Wikiup:Urheberrechtsfragen/angewandte Kunst

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Diese Seite soll die Ergebnisse und Positionen zu den rechtlichen Grundlagen der Darstellung angewandter Kunst in der Folge der „Geburtstagszug“-Entscheidung (Wortlaut) im November 2013 des deutschen Bundesgerichtshofs sammeln.

For an English summary, please see below.

Worum geht es?

Es geht um den urheberrechtlichen Schutz angewandter Kunst. Auf Wikipedia handelt es sich dabei vor allem um Logos. Derzeit haben wir etwa 38.000 davon in der deutschsprachigen Wikipedia (so oft wird die {{Bild-LogoSH}} eingebunden). Diese sind teilweise simpel, teilweise recht aufwändig gestaltet.

Für den Fall der Logos lassen sich diese in folgende Kategorien einteilen:

Darüber hinaus lässt sich eine 5. Kategorie aushalten, die Logos umfasst, die künstlerisch so aufwändig sind, dass man dabei relativ sicher von einem Werk ausgehen muss, das urheberrechtlichen Schutz genießt.

Diese rein formalen Kategorien beschreiben nur die formale Komplexität, die per se kein Maßstab für die Schöpfungshöhe eines Werkes ist. Diese hängt viel mehr davon ab, ob es sich um ein persönliche geistige Schöpfung von ausreichender Individualität handelt.

Daneben könnten Software-Icons und Fotos von Gebrauchsgegenständen wie Möbel, Lampen, Bestecke, Textilien oder einfach gestaltete Buch-, CD- oder DVD-Cover betroffen sein, die häufig mit der {{Bild-PD-Schöpfungshöhe}} versehen sind.

Was ist der Anlass?

Anlass der aktuellen Diskussion ist die „Geburtstagszug“-Entscheidung[1] des Bundesgerichtshofs. Das Gericht entschied, dass das bisher geltende besondere Schöpfungshöheerfordernis durch die Novellierung des Geschmacksmusterrechts nicht mehr zu rechtfertigen sei und somit Werke der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz genießen, sobald sie „eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer ‚künstlerischen‘ Leistung zu sprechen.“

Wie war es bisher?

Bisher haben wir Logos recht großzügig den urheberrechtlichen Schutz abgesprochen. Einzige Ausnahme waren Logos der Kategorie 5. Die Bilder wurden lokal hochgeladen und mit dem Baustein Vorlage:Bild-LogoSH versehen. Insbesondere bei Logos der Kategorie 4 begegnete dies schon immer Bedenken.

Was ist mit Österreich?

Diese Praxis wurde hier gepflegt, obwohl in Österreich schon seit Langem auch sehr einfache Logos urheberrechtlichen Schutz zugesprochen erhalten, wie unter anderem den Urteilen "Pfeilgraphik" und "Zimmermann-Fitness" des österreichischen Obersten Gerichtshofs zu entnehmen ist. Der OGH geht in diesem Urteil davon aus, dass schon die Verwendung zweier verschiedener Schriftarten in einem reinen Textlogo ausreicht, um urheberrechtlichen Schutz zu begründen.[2] Bisher wurde die österreichische Rechtslage in dieser Thematik angesichts der weit auseinanderklaffenden Rechtsprechung in Deutschland und Österreich ignoriert, wodurch die allermeisten Logos genutzt werden konnten. Da durch das Geburtstagszug-Urteil naheliegend ist, dass sich die Rechtslage in Deutschland derer in Österreich erheblich angenähert hat, gibt es hierfür mittlerweile aber keine Berechtigung mehr.

Die Rechtslage in Österreich

In Österreich schützt das Urheberrechtsgesetz von 1936 (UrhG) nach § 1 Abs. 1 „Werke der bildenden Künste“ als „eigentümliche geistige Schöpfungen“, zu denen nach § 3 Abs. 1 die „Werke des Kunstgewerbes“ zählen, die alternativ[seit wann?] als „Werke der angewandten Kunst“ bezeichnet sind. Dazu zählen auch Gebrauchsgrafiken.[3]

Relevant für den österreichischen Werkbegriff ist besonders das Tatbestandsmerkmal der „Eigentümlichkeit“ aus § 1 Abs. 1 UrhG.[4] Danach muss die Schöpfung den Stempel der Persönlichkeit des Urhebers tragen.[5] Die Schutzfähigkeit eines Werks ist eine Rechtsfrage, zu deren Entscheidung kein persönliches Kunstverständnis erforderlich ist.[6]

Die Rechtsprechung hat den Begriff der Eigentümlichkeit dahin gehend individualisiert, dass nur eine individuell eigenartige Leistung geschützt ist, „die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt“ und zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt hat.[7]

Der österreichische Maßstab der Eigentümlichkeit ist damit mit der Individualität des deutschen Rechts vergleichbar.[8] Deutlicher jedoch als in der zweistufigen Prüfung des deutschen Urheberrechts wird die Eigentümlichkeit, in deren Zusammenhang auch die Begriffe Originalität[9] und Individualität[10] verwendet werden, durch das Abweichen von üblichen Gestaltungen bestimmt. Man spricht insofern von der Unterscheidbarkeit:[11] Eine Darstellung ist dann als Werk schutzfähig, wenn sie entweder einen neuen Gedanken enthält oder sich durch eine originelle Ausgestaltung auszeichnet.[12]

Die österreichische Dogmatik spricht von einem einheitlichen, von Werkkategorien unabhängigen Werkbegriff.[13] Eine besondere „Werkhöhe“, wie sie ausgehend vom deutschen Recht[14] bis Ende der 80er Jahre für alle Werke der bildenden Kunst nach § 3 UrhG gefordert wurde,[15] ist aufgegeben worden.[16] Hier wurde früher auch im Hinblick auf die Möglichkeit des Geschmacksmusterschutzes ein strengerer Maßstab angelegt[17] – dies, obwohl ein Musterschutz für Gebrauchsgrafiken bis zur Reform des österreichischen Geschmacksmustergesetzes 1990 nicht möglich war.[18] Insgesamt wurde so in Österreich „eine höhere Gestaltungshöhe als in Deutschland vertreten“.[19]

Die Folgen der Abkehr vom Erfordernis der Werkhöhe illustrieren zwei aus deutscher Sicht bemerkenswerte Urteile des Obersten Gerichtshofs zu Firmenlogos. Einem alltäglichen „Firmenlogogramm“ für eine Spedition, bestehend aus dem Schriftzug „Bauer“ in einer roten Versalschrift auf einem grauen Pfeil mit einer „einem Kometenschweif ähnlichen Gestaltung des Pfeilschaftes“ und „Striche[n] an der Rückseite der Pfeilspitze“ wurde urheberrechtlicher Schutz zugesprochen[20] ebenso wie einem Firmenlogo für eine Fitnessstudiokette: Ein denkbar einfaches, aus zwei Schriftarten („Zimmermann“ in einer blauen Handschrift, darunter „Fitness“ in einer schwarzen serifenlosen Versalschrift zwischen zwei Mittelpunkten) wurde ohne weitere Begründung für schutzfähig erachtet.[21]

Wenige Jahre zuvor war dem „Unternehmenskennzeichen“ einer Taxizentrale aus zwei stilisierten, mit einer waagerechten Linie verbundenen Flügeln der urheberrechtliche Schutz noch abgesprochen worden, weil es keinen neuen Gedanken verkörpere, sondern eine alltägliche Darstellung des Hermes-Symbols sei.[22]

Gleichwohl besteht weiterhin eine Schutzuntergrenze hinsichtlich eines Mindestmaßes an Eigentümlichkeit.[23] Dieser wird Gestaltungshöhe genannt.[24] Wie im deutschen Recht richtet sich der Schutzbereich des Urheberrechts nach dem Grad der Eigentümlichkeit.[25] Werke an der unteren Grenze der Schutzfähigkeit werden als „kleine Münze“ bezeichnet.[26] Für den Bereich der angewandten Kunst wird das Erfordernis einer bestimmten Gestaltungshöhe weiterhin an der Notwendigkeit der Abgrenzung vom Geschmacksmusterrecht festgemacht.[27]

Was hat sich juristisch geändert?

Ab sofort gilt für angewandte Kunst im deutschen Recht ein neuer Maßstab. Wie dieser Maßstab praktisch aussieht, ist noch nicht abschließend geklärt und wird sich – insbesondere hinsichtlich zweidimensionaler Werke, bei denen es keinerlei Einschränkungen durch den Gebrauchszweck gibt – erst nach und nach durch weitere Urteile zeigen.

Welche Szenarien gibt es?

Wir können uns folgende Entwicklungen des deutschen Urheberrechts vorstellen:

  1. Szenario: Trotz des neuen juristischen Unterbaus bleibt im Ergebnis praktisch alles beim alten. Unwahrscheinlich, aber denkbar.
  2. Szenario: Die Linie zwischen urheberrechtlich geschützten und gemeinfreien Logos verschiebt sich, so dass viele Logos, auch solche aus den Kategorien 3 und 4, nun geschützt sind. Die wahrscheinlichste Entwicklung.
  3. Szenario: Alle Logos, auch solche der Kategorien 1 und 2, sind jetzt urheberrechtlich geschützt. Unwahrscheinlich, aber denkbar.

Was ist das Problem?

  • Entsprechend unseres Grundprinzips Urheberrechte beachten dürfen Grafiken, die urheberrechtlich geschützt sind, nicht genutzt werden – was weitreichende Löschungen zur Folge haben könnte.
  • Rechteinhaber urheberrechtlich geschützter Logos könnten juristisch gegen einzelne Nutzer vorgehen, die solche Dateien hochladen - oder gegen die Wikimedia Foundation.

Was hat das alles mit der Vorlage:Bild-LogoSH zu tun?

Die Vorlage spricht derzeit vordergründig nur von Markenrechten. Ihren zweiten Zweck, nämlich der entsprechenden Datei die Schöpfungshöhe und damit den urheberrechtlichen Schutz abzusprechen, erwähnt sie derzeit nicht. Mit dieser Vorgehensweise soll dem Markenhalter nicht auf die Füße getreten werden, wie es beim Logo der Technischen Universität München der Fall war.

Welche Handlungsoptionen haben wir?

Wir haben folgende Möglichkeiten, die wir teilweise kumulativ wahrnehmen können:

  1. Option: Nichts tun.
  2. Option: Abwarten, bis sich die Rechtslage weiter geklärt hat, und dann entscheiden.
  3. Option: Ein Rechtsgutachten in Auftrag geben. erledigtErledigt (für Deutschland)[28]
  4. Option: Nutzer vor möglichen Urheberrechtsverletzungen durch einen Hinweisbaustein in der Vorlage:Bild-LogoSH warnen.erledigtErledigt
  5. Option: Über eine neue rechtliche Grundlage für die Verwendung urheberrechtlich geschützter Logos nachdenken – sei es als Bildzitat oder mittels anderer Schranken des Urheberrechts, sei es durch die Einholung individueller Freigaben für alle betroffenen Dateien, eventuell verbunden mit der Einführung eines neuen Lizenzbausteins „nur für den enzyklopädischen Einsatz“.
  6. Option: Logos der Kategorien 3 bis 5 löschen, eventuell auch einzelne Logos der Kategorie 2, wenn in diesen eine „künstlerische Leistung“ zu erkennen ist. Der Rest kann wahrscheinlich nach Commons.
  7. Option: Auch die Rechtslage in Österreich beachten. Damit müssten wohl auch Logos der Kategorie 2 sowie ein Teil der Logos aus Kategorie 1 gelöscht werden, wobei reine Textlogos, die nur aus Text in einer Schriftart bestehen, weiter akzeptabel sind.

Welche juristische Grundlage gibt es bisher?

Aufsätze und Kommentierungen

Bisher gibt es die folgenden Veröffentlichungen zum Thema (Stand 10.1.2016):

  1. Hartwig Ahlberg: § 2 UrhG, in: Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 3. Aufl. 2015.
    Die Rechtsprechungsänderung wird nur knapp dargestellt. Nach Ansicht Ahlbergs ist die Eigentümlichkeit weiterhin nicht schon erreicht, wenn „sich die Gestaltung von dem Alltäglichen, Routine- bzw. Handwerksmäßigen abhebt“. Es gelte „nach wie vor gewissermaßen eine zweite Prüfungsstufe [...], auf welcher die Trennungslinie zwischen einer unteren Eigentümlichkeit und einer erst den Urheberrechtsschutz begründenden höheren Eigentümlichkeit zu bestimmen ist“. Die einzelnen Werkarten werden ausschließlich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung besprochen. Eine Kommentierung zu Logos fehlt.
  2. Malek Barudi: Europäischer Werkbegriff und besondere Gestaltungshöhe, Eine Betrachtung des BGH-Urteils Geburtstagszug, UFITA 2014, 49-68.
  3. Nils Dietrich/Stephan Szalai: Mit dem Geburtstagszug zum Urheberrechtsschutz – Das Urteil des BGH vom 13.11.2013 – I ZR 143/12 und seine Folgen, DZWIR 2014, 158-172.
    Dietrich und Szalai verstehen das Urteil so, dass die kleine Münze „von nun an für alle Werkkategorien als schutzbegründend gelten soll“, was eine „nicht zu rechtfertigende Überprotektion“ darstelle, die im Bereich der Gebrauchskunst besonders deutlich werde. Dem müsse jetzt durch eine „Einzelfallbetrachtung“ entgegengewirkt werden. Auf Tatbestandsseite muss die Gestaltung nicht nur über „technische Funktionsnotwendigkeiten“, sondern auch über „thematische Gestaltungsvorgaben“ hinausgehen. Urheberrechtlicher Schutz dürfe nicht die „verbleibende Gestaltungsfreiheit“ beeinträchtigen; auch „sehr naheliegende Gestaltungen“ müssten „gemeinfrei bleiben.“
  4. Pascal Fehlbaum: La délimitation entre le design et le droit d’auteur au regard de l’affaire du train d’anniversaire («Geburtstagszug»), sic! 2015, 74–84.
    Verzicht auf besondere Gestaltungshöhe im Bereich der angewandten Kunst ist zu begrüßen.
  5. Christian Klawitter: Urheberrechtsschutz für Designleistungen: Kehrtwende oder Randkorrektur?, GRUR-Prax 2014, 30-33.
    Klawitter hält die Entscheidung für verfehlt. Hinsichtlich der Praxisfolgen des Urteils geht er davon aus, dass auch der Bundesgerichtshof nicht wolle, „dass künftig beliebige handwerkliche Designleistungen Urheberrechtschutz genießen.“ Hinsichtlich der neuen Schutzschwelle bestehe nun ein „weit höhere[s] Maß an Rechtsunsicherheit“. Geschützt sei jedoch weiterhin nicht die „‚gestalterische‘“, sondern nur eine „‚künstlerische‘ Leistung“. Dafür fordere der Bundesgerichtshof nach wie vor „eine ‚nicht zu geringe Gestaltungshöhe‘“.
  6. Till Kreutzer: Geburtstagszug: Wie der BGH den Design-Schutz erweitert, iRights info, 18. Januar 2014.
    Kreutzer versteht das Urteil so, dass der Bundesgerichtshof der Auffassung ist, „Urheberrechte zunächst großzügig zu gewähren und dafür deren Schutzumfang eher kurz zu halten“. Daher genössen nun „quantitativ viele Gestaltungen“ urheberrechtlichen Schutz, der jedoch vom Schutzumfang her „qualitativ schwach ausgeprägt“ sei. Kreutzer lässt offen, wo die Schutzschwelle nun liegt. Er warnt davor, „dass nunmehr massenhaft Designs – zum Beispiel in der Mode – dem automatisch entstehenden und sehr weit gehendem sowie langwierigen Urheberrechtschutz unterfallen“.
  7. Kathrin-Lena Kriesel: Einheitlicher europäischer Werkbegriff und Herabsenkung der Anforderungen an die Gestaltungshöhe bei Werken der angewandten Kunst. Peter Lang, Frankfurt a.M. 2014, 199–203.
    Im Ergebnis zu begrüßen, Entscheidungsbegründung nicht voll überzeugend. Dem Geschmacksmuster-Argument ist zwar beizupflichten (S. 203), eine Abkehr der Rechtsprechung wäre aber auch europarechtlich geboten gewesen, weil nach Infopaq/DDF grundsätzlich keine besondere Gestaltungshöhe mehr verlangt werden kann.
  8. Rasmus Ludwig: Kommentar zu BGH, Urteil vom 13.11.2013, I ZR 143/12 – Geburtstagszug, K&R 2014, 111 f.
    Ludwig ist der Ansicht, „Grafik-, Web-, Kommunikations- […] und Produktdesign“ seinen „nunmehr in signifikant größerem Umfang dem Urheberrecht zugänglich.“ Künftig stehe „Designern damit selbst bei durchschnittlichen Leistungen die Tür zu einem weitreichenden Urheberpersönlichkeitsrecht offen.“ Künftig werde man „Logi- und Markenentwicklier verstärkt als Urheber wahrnehmen müssen.“
  9. Nils Rauer/Diana Ettig: Urheberrechtsschutz für Werke angewandter Kunst, BGH gibt ständige Rechtsprechung auf, Zugleich eine Anmerkung zu BGH, Urteil vom 13.11.2013, I ZR 143/12 – Geburtstagszug, WRP 2014, 135-140.
    Rauer und Ettig gehen davon aus, dass die Entscheidung „im Ergebnis sowohl in der Praxis als auch im Schrifttum Zustimmung finden“ werde. Sie kritisieren die mangelnde Befassung des Bundesgerichtshofs mit europäischem Recht. „[N]ur bei Werken mit einer besonderen Gestaltungshöhe“ werde die lange Schutzdauer des Urheberrechts seine „Wirkung“ tatsächlich entfalten, da nur diese sich „über einen so langen Zeitraum wirtschaftlich vermarkten“ ließen.
  10. Michael Ritscher, Peter Schramm: Praxisänderung in Deutschland zum urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst, sic! 2014, 303–306.
    Urteil rechtsdogmatisch begrüßenswert; bedauerlich, dass aufgrund der Ablehnung des einheitlichen Werkbegriffs nicht dem EuGH vorgelegt, insbesondere mit Blick auf wohl abweichende niederländische Rechtsprechung. Praktische Auswirkungen fraglich: „[a]uffallend, wie oft der BGH in diesem Urteil das Adjektiv ‚künstlerisch‘“ verwendet, sodass Urteil möglicherweise auch „zu einer Beibehaltung oder sogar Erhöhung der urheberrechtlichen Schutzschwelle für Produktgestaltungen durch die Hintertür“ führen könnte.
  11. Haimo Schack: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 13.11.2013, I ZR 143/12 – Geburtstagszug, JZ 2014, 207 f.
    Schack stellt fest, der Bundergerichtshof propagiere mit seiner Entscheidung „keine niedrige Schutzschwelle im Sinne der kleinen Münze“. Denn dem grundlegenden Erfordernis einer „‚künstlerischen‘ Leistung“ steht die Aussage des Urteils gegenüber, die individuelle Gestaltung müsse immer noch eine Gestaltungshöhe erreichen, „die Urheberrechtsschutz rechtfertigt“. Gerade bei „mehr oder weniger gewöhnliche[n] Gebrauchsgegenständen“ müsse eine Monopolisierung über viele Jahrzehnte verhindert werden.
  12. Gernot Schulze:  Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst – Geburtstagszug, Anmerkung, NJW 2014, 475.
    Schulze meint, urheberrechtlicher Schutz sei nun gegeben, wenn die Gestaltung nicht „durch den Gebrauchszweck und dessen Funktion vorgegeben“ sondern wenn von einem vorhandenen Gestaltungsspielraum „auf individuelle Weise Gebrauch gemacht worden ist.“
  13. Jürgen Strauß: Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst, GRUR-Prax 2014, 17 f.
    Strauß weist lediglich darauf hin, die Entscheidung sei „von großer praktischer Bedeutung für Schöpfer/Nutzer von Werken der angewandten Kunst“ und geht auf die Folgen für Altfälle ein.
  14. Stephan Szalai: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 13. November 2013, I ZR 143/12 – Geburtstagszug, ZUM 2014, 231-234.
    Szalai kritisiert die unzureichende Begründung des Urteils und die fehlende Betrachtung der Folgen der Rechtsprechungsänderung. Auf den ersten Blick führe die neue Rechtsprechung dazu, „dass jede Art von noch so banaler Gebrauchskunst potenziell Urheberrechtsschutz erfährt.“ Eine Korrektur dieser „Überprotektion“ sei „dringend geboten“. Nur ein über die „geringste[n] Anforderungen an ein Werk“ hinausgehendes „Mindestmaß an Kreativität und schöpferischer Leistung“ rechtfertige „die weitreichenden Rechtsfolgen der Schutzgewährung“. Es erscheine sinnvoll, „die kleine Münze ein wenig größer werden zu lassen“.
  15. Eva Vonau: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 13.11.2013, I ZR 143/12 – Geburtstagszug, CR 2014, 166-168.
    Vonau nimmt das Urteil zum Anlass, den Schutz der kleinen Münze an sich in Frage zu stellen. Verwerter werden vielmals Schwierigkeiten haben, ihr neuerliches Urheberrecht geltend zu machen, da es in Altfällen wohl nicht wirksam mitübertragen wurde.
  16. Axel Nordemann: § 2 UrhG, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl. 2014.
    Nordemann hegt Zweifel an Veränderungen für die große Mehrheit der Gestaltungen, da nur durchschnittliche Leistungen auch nach dem neuen Maßstab nicht künstlerisch und damit ungeschützt bleiben werden. Allenfalls sei eine Schutzfähigkeit für Schmuck denkbar, wo die Funktion die Form weniger vorgibt. Weiterhin nur geschmacksmusterrechtlich schutzfähig sei jedoch die „bloß handwerkliche Gebrauchsgrafik“.

Zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des „Geburtstagszuges“ äußern sich die Autoren unterschiedlich (dafür Schulze, dagegen Schack und Dietrich/Szalai, offen Rauer/Ettig).

Gerichtsentscheidungen

  1. LG München, Teilurteil vom 18.7.2014, Az. 21 O 12546/13 – „Geburtstagszug“ war nicht entscheidungserheblich.
  2. OLG Frankfurt, Urteil vom 27.5.2014, Az. 11 U 117/12 – „Geburtstagszug“ war nicht entscheidungserheblich.
  3. OLG Schleswig, Urteil vom 11.9.2014, Az. 6 U 74/10 – Abschließende Entscheidung des BGH-Falls. Dem „Geburtstagszug“ wurde die Schutzfähigkeit auch nach dem neuen Maßstab des BGH nicht zugesprochen, der ‚Geburtstagskarawane‘ dagegen schon.
  4. LG München I, Urteil vom 26.11.2014, Az. 37 O 28164/13 - mit Hinweis auf das "Geburtstagszug"- Urteil wurde ein Logo in Form eines Graffitis als Werk der angewandten Kunst geschützt. Der Schriftzug zeichne sich durch "eine verspielt-schwungvolle Ästhetik" aus. Es fielen "die Neigung der Buchstaben, der »verlängerte« Buchstabe K und die »Schlaufe« am Ende des Logos ins Auge". Bei Graffititags sei "– anders als beispielsweise bei einer Gebrauchsschrift – das schöpferische und ästhetische Element von besonderer Bedeutung". Zudem spreche "die Tatsache, dass der Beklagte unstreitig das Logo in 50 verschiedenen Varianten zu Papier gebracht hat, für eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten."

Wie gehen wir weiter damit um?

Vom 18. bis zum 20. Juli 2014 fand in Essen ein Workshop zum Thema statt. Die entstandene Problematik hinsichtlich des Logobestands sowie die Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen wurden auf dem Workshop intensiv diskutiert. Es bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass die bisherige Vorgehensweise revidiert werden muss; daher wurden verschiedene mögliche Vorgehensweisen besprochen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich hier.

Als vorerst neue praktikable Auslegung erwies sich die Beurteilung analog zur Commons-Regelung PD-Textlogo (→ Commons-Vorlage PD-textlogo): Akzeptiert werden können weiterhin Logos, die aus einfachen geometrischen Formen und „Brotschriften“ bestehen.

Als weitere mögliche zukünftige Lösungen wurden Freigaben der Nutzungsrechteinhaber für enzyklopädische Zwecke (→ erhebliche Bedenken!) sowie die generelle Einführung von Bildzitaten, die auch für Logos verwendet werden könnten, diskutiert. Die Nutzung von Logos im Rahmen des Zitatrechts ist allerdings nur dann möglich, wenn das Logo selbst im Artikel intensiv besprochen wird, was derzeit nur bei sehr wenigen Artikeln der Fall sein dürfte. Eine generelle Einführung von Bildzitaten soll geprüft werden.

Als inhaltlicher Ersatz für Unternehmenslogos könnten zudem Abbildungen von Firmenschildern, Leuchtreklamen u.ä. dienen, die im Rahmen der Panoramafreiheit erstellt wurden und neben dem Logo auch noch die Firmenarchitektur zeigen.

Vorgehensweise ab sofort

Der weitere Verlauf der Diskussionen sowie die Beurteilung der neuen Rechtsprechung in der Fachliteratur gehen teils sehr deutlich auseinander, sodass es nicht realistisch möglich ist, die neue Schwelle zum Erreichen der Schöpfungshöhe von Werken angewandter Kunst abzuschätzen. Die Überlegung, alle neu hochgeladenen Logos entweder nach Commons zu verschieben oder zu löschen, hat sich wegen der vielen unterschiedlichen Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Logos in den verschiedenen Ländern als nicht praktikabel erwiesen. Eine neue pragmatische Lösung wurde bislang nicht gefunden (→ Diskussion).

Aufgaben

English summary

Until recently, German jurisdiction demanded a very high threshold of originality specific to works of design, that are called applied art in Germany. In 2013, the German Federal Supreme court abandoned its previous case law of a specific threshold for applied art, while maintaining the necessity of originality by artistic merit as indicator of copyright. Originally the German-language Wikipedia community made use of the former jurisdiction by locally uploading tens of thousands of graphic works and using them in articles, especially company logos. Since the new verdict, the German-language Wikipedia community has been debating how to deal with the situation. The issue is further complicated by the fact that Austrian copyright law probably provides a rather low threshold of originality for logos, which had so far been ignored. Current community practice is setting the standards for new uploads at a slightly higher level. Other than that, no conclusion has been drawn yet.

Further reading:

Einzelnachweise

  1. BGH, Urteil vom 13. November 2013, Az. I ZR 143/12.
  2. Diskussion von 2010.
  3. OGH ÖBl 1992, 182 – City-Gemeinschaft Klagenfurt; OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Tonninger, Bernhard, in: Kucsko, Guido (Hrsg.): urheber.recht. Systematischer Kommentar zum Urheberrechtsgesetz, Wien 2008, S. 137; Walter, Michel M., Österreichisches Urheberrecht. Handbuch. I. Teil: Materielles Urheberrecht, Leistungsschutzrecht, Urhebervertragsrecht, Wien 2008, Rn. 195; vgl. OGH ÖBl. 1954, 18 – Kindercreme; OGH ÖBl. 1990, 136 – Happy Skiing; OGH ÖBl. 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; OGH ÖBl. 1996, 56 – Pfeilgraphik; OGH, ÖBl 2000, 130 – Zimmermann Fitness.
  4. Kucsko, S. 89.
  5. Walter, Rn. 120.
  6. OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme.
  7. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Kucsko, S. 89 f.; Walter, Rn. 121; OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme.
  8. OGH MR 2003, 162 – Felsritzbild; Kucsko, S. 90.
  9. OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme; Walter, Rn. 109.
  10. OGH ÖBl 1996, 56 – Pfeilgraphik.
  11. Walter, Rn. 121.
  12. OGH ÖBl 1996, 56 – Pfeilgraphik; Kucsko/Tonninger, S. 138.
  13. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Kucsko, S. 91.
  14. Vgl. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt, mit Verweis auf RGZ 76, 344 – Drucktypen.
  15. OGH ÖBl 1954, 18 – Kindercreme; OGH ÖBl 1962, 77 = GRURInt 1963, 215 – Igelpuppen.
  16. OGH ÖBl 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt; Walter, Rn. 114, 119, 121; Kucsko, S. 91; Thoms, Frank, Der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, Historische Entwicklung – Rechtsvergleichung - Rechtspolitische Wertung, München 1980, S. 188.
  17. OGH ÖBl 1985, 24 = GRURInt 1985, 684 – Mart Stam-Stuhl I; Walter, Rn. 114.
  18. Walter, Rn. 115; vgl. OGH ÖBl. 1992, 81 – Bundesheer-Formblatt.
  19. Thoms, S. 177, 186 f.
  20. OGH ÖBl 1996, 56 – Pfeilgraphik.
  21. OGH ÖBl 2000, 130 – Zimmermann Fitness; mit Verweis auf OGH ÖBl 1990, 136 – Happy Skiing.
  22. OGH ÖBl 1993, 132 – Hermes-Symbol.
  23. Walter, Rn. 109; Kucsko, S. 91.
  24. Walter, Rn. 196.
  25. Kucsko, S. 91 f.
  26. Kucsko, S. 92.
  27. Walter, Rn. 196 (mit Verweis auf Schack, Kunst und Recht, Bildende Kunst, Architektur, Design und Fotografie im deutschen und internationalen Recht, 1. Aufl., Tübingen 2004).
  28. Erhältlich über Jan Engelmann (WMDE).