gegen Beschlüsse des Familiengericht ist das Rechtsmittel die Beschwerde binnen eines Monats. Die nächste Instanz ist das Oberlandesgericht. Gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts ist die Anhörungsrüge und die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht mit einer nur schlechten Chance auf Zulassung möglich, wenn gegen Grundrechte aus dem Grundgesetz verstossen wurde. Wenige Elternteile schaffen es danach dann noch mit einer Menschenrechtsbeschwerde bis zum EGMR unter Berufung auf die Verstösse gegen Rechte aus der EMRK. Einige der erfolgreichen Menschenrechtsbeschwerden führten aber auch zu Reformen deutscher Gesetze (siehe Kuppinger, Zaunegger und Görgülü). Zu den Ergebnissen zählen die Gleichstellung von verheirateten und unverheiraten Vätern und das Beschleunigungsgebot im FamFG.

Typische Probleme in Familien können unter anderem Psychische Erkrankungen, Substanzabhängigkeit, häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt, zu wenig Wohnraum, Schulabsentismus usw. sein.

Zu den Hilfen, die als Leistung vom Jugendamt getragen werden, zählen Soziale Gruppenarbeit, (§ 29 SGB VIII), Erziehungsbeistand (§ 30 SGB VIII), Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII), Flexible Hilfe (§ 27 Abs. 2 SGB VIII), Erziehung in einer Tagesgruppe § 32 SGB VIII), gemeinsame Unterbringung von Elternteil und Kind(ern) in einer Mutter/Vater-Kind-Einrichtung (§ 19 SGB VIII) aber auch Formen der Fremdunterbringung wie Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII), Heimerziehung (§ 34 SGB VIII), Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (darunter auch Auslandsmaßnahmen, § 35 SGB VIII), Geschlossene Heimunterbringung (wie Heimunterbringung über § 34 SGB VIII) als Form der freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 1631b BGB) usw. Als öffentlicher Träger tritt das Jugendamt als Teil der Stadtverwaltung auf, daneben agieren die freien Träger, die in der Regel als GbR, e.V. oder GmbH organisiert sind, und zumeist im DPW zusammengeschlossen sind. Die großen Träger, wie etwa aus dem Spektrum von Caritas, Diakonie, AWO und DRK, sind zumeist auch in den kommunalen Jugendhilfeausschüssen vertreten.

Die Inobhutnahme ist eine kurzfristige, vorläufige Unterbringung. Den Minderjährigen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen (§ 42 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Das Jugendamt muss darauf hinwirken, dass der oder die in Obhut Genommene diese Möglichkeit auch wahrnimmt. Die Unterrichtung des Erziehungsberechtigen muss grundsätzlich so gehalten sein, dass der Personensorgeberechtigte bzw. Erziehungsberechtigte den Aufenthaltsort des Kindes oder Jugendlichen eindeutig feststellen kann, sie umfasst also die Weitergabe von Name und Anschrift der Einrichtung.[1][2] Besteht keine unmittelbare Gefahr, die eine Handlung binnen von Stunden erfordert, so ist vorher vom Jugendamt ein Beschluss beim Familiengericht herbeizuführen. Liegt kein Gerichtsbeschluss vor, so ist das erste Instrument für die betroffenen sorgerechtigten Elternteile der Widerspruch und die Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Die Ergänzungspflegschaft bedeutet die Übertragung von einzelnen Wirkungskreisen der Sorge; bei der Vormundschaft sämtlicher Bereich des Sorgerechts. Die personelle Entscheidung trifft der Rechtspfleger (Rechtspflegergesetz); ist dies nicht erfolgt, so ist dies ein hinreichender Grund für eine Beschwerde.

Glossar

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Literatur

  • Michael Langhans: Wichtige Entscheidungen im Sorgerecht. 3. Auflage, März 2020, ISBN 979-8624680166
  • Michael Langhans: Fehler in Gutachten erkennen. 2. Auflage, April 2020, ISBN 979-8634221892
  • Michael Langhans: Die legale Selbstrückführung. September 2019, ISBN 978-1695276314
  • Michael Langhans: Die Amtshaftungsklage: Die Amtspflichten. Februar 2020, ISBN 979-8608782398
  • Michael Langhans: Die Amtshaftungsklage: Der Anspruch. Februar 2020, ISBN 979-8608583810
  • Peter-Christian Kunkel: SGB VIII. Nomos. 8. Auflage, 2021. ISBN 978-3-8487-6358-0
  • Helga Oberloskamp: Vormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft für Minderjährige: Ein Praxishandbuch unter besonderer Berücksichtigung der Vermögenssorge. Beck Familienrecht, 4. Auflage, 2017, ISBN 9783406702808
  • Reinhard Wiesner, Friederike Wapler: SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. C.H.Beck. 6. Auflage. 2021. ISBN 978-3-406-75040-3

Einzelnachweise

  1. vergleiche Wiesner/Kaufmann/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, § 42 Rn. 28
  2. Landesjugendring Thüringen: Fachliche Empfehlungen zur Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII.

Kategorien: Familienrecht, Kinder- und Jugendhilfe