Wortart

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Unter Wortart, auch Redeteil oder lexikalische Kategorie, versteht man eine Klasse von Wörtern in einer bestimmten Sprache aufgrund der Zuordnung nach gemeinsamen Merkmalen.

Bei der Einteilung nach Wortarten geht es um Merkmale, die mit einem Wort fest verbunden sind und die das Wort bereits für sich allein hat (lexikalisch). Dies steht im Gegensatz zur grammatischen Funktion eines Wortes im Satz wie Subjekt, Objekt, Adverbial, Attribut – also der Art der Beziehung zu anderen Satzteilen, die ein Ausdruck in einer bestimmten Verwendung aufweist.

Welche und wie viele Wortarten man ansetzt, unterscheidet sich je nach Sprache und ist in der Sprachwissenschaft oft Gegenstand von Kontroversen. Zumindest die Unterscheidung in Verben (Tätigkeitswörter) und Substantive (Gegenstandswörter) wird aber oft als universal angesehen. Beispiele für weitere Wortarten, die jedoch nicht für alle Sprachen angesetzt werden oder nicht in allen Sprachen gleich wichtig sind, sind Adjektiv bzw. Eigenschaftswort oder Präposition bzw. Verhältniswort.

Wörter können nach unterschiedlichen Arten von Merkmalen eingeteilt werden: nach Merkmalen der Bedeutung (semantisch), der Formenbildung (Flexion, also morphologisch) oder syntaktisch, d. h. danach, welche Verwendung im Satz sie prinzipiell erlauben. Für die Bestimmung von Wortarten werden in der Regel verschiedenartige Kriterien kombiniert. Beispielsweise zeichnen sich Adjektive im Deutschen dadurch aus, dass sie syntaktisch zwischen Artikel und Substantiv erscheinen können, dort Flexionsformen zeigen und typischerweise eine Eigenschaft angeben. Verben werden im Deutschen konjugiert, haben also verschiedene Zeitformen und Personalformen, fordern bestimmte Ergänzungen als Subjekt und Objekt im Satz und bezeichnen typischerweise Ereignisse oder Zustände.

In der Computerlinguistik werden Verfahren entwickelt, um Wörter eines Textes automatisch Wortarten zuzuordnen (Part-of-speech-Tagging).

Geschichte der Wortartlehre

Sanskrit-Grammatik

Die Klassifikation der Wörter in lexikalische Kategorien wird seit den frühesten Anfängen der Linguistik unternommen.[1] In der Nirukta, im 5. oder 6. Jahrhundert v. Chr. geschrieben, definiert der Sanskrit-Grammatiker Yāska vier Wortarten.[2]

  1. nāma – Nomen
  2. ākhyāta – Verben
  3. upasarga – Präverben oder Präfixe
  4. nipāta – Partikeln (invariante Wörter, vielleicht auch Präpositionen)

Diese vier Gruppen wurden in zwei große Klassen eingeteilt: in beugbare (flektierbar) (Nomen und Verben) und unbeugbare Wörter (Präverben und Partikeln).

Abendländische Geschichte der Wortartlehre

Ein oder zwei Jahrhunderte später schrieb Platon im Dialog Kratylos, dass ein Satz eine Kombination von Verb [rhē̂ma] und Nomen [ónoma] sei.[3] Von Aristoteles wurde später als weitere Klasse [sýndesmos] („Verbindungswort“, das ist Partikel (unflektierbare Wortarten)) hinzugefügt.[4][5]

Am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. hatte sich das Klassifikationsschema auf acht Kategorien ausgeweitet, so in der Téchnē Grammatikḗ:[6]

  1. Nomen: kasusflektierter Redeteil, der eine konkrete oder abstrakte Entität bezeichnet.
  2. Verb: nicht kasusflektierter Redeteil, der nach Zeit, Person und Zahl flektiert und eine Tätigkeit oder einen Prozess bezeichnet.
  3. Partizip: Redeteil, der an der Eigenart (altgriechisch ἰδιότης idiótēs) sowohl von Verben als von Nomen teilhat.
  4. Artikel: kasusflektierter Redeteil, der einem Nomen vor- oder nachgestellt ist.
  5. Pronomen: durch ein Nomen ersetzbarer Redeteil, der für eine Person steht.
  6. Präposition: Redeteil, der vor anderen Wörtern in Zusammensetzungen und in der Syntax steht.
  7. Adverb: unflektierter Redeteil, der ein Verb modifiziert oder ihm hinzugefügt ist.
  8. Konjunktion: Redeteil, der den Diskurs zusammenhält und Lücken in seiner Interpretation füllt.

Die lateinischen Fachtermini für die Wortarten erscheinen als Lehnübersetzungen der griechischen.

Die lateinische Grammatik von Priscian (5. Jahrhundert n. Chr.) verzichtete auf die im Lateinischen nicht vorkommende Wortart Artikel, brachte aber die Wortart Interjektion in seinem Schema unter, so dass es zunächst bei acht Wortarten blieb.

In der deutschen Grammatik hat sich daraus die Zehn-Wortarten-Lehre entwickelt (siehe unten).

Überblick

Technē Grammatikē (etwa 100 v. Chr.) ónoma
(Nomen (Substantiv oder Adjektiv))
epírrhēma
(Adverb)
rhē̂ma
(Verb)
metochḗ
(Partizip)
próthesis (Präposition) sýndesmos
(Konjunktion)
antōnymía
(Pronomen)
árthron
(Artikel)
(epítheton
(Adjektiv))
(arithmētikón & taktikón
(Grund- & Ordnungszahlwort))
Priscianus (etwa 500 n. Chr.) nomen interiectio aduerbium uerbum participium praepositio coniunctio pronomen
neulateinische Grammatik nomen interjectio adverbium verbum [temporale] participium praepositio conjunctio pronomen articulus
[nomen] substantivum [nomen] adjectivum [nomen] numerale
deutsche Grammatik (19.–20. Jh.) Nomen Numerale Interjektion Adverb Verb Partizip1 Präposition Konjunktion Pronomen Artikel
Substantiv Adjektiv
traditionelle englische Grammatik noun numeral, number interjection adverb verb participle preposition conjunction pronoun article
[noun] substantive bzw. substantive [noun]
auch: noun (im engen Sinne)
[noun] adjective bzw. adjective [noun]
auch: adnoun
moderne englische Schulgrammatik noun
(naming word)
adjective
(describing word, description word)
(numeral, number) interjection adverb verb
(action word)
(participle) preposition conjunction pronoun article2
1 Partizipien wurden in der traditionellen Grammatik oft als eigene Wortart gezählt. In der heutigen Sprachwissenschaft wird diese Sicht nicht mehr geteilt. Partizipien werden als Wörter oder sogar Konstruktionen angesehen, bei denen in wechselnden Anteilen verbale und adjektivische Komponenten enthalten sind.[7] Die meisten germanistischen Lehrbücher und Schulgrammatiken bezeichnen Partizipien als Verbformen.[8]
2
article
wird im Englischen manchmal als Wortart angesehen und manchmal nicht

Wortartklassifikation der klassischen deutschen (Schul-)Grammatik

Überblick

Standardform: Zehn-Wortarten-Lehre

Eine gängige Wortartklassifizierung der deutschen Sprache nennt 10 Wortarten.[9] Die Zehn-Wortarten-Lehre ist aus der lateinischen und griechischen Grammatiktradition hervorgegangen (siehe oben) und wurde über sehr lange Zeit angewandt. Sie nennt folgende Wortarten:

  1. Substantiv/Nomen (Haupt- oder Dingwort)
  2. Verb (Zeit- oder Tätigkeitswort)
  3. Adjektiv (Eigenschafts- oder Beiwort)
  4. Adverb (Umstands- oder Nebenwort)
  5. Pronomen (Fürwort)
  6. Präposition (Verhältnis- oder Vorwort)
  7. Konjunktion (Bindewort)
  8. Numerale (Zahlwort)
  9. Artikel (Geschlechtswort, Begleiter)
  10. Interjektion (Ausrufe- oder Empfindungswort)

Geringfügige Varianten

Die obige Auflistung wird auch als Zehn-Wortart-Lehre bezeichnet. Dieser kann man eine Neun-, Acht- usw.-Wortart-Lehre gegenüberstellen.

Aufgabe der Wortart Artikel

Eine Variante der Zehn-Wortarten-Lehre ist die Auffassung, nach der der Artikel nicht als eigenständige Wortart, sondern als Sonderform des Numerals (unbestimmter Artikel) bzw. des Pronomens (bestimmter Artikel) angesehen wird.[10] Man spricht auch von der Neun-Wortart-Lehre.

Aufgabe der Wortart Numeralia

Mitunter wird die Selbstständigkeit einer Kategorie Numeralia verneint[11] und diese werden dann den Adjektiven zugeschlagen.[12] Bleibt es dabei, hat man eine weitere Neun-Wortart-Lehre, bei Wegfall auch des Artikels eine Acht-Wortart-Lehre:

Argumente dagegen: Zwischen zwei gleichgestellten gleichrangigen Adjektiven wird ein Komma gesetzt.[13] Jedoch müssen Numerale zwangsläufig vor dem attributiven Adjektiv stehen, weshalb sie nicht als gleichrangige Adjektive bezeichnet werden können und dort auch kein Komma hinkommen kann. Folglich sind sie keine Adjektive.

Austausch der Wortart Numeralia durch eine Wortart Partikel

Teilweise wird die Wortart Numeralia verneint und stattdessen als eigenständige Wortart die der Partikeln eingeführt.[14] Diese dann wieder Zehn-Wortarten-Lehre entspricht allerdings nicht der klassischen Wortartlehre.[15]

Aufgabe der Wortart Interjektion

Die Wortart Interjektion wird teilweise (zusätzlich) als unwichtiger Sonderfall ausgeblendet. Entfällt auch die Kategorie des Zahlworts, hat man eine Acht-Wortart-Lehre.[16]

Wortarten nach der klassischen Einteilung im Einzelnen

Flektierbare

Substantiv (Hauptwort, Dingwort)

Substantiv (Hauptwort, Dingwort; teilweise auch Nomen, Namenwort, Nennwort): Hanna, Rhein, Haus, Garten, Schwein, Computer, Frau, Milch, Eisen, Vernunft, Zusammenhang. Nach Art der Bezugsgegenstände lassen sich unterscheiden:

  • konkrete Substantive (mit den Sinnen wahrnehmbare, anfassbare Dinge)
  • abstrakte Substantive (nur geistig wahrnehmbare Dinge)
  • Eigenname (nomen proprium): setzt Gegenstandskenntnis und Namenszuordnung voraus
  • Gattungsname (nomen appellativum): bezieht sich auf die Art, Gattung von Dingen
  • Sammelname (nomen collectivum):
  • Stoffname (nomen materiale): bezeichnet eine Substanz, ist in dieser Bedeutung nicht zählbar und nicht pluralfähig (bezeichnet werden dann allenfalls Arten: Stähle)

Grammatisch bestimmbare Sondertypen sind:

  • Singularetantum oder Singularwort: tritt nur im Singular auf (zum Beispiel Schnee, Milch, Zorn)
  • Dualetantum: tritt in einigen semitischen Sprachen auf, z. B. Hebräisch מים, majim: Wasser.
  • Pluraletantum oder Pluralwort: tritt nur im Plural auf (zum Beispiel Alpen, Kanaren, Leute)
Verb (Tätigkeitswort, Zeitwort)

Verb (Tätigkeitswort, Zeitwort): lachen, laufen, reden, lieben, schreien, hassen. Verben können Prozesse, Zustände oder abstrakte Sachverhalte bezeichnen.

Grammatische Eigenschaften im Deutschen:

  • finit (konjugiert) oder infinit (unkonjugiert)
  • in sechs verschiedenen Zeitformen zu gebrauchen: Präsens, Präteritum/Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und Futur II
  • Genera verbi: Aktiv (Tatform) oder Passiv (Leideform)
  • transitiv oder intransitiv
  • Modi: Indikativ, Konjunktiv oder Imperativ
Adjektiv (Eigenschaftswort)

Beispiele: rot, schön, behindert, hoch, groß. Adjektive können Substantive modifizieren, um einen Gegenstandsbereich einzuschränken (restriktiver Gebrauch) oder Zusatzinformationen zu geben (appositiver Gebrauch):

  • attributiver Gebrauch (Adjektiv unmittelbar vor Substantiv): primäre Verwendung
  • prädikativer Gebrauch (Adjektiv vor allem bei den Verben sein, werden, scheinen, bleiben)
  • adverbialer Gebrauch (Adjektiv als eigenes Satzglied; im Deutschen haben Adjektive meist keine spezielle Endung, um adverbiellen Gebrauch zu markieren)
  • substantivierter Gebrauch (Adjektiv wird als Substantiv gebraucht, im Deutschen dann entsprechend großgeschrieben)

Bei vielen Adjektiven gibt es die Vergleichsform (Steigerung, Komparation): groß, größer, größter; manche sind zwar formal, jedoch nicht semantisch sinnvoll steigerbar, etwa: ledig, schwanger, tot.

Ausdrücke, die nur mit einem Verb wie sein, werden oder bleiben kombiniert werden können, heißen Adkopula: pleite, schuld, quitt. Sie weisen jedoch einige Gemeinsamkeiten mit Adjektiven auf, fallen also vielleicht in diese Klasse.[17]

Numerale (Zahlwort)

Numeralia sind Wörter die eine Menge oder einen Rang angeben. Einige Zahlwörter könnten eine eigene Wortart darstellen, sofern sie Eigenschaften haben, die andere Wortarten nicht teilen. Viele der als Zahlwörter (im weitesten Sinne) bezeichneten Wörter fallen jedoch in andere Wortarten:

  • Kardinalia (Grundzahlwörter): eins, zwei, drei
  • Ordinalia (Ordnungszahlwörter): erster, zweiter, dritter
  • Iterativa: einmal, zweimal, dreimal … (Adverbien)
  • Multiplikativa: einfach, zweifach, dreifach … (Adjektive)
  • Partitiva (Bruchzahlwörter): drittel, viertel, achtel
  • Spezialia (Gattungszahlwörter): einerlei, zweierlei, dreierlei
  • Indefinite Numeralia: alle, viele, manche wenige … (siehe auch unter: Quantoren)
Artikel (Begleiter, Geschlechtswort)

Ein Artikel (in der traditionellen Grammatik auch Geschlechtswort, Begleiter) ist ein grammatisches Wort, das stets ein Nomen (Substantiv oder substantiviertes Adjektiv) begleitet.

  • definiter Artikel (bestimmtes Geschlechtswort): der, die, das (Genitiv: des, der)
  • indefiniter Artikel (unbestimmtes Geschlechtswort): ein, eine (Genitiv: eines, einer)
Pronomen (Fürwort)

Beim Pronomen (auch: Fürwort) handelt es sich um eine Zusammenfassung von Wörtern, die keine Eigenschaften beschreiben, sondern direkt auf einen Gegenstand verweisen können. Sie bilden eine heterogene Gruppe.

Quantoren (Mengenwort)

Quantoren sind Wörter, mit denen Mengenangaben dargestellt werden, wie zum Beispiel: kein, alle, wenig, viel. Nach IDS-Grammatik können sie sowohl determinative als auch pronominale Funktionen haben.

Nicht flektierbare

Nicht flektierbar sind diejenigen Wörter, die in allen Sätzen oder Stellungen unveränderbar bleiben. Sie werden auch Partikel (im weiten Sinne) oder Redeteilchen genannt.

Adverb (Umstandswort)

Adverbien wie hier, da, dort, heute, darum, deshalb sind Einzelwörter, die in der Regel in der Funktion der adverbiellen Bestimmung vorkommen. Häufige Bedeutungstypen sind z. B.

  • Adverb des Ortes (Lokaladverb): hier, da, unten, dort, nirgends, hinüber, her
  • Adverb der Zeit (Temporaladverb): morgen, damals, bereits, schon, oft, bald, immer
  • Adverb der Art und Weise (Modaladverb): gern, anders, vergebens, fast, zwar, sehr
  • Adverb des Grundes (Kausaladverb): darum, deshalb, deswegen, folglich, dazu, dafür

Adverbien können auch zur Bestimmung von Satztypen beitragen und

  • Fragesätze einleiten: Frageadverbien wie Wo? Wann? Wie? Warum?
  • Relativsätze einleiten: Relativadverbien
Präposition (Verhältniswort)

Präpositionen bestimmen den Kasus der Wortgruppe, zu der sie gehören (Rektion). Sie lassen nur einen der obliquen Kasus zu. Im Deutschen sind das: Genitiv, Dativ, Akkusativ. Nach diesem Kriterium scheiden als und wie, die mit jedem Kasus auftreten können, als Präpositionen aus.

Präpositionen können semantisch subklassifiziert werden: So ist wegen eine Präposition, die auf die Ursache, den Grund hinweist; mittels eine Präposition, die auf ein eingesetztes Mittel verweist. Es ergeben sich die Bedeutungsklassen, die auch für adverbielle Bestimmungen angegeben werden können, z. B.:

  • lokal
  • direktional
  • temporal
  • kausal
  • modal
Konjunktion (Bindewort)

Klassisch werden Konjunktionen unterteilt in:

  • beiordnende (parataktische)
  • unterordnende (hypotaktische, Subjunktionen)
Interjektion (Ausrufe- oder Empfindungswörter)

Interjektionen wie oh, nein, na, ja oder hm sind mündlich, haben Töne und ungewöhnliche Lautkombinationen (brr), lenken aus der Hörerposition. Ihre Zugehörigkeit zu den Wortarten ist umstritten (lautmalerische Ausdrücke werden zum Beispiel teilweise als Onomatopoetika klassifiziert), sie werden aber auch zu den Partikeln im engen Sinne gerechnet.

Partikel (im engen Sinn)

Partikeln im engen Sinn sind unflektierbare, nicht zu Wortgruppen erweiterbare Ausdrücke:

  • Abtönungspartikeln operieren auf dem Wissen: ja, halt, eh, wohl
  • Konnektivpartikeln verbinden und gliedern: erstens, allerdings, sonst, zwar, indessen
  • Gradpartikeln gradieren auf dem Hintergrund einer Einstufungsskala im Satz Gewichtetes: sogar, ausgerechnet, bereits
  • Modalpartikeln bestimmen die Geltung eines Sachverhalts und werten: bedauerlicherweise, leider, sicherlich, vielleicht
  • Intensitätspartikeln markieren die Ausprägung adjektivischer Eigenschaften: sehr, recht, überaus
  • Negationspartikeln wie nicht, gar nicht verneinen die Sachverhaltsgeltung

Die Zugehörigkeit eines Wortes zu verschiedenen Wortarten

In einem Wortparadigma gehört ein Wort immer genau zu einer Wortart. Allerdings gibt es viele Beispiele, wo sich gleich aussehende Ausdrücke scheinbar je nach Verwendung verschieden verhalten:[18]

  • Ich klopfte, /doch/ niemand öffnete (doch im Sinne von aber als Konjunktion);
  • Eigentlich war Eva krank, /doch/ ging sie zur Arbeit (doch als Adverb im Sinne von dennoch);
  • Das hast du /doch/ gewusst! (doch als (Abtönungs-)Partikel).

Wenn der Grundsatz, dass jedes Wort eine eindeutige Wortart hat, strikt gelten soll, dann folgt, dass man dann hier verschiedene Wörter anzusetzen hat, also dass Homonymie vorliegt.[19]

Kritik der traditionellen Wortartlehre

An der traditionellen Wortartlehre wird kritisiert, dass sie einige grundlegende Eigenschaften von Klassifizierungssystemen nicht erfülle. Es sei unklar, was sie überhaupt klassifiziere: Lexeme, syntaktische Wörter oder Wortformen. Die klassische Einteilung der Wortarten erfolge nicht nach einem „einheitlichen Gesichtspunkt“,[20] sondern werde nach „sich widersprechenden oder überschneidenden Kriterien“[21] vorgenommen. „Für einen exakten Aufbau der Grammatik“ sei sie „zu vage“ und die Einteilung sei auch nicht disjunkt, da dasselbe Wort verschiedenen Kategorien angehören könne.[20]

In sprachvergleichender Sicht erscheint das traditionelle morphologische Einteilungskriterium als zufällig. Das Kriterium der Morphologie gilt nur für synthetische Sprachen wie eben das Deutsche, das altindische Sanskrit, Latein oder Türkisch. Im Englischen ist es schon problematisch, für Chinesisch, das keine Flexion hat, nicht anwendbar.

Alternative Wortartlehren

Fünf-Wortarten-Lehre

Bei der Fünf-Wortarten-Lehre nach Hans Glinz beruht die Klassifikation auf formalen Kriterien.[22]

Man unterscheidet fünf Haupt-Wortarten nach morphologischen Kriterien:

unflektierbar → Partikel
flektierbar
deklinierbar
festes Genus → Substantiv (manchmal auch Nomen genannt)
ohne festes Genus
nicht steigerbar, eine Flexionsreihe → Pronomen
steigerbar, zwei Flexionsreihen → Adjektiv
konjugierbar → Verb

Die Partikeln können nach ihrem syntaktischen Verhalten in vier Untergruppen unterteilt werden:

  1. Präpositionen bestimmen den Kasus der Wortgruppen, bei denen sie stehen.
  2. Konjunktionen, die weiter unterschieden werden als: Beiordnende Konjunktionen verbinden gleichwertige Einheiten / Nebenordnende Konjunktionen leiten Nebensätze ein.
  3. Interjektionen stehen außerhalb des Satzes, haben Töne, ungewöhnliche Lautkombinationen (brr), sind nur sehr begrenzt kombinationsfähig.
  4. Die Adverbien bilden eine Restgruppe.

Die Adverbien können ihrerseits auch noch weiter unterschieden werden, etwa in Lokaladverb (Wo?), Temporaladverb (Wann?), Modaladverb (Wie?), Kausaladverb (Warum?), Interrogativadverb (Frageadverb) und Präpositionaladverb (Verbindung von da-/wo-/hier- mit Präposition: dabei/wobei/hierbei).

Einige Beispiele:

  • Präpositionen: auf, mit, zu, an, bei, durch, …
  • beiordnende Konjunktionen (Konjunktoren): und, aber, sondern, denn, nämlich, als, wie …
  • unterordnende Konjunktionen (Subjunktoren): als, dass, wenn, weil, obwohl, seit, wie …
  • Interjektion: ah, na, hm …
  • Adverbien: unten, oft, sehr, wohl, damit, warum, deshalb …

Die Pronomen werden in der Fünf-Wortarten-Lehre in zehn Unterarten eingeteilt, die in der klassischen Wortartenlehre drei anderen Wortarten zugerechnet werden (Artikel, Numerale, Pronomen):

  • bestimmter Artikel (der, die, das)
  • unbestimmter Artikel (ein, eine)
  • bestimmtes Zahlpronomen (ein/eine, zwei, drei, vier: Kardinal-/Grundzahlen)
  • Personalpronomen (Fürwort: ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie; mich, dich, ihn, sie, es, uns, euch, sie; mir, dir, ihm, ihr, ihm, uns, euch, ihnen;)
  • Reflexivpronomen (rückbezügliches Fürwort)
  • Relativpronomen (bezügliches Fürwort)
  • Possessivpronomen (besitzanzeigendes Fürwort)
  • Demonstrativpronomen (hinweisendes Fürwort)
  • Indefinitpronomen (unbestimmtes Fürwort, hierzu gehören auch die unbestimmte Zahlwörter: einige, viele, wenige)
  • Interrogativpronomen (fragendes Fürwort)

Bei der Bestimmung der Wortarten bestimmte man Lexeme, und keine Wortformen. Das bedeutet, dass in den Sätzen „er sieht ein schönes Haus“ und „er zeichnet schön“ die beiden unterschiedlichen Wortformen von „schön“ als Adjektive bestimmt werden. Wenn man die unterschiedliche Funktion der Adjektive berücksichtigen will, kann man von attributiven (schönes Haus) und adverbialen (er singt schön) Adjektiven sprechen. Analog dazu spricht man in Sätzen wie „sie ist hübsch“ von prädikativen Adjektiven.

Die Fünf-Wortarten-Lehre fasste in den letzten Jahren in Schweizer Grundschulen Fuß.

In sprachvergleichender Sicht erscheint die Fünf-Wortarten-Lehre als eine (nur) auf die deutsche Sprache angepasste traditionelle Wortartlehre, bei der versucht wird, klarere Einteilungskriterien stringent anzuwenden.

Wortarten in der generativen Syntax

Der generative Ansatz kennt nur vier lexikalische Wortarten: Nomen (N), Verb (V), Adjektiv (A), Präposition (P) und eine Reihe von funktionalen Kategorien.[23]

Grundlegende Einteilungen der Wortarten

Flektierbare und nicht-flektierbare Wortarten

In Sprachen wie dem Deutschen,[24] die durch einen flektierenden Sprachbau charakterisiert sind, wird eine Klassifizierung nach dem Kriterium der Flektierbarkeit für grundlegend erachtet.

Eine Wortformänderung (Beugung, Flexion) kommt im Deutschen als Deklination und Konjugation. Flektierbare Wortarten sind im Deutschen die Wortarten Substantiv, Adjektiv, Artikel, Pronomen und Verben.

Nicht-flektierbare Wortarten sind im Deutschen vor allem die Wortarten Adverb, Konjunktion und Präposition.

Offene und geschlossene Wortarten

In der Sprachwissenschaft wird zwischen offenen Wortarten (Wortklassen) und geschlossenen Wortarten (Wortklassen) unterschieden.

Eine offene Klasse ist eine Wortartklasse, deren Bestand „jederzeit erweitert“[25] werden kann. Es gibt hierzu dann produktive Mechanismen wie Wortbildung oder Entlehnung. Die Anzahl ihrer Elemente ist entsprechend groß. Statt von offener Wortklasse spricht man auch von lexikalischer Klasse.[26] Zu den offenen Wortartklassen zählen vor allem die Substantive und Verben, je nach Sprache auch Adjektive und Adverbien. (Im Deutschen sind zumindest Adjektive eine offene Klasse.)

Eine geschlossene (Wort-)Klasse ist eine Wortart, deren Bestand „nicht“[27] oder „wenig veränderlich“[26] ist. Neue Mitglieder geschlossener Klassen entstehen nur durch individuelle und nicht im Einzelfall voraussagbare Prozesse, z. B. Grammatikalisierung. Die Wörter der geschlossenen Wortklassen werden auch Funktionswörter genannt.[26] Die Zahl der Funktionswörter ist „relativ klein“.[26] Zu den geschlossenen Wortklassen zählen die Präpositionen, Partikeln, Konjunktionen und Artikel.[25] In manchen Sprachen sind auch Adjektive eine geschlossene Klasse.

Universalsprachlichkeit der Wortarten?

Das herrschende System der Wortarten erscheint weitgehend historisch bedingt durch die griechisch-lateinische Grammatik und ihrer Rezeption in den europäischen Staaten. Es ist umstritten, ob Wortarten sinnvoll über die Grenzen der jeweiligen Einzelsprachen oder Sprachfamilien hinaus gebildet werden können und sollen und ob es universalsprachliche Wortarten gibt.

Felderlehre von Bühler

Universell sollen funktionale bzw. semantische Bestimmungen sein, wie sie etwa in der Felderlehre des Sprachpsychologen Karl Bühler (1934/1978) formuliert wurden, der Zeigwörter („ich“, „hier“, „jetzt“ u. a.) von Symbolwörtern („schnell“, „Frau“, „bauen“ usw.) trennt. Ein entsprechender Vorschlag, das Wortartensystem primär auf semantische Kriterien zu stützen, stammt von Hempel (1954/1980). Ausgebaut wurde dieser Ansatz in der Funktionalen Pragmatik zu einer Fünffelderlehre sprachlicher „Prozeduren“ (Konrad Ehlich), die Wortarten voraus- oder zugrunde liegen.

Universalsprachlichkeit der Unterscheidung Nomen von Verb?

Als (allein) wesentliche Unterscheidung der Wortarten wird teilweise die zwischen nominal und verbal angeführt.[28]

Für einige Sprachen wurde behauptet, dass sie keine Unterscheidung zwischen Nomen und Verben vornehmen (bzw. dass die Unterscheidung sehr schwach ausgeprägt ist), u. a. Grönländisch, Riau-Indonesisch,[29] Tagalog, Tonganisch,[30] Mundari[31] und Salish-Sprachen.[32][33] Es ist jedoch ohnehin fraglich, ob die Konzepte des „Nomens“ und des „Verbs“, die aus der Beschreibung der Phänomenologie des Altgriechischen hervorgegangen sind, einfach auf nicht-europäische Sprachen übertragbar sind, die (im Gegensatz zu den europäischen Schriftsprachen) syntaktische Funktionen gänzlich anders als das Altgriechische auf Klassen von Lexemen abbilden.[32]

Siehe auch

Literatur

  • Henning Bergenholtz: Zur Morphologie deutscher Substantive, Verben und Adjektive. Dümmler, Bonn 1976, ISBN 3-427-83851-X. Enthält ein rein morphologisches Wortartensystem.
  • Henning Bergenholtz, Burkhard Schaeder: Die Wortarten des Deutschen. Klett, Stuttgart 1977. ISBN 3-12-910460-7. Enthält ein rein syntaktisches Wortartensystem.
  • Karl Bühler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Ullstein, Frankfurt/Berlin/Wien 1978, ISBN 3-548-03392-X. (Unveränderter Abdruck der Erstveröffentlichung: Verlag Gustav Fischer 1934)
  • Duden. Die Grammatik. 7., völlig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2005, ISBN 3-411-04047-5. Wortartenschemata: S. 133, 574. Traditionelles System mit primär morphologischen und syntaktischen Kriterien.
  • Heinrich Hempel: Wortklassen und Bedeutungsweisen. In: ders.: Bedeutungslehre und allgemeine Sprachwissenschaft. Narr, Tübingen 1980, ISBN 3-87808-131-6, S. 74–104. (Erstveröffentlichung 1954) Semantischer Ansatz eines Wortartensystems.
  • Ludger Hoffmann (Hg.): Handbuch der deutschen Wortarten. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin/New York 2009.
  • Barbara Kaltz: Zur Wortartenproblematik aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht. Buske, Hamburg 1983, ISBN 3-87118-599-X.
  • Gisela Zifonun, Ludger Hoffmann, Bruno Strecker: Grammatik der deutschen Sprache. 3. Bände. de Gruyter, Berlin/New York 1997, ISBN 3-11-014752-1.
  • Stefan Müller: Grammatiktheorie. Stauffenburg, Tübingen 2010, ISBN 978-3-86057-294-8.

Weblinks

Wiktionary: Wortart – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Redeteil – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. R. H. Robins: General Linguistics. 4th ed., Longman, London 1989.
  2. Bimal Krishna Matilal: The word and the world: India’s contribution to the study of language. Oxford 1990.
  3. Platon: Cratylus 431b
  4. Wilhelm Pape: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Braunschweig 1914, Band 2, S. 1006, Stichwort σύνδεσμος
  5. August Matthiä: Ausführliche Griechische Grammatik. Erster Theil. Formenlehre. Dritte durchaus verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig 1835, S. 176
  6. Τέχνη Γραμματική Dionysios Thrax, Technē Grammatikē (Wikisource [griechisch])
  7. Einen Überblick gibt z. B.: Irene Rapp: Partizipien und semantische Struktur. Stauffenburg, Tübingen 1997. (= Studien zur deutschen Grammatik, 54) ISBN 3-86057-444-2.
  8. etwa Elke Hentschel, Harald Weydt: Handbuch der deutschen Grammatik. 4. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2013, S. 126f.
  9. Pospiech: Syntax. In: Volmert (Hrsg.): Grundkurs Sprachwissenschaft. 5. Auflage. 2005, ISBN 3-8252-1879-1, S. 129.
  10. Vgl. etwa Gadler: Praktische Linguistik. 3. Auflage. 1998, S. 100.
  11. Duden: Rechtschreibung und Grammatik – leicht gemacht. 2007, S. 127.
  12. Gabriel, Meisenberg: Romanische Sprachwissenschaft. 2007, S. 190.
  13. Komma zwischen zwei Adjektiven. Duden.
  14. Kürschner: Grammatisches Kompendium. 4. Auflage. 2003, ISBN 3-8252-1526-1, S. 75.
  15. Vgl. Ulrich: Linguistische Grundbegriffe. 5. Auflage. 2002/Wortart
  16. So bei Gabriel, Meisenberg: Romanische Sprachwissenschaft. 2007, S. 190: „üblicherweise 8 Wortklassen“
  17. Online-Grammatik des Instituts für Deutsche Sprache
  18. Beispiel nach Kessel/Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. Fink, Tübingen 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 70
  19. Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. Fink, Tübingen 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 69
  20. a b Kutschera: Sprachphilosophie. 2. Aufl., 1975, ISBN 3-8252-0080-9, S. 211
  21. Clément: Linguistisches Grundwissen. 2. Aufl., 2000, S. 34
  22. Vgl. auch Duden, Die Grammatik. 7. Auflage. 2005, ISBN 3-411-04047-5, Rn. 200, allerdings von lexikalischen Wortarten sprechend
  23. Gabriel, Meisenberg: Romanische Sprachwissenschaft. 2007, S. 191.
  24. Die einzelsprachliche Relativität des Flexionskriteriums betonend Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010 (UTB, 3319), ISBN 978-3-8385-3319-3, S. 23 m.w.N.
  25. a b Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010 (UTB, 3319), ISBN 978-3-8385-3319-3, S. 22.
  26. a b c d Clément: Linguistisches Grundwissen. 2. Aufl., 2000, S. 35.
  27. Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010 (UTB, 3319), ISBN 978-3-8385-3319-3, S. 23
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