Zentralmarkthalle Berlin

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Zentralmarkthalle Berlin
Außenansicht der Zentralmarkthalle I, 1896

Außenansicht der Zentralmarkthalle I, 1896

Daten
Ort Berlin-Mitte
Baujahr 1883 (Halle I)
1893 (Halle Ia)
Besonderheiten
Im Zweiten Weltkrieg wurden beide Teile schwer beschädigt, die südöstliche Halle schließlich abgerissen.

Die Zentralmarkthalle entstand zwischen 1883 und 1886 (Halle I) und bis 1893 (Halle Ia) am Alexanderplatz in Berlin im Rahmen des kommunalen Bauprogramms für Markthallen des Preußischen Polizeipräsidenten von Berlin. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, ein Teil abgerissen und am Standort des verbliebenen Teils mehrfach stark verändert. Im Jahr 2013 hörte sie als Kleinhandelsplatz auf zu existieren.

Vorgeschichte

Lebensmittel-Versorgungssituation bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Bis in das 15. Jahrhundert versorgten in Alt-Berlin und Cölln nur Marktfrauen (damals „Hökerinnen“ genannt) die Bevölkerung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs. Dabei wurden die Hausierer – Händler, die ihre Waren von Haus zu Haus gehend anboten –, die fliegenden Händler, die nur gelegentlich an verschiedenen Orten bei Wochenmärkten ihre Produkte verkauften, und die Besitzer fester Marktstände unterschieden. Adolf Glaßbrenner teilte die Hökerinnen anschaulich in „die Gangbaren“, „die Sitzsamen“ und diese in „die Budenlosen“ und „die Budenbesitzer“ ein.[1] In dieser Zeit gab es drei Plätze für die Abhaltung der Wochenmärkte: den Spittelmarkt, den Dönhoffplatz und den Molkenmarkt.

Mit der Stadterweiterung Berlins unter Friedrich Wilhelm I. setzte ein starker Bevölkerungszuwachs ein, sodass die Notwendigkeit weiterer Marktflächen zur Sicherstellung der Versorgung immer stärker wurde. Mit der Errichtung des Gendarmenmarktes entstand schließlich einer der größten Marktplätze Berlins, an dem um 1882 rund 1400 Stände an zwei Wochentagen Waren feilboten.[2] Der Bedarf an weiteren Einkaufsmöglichkeiten wuchs jedoch schneller als die Anzahl der Märkte, da Berlin innerhalb von 40 Jahren seine Einwohnerzahlen verdreifachte. So wurden unter Friedrich Wilhelm II. immer neue Marktplätze genehmigt, die den unkontrollierten Handel in den Straßen unterbinden, den übrigen jedoch besser organisieren und formalisieren sollte. Eine durch den Magistrat neu geschaffene Marktpolizei kontrollierte die Händler nach Einhaltung der Hygienevorschriften und Vorliegen der Standgenehmigung. Eine Standabgabe von 10 Pfennig wurde kassiert, von der allerdings Bauern, die Produkte aus ihrem eigenen Anbau verkauften, ausgenommen wurden, um die Lebensmittelpreise möglichst niedrig zu halten.[3]

Trotz der klar organisierten und staatlich kontrollierten Abläufe auf den schließlich auf 20 angewachsenen Märkten hinterließen die Stände am Tagesende Müll und Unrat, sodass die Plätze von Ratten, Hunden, Katzen und Vögeln bevölkert wurden. Darüber hinaus waren keine festen Einrichtungen oder gar Überdachungen der Stände zugelassen, sodass die hygienischen Zustände zu immer größerem Unmut in der Bevölkerung und der zuständigen Verwaltung führten.[4]

Bau einer ersten kommunalen Markthalle

Im Oktober 1864 erhielt die Berliner Immobilien-Aktiengesellschaft als Investor den Auftrag, nach Vorbild der Pariser Markthallen Les Halles Centrales eine feste Markthalle zu errichten. Nach dreijähriger Bauzeit eröffnete die erste Markthalle Berlins am Schiffbauerdamm und ersetzte die Wochenmärkte am Karlplatz und am Oranienburger Tor. Der private Betreiber verlangte allerdings so hohe Standmieten, dass die Händler auf die verbliebenen Marktplätze auswichen und der Betreiber somit bereits Ende 1868 zahlungsunfähig war.[5] Diese Halle wurde verkauft und in einen Zirkus verwandelt, aus dem der spätere alte Friedrichstadtpalast hervorging.

Wegen dieser Erfahrungen bemühte sich die Deutsche Baugesellschaft um die Genehmigung des Magistrats und des Königlich-Preußischen Polizeipräsidenten von Berlin zum Bau von 14 Markthallen im Berliner Stadtgebiet. Aufgrund von Personalwechsel in der Verwaltung und der knappen Kassen der Stadt beschlossen die Stadtverordneten erst am 29. Juni 1883 das kommunale Bauprogramm für Markthallen in Berlin und genehmigten damit den Baubeginn der ersten städtischen Markthalle. Ihr Standort wurde auf einer Fläche zwischen Roch- und Neuer Friedrichstraße festgelegt.[6]

Geschichte

Entstehung der Markthalle I als „Central-Markthalle“

Lageplan der Zentralmarkthalle(n) beiderseits der Kaiser-Wilhelm-Straße (nicht genordet)

Das Baugrundstück, ganz in der Nähe des Alexanderplatzes gelegen, umfasste die Straßenabschnitte zwischen Rochstraße, Neuer Friedrichstraße, Königstraße und An der Stadtbahn, durchschnitten von der Kaiser-Wilhelm-Straße.[7] Die Stadtväter hatten einen eigenen Gleisanschluss an die Berliner Stadtbahn ausgehandelt, wodurch die Waren direkt per Eisenbahn und Lastenaufzug an die Markthalle transportiert werden konnten. Die Grundsteinlegung erfolgte bereits im Juli 1883, die Fertigstellung dauerte fast drei Jahre; die feierliche Eröffnung fand am 3. Mai 1886 statt. Die Baukosten für die Halle I wurden mit fünf Millionen Mark angegeben (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 37,9 Millionen Euro). Zusammen mit dem späteren Ergänzungsbau (Halle Ia) entstanden der Stadt Berlin Ausgaben von 9,6 Millionen Mark (heute: rund 69,8 Millionen Euro).[8] Nun konnten die Waren ordnungsgemäß in einem Eiskeller unter der Halle gelagert und unabhängig vom Wetter verkauft werden. Zeitgleich eröffneten drei weitere Hallen aus dem Bauprogramm. Bis 1892 waren in zwei nachfolgenden Bauetappen alle 14 Berliner Markthallen fertiggestellt.

Zusätzlich zu dem Hallenneubau mietete die Stadt Berlin sieben benachbarte Bahnviadukte, jedes für eine Jahresmiete von zehn Mark pro Quadratmeter. Diese dienten zur Unterbringung der Marktpolizei, einer Abteilung des Fiskus, als Lagermöglichkeiten für Großhändler und boten eine Einkehrmöglichkeit der Markthallenbesucher („Restauration“).

Beschreibung der Halle

Die Halle I verfügte über eine Verkaufsfläche von 16.079 m² und Stände für 1336 Händler.[9]

Die Stände befanden sich zu ebener Erde dicht an dicht, nur zwei Meter schmale Gänge lagen dazwischen. Nach Schließung der Halle sicherten die Händler ihre Angebote durch Rundum-Drahtgitter.[1] Die Mindest-Einzelhandelsfläche wurde mit vier Quadratmeter angegeben. Die Architektur dieser und aller weiteren kommunalen Markthallen ging auf Entwürfe von Hermann Blankenstein zurück.

Das Bauwerk bestand aus gusseisernen Stützen, das Dach lagerte auf Stahlbindern. Im Grundriss entstand ein stützenfreies Hauptschiff wie bei Kirchen sowie Seitenschiffe, in denen ebenfalls Stände aufgestellt wurden. Ein Kopfbau mit bogenartigen Eingängen und einem geschmückten Portal lud zum Eintritt. Die Fassade war gemauert und mit gelben und roten Klinkern sparsam geschmückt. Durch seitliche Rundbogenfenster kam ausreichend Tageslicht in die Markthalle. Die zweietagige Fassade erhielt aus Terrakotta gefertigte Schmuckelemente wie Medaillons, Friese und der Name der Halle wurde über den beiden straßenseitigen Eingängen eingearbeitet. Der Schmuck symbolisierte den hier stattfindenden Warenhandel – er zeigte Fleisch, Fische, Obst und Gemüse sowie florale Motive. Das Innere wurde mittig von einem Emporengang geteilt, auch eine in der ersten Etage vorhandene Empore lud zum Betrachten des regen Marktlebens ein.

Bedingt durch die strikte Festlegung der Markttage war die Halle anfangs nur an zwei Wochentagen geöffnet, doch rasch änderte sich dies zu täglichen Öffnungszeiten zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang, unterbrochen durch eine Mittagsschließung von 13 bis 16 Uhr.[9]

Offenbar reichte diese erste Markthalle bald nicht mehr zur Versorgung, auf der nordwestlichen Seite der Kaiser-Wilhelm-Straße (Adresse: Rochstraße 12–14 / Neue Friedrichstraße 29–34) wurde ein Ergänzungsbau errichtet, genannt Centralmarkthalle Ia (auch: ZMH II), der 1893 in Betrieb ging. Dieser besaß eine Verkaufsfläche von 13.281 m² mit 776 Einzelständen.[9]

Nutzung der Zentralmarkthalle bis 1945

Seit der Eröffnung der Hallen wurden sie stetig frequentiert; der technischen Entwicklung wurde mit dem Einsatz elektrischer Beleuchtung, Wasser- und Kanalisationsanschlüssen Rechnung getragen. Rezessionen für die Handeltreibenden ergaben sich im Ersten Weltkrieg und in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war auch die Zentralmarkthalle schwer beschädigt und nicht mehr nutzbar.

Situation der Zentralmarkthalle zwischen 1946 und 1968

Blick auf die Zentralmarkthalle vom Bahndamm aus, 1965
Blick in das modern gestaltete Innere der Markthalle am Alexanderplatz, 1965

Die zerstörte Halle I auf der nordwestlichen Seite des in Karl-Liebknecht-Straße umbenannten Verkehrsweges wurde ab 1946 enttrümmert und provisorisch wieder aufgebaut.[1] Trotz Lebensmittelknappheit und des Verkaufs von Produkten fast nur auf Lebensmittelkarten kam der Markthallenbetrieb wieder in Gang. Die Halle Ia wurde dagegen nicht wieder aufgebaut.

Trotz einiger Modernisierungsmaßnahmen wie der Umgestaltung der Einzelstände an den Seiten als Ladenstraßen und der Einrichtung einer HO-Lebensmittelhalle im Zentrum erwies sich die Zentralmarkthalle nach einigen Jahren als zu eng, zu klein sowie den baupolizeilichen und hygienischen Erfordernissen nicht mehr gewachsen. Sie wurde 1968 geschlossen.

Neubau als „Berliner Markthalle am Alex“

Markthallenbrunnen
Berliner Markthalle (Schriftzug an dem weißen Vorbau zu erkennen) in der Karl-Liebknecht-Straße, 1988. Blick Richtung Stadtbahn/​Alexanderplatz

Bei der Umgestaltung der Berliner Innenstadt wurde die zentrale Markthalle abgetragen und durch einen Neubau an gleicher Stelle ersetzt. Dieser in moderner Architektur der 1960er Jahre errichtete Bau wurde voll in die Gebäudezeile der neuen Wohnhochhäuser integriert, er nutzte auch einige Teile der früheren Markthalle wie die Stützen. Er erhielt einen auffälligen blau-weißen Kachelschmuck und den Namen „Berliner Markthalle am Alex“ mit einem eigenen Logo (großes „M“). Der erste Bauabschnitt wurde 1969 übergeben, der zweite Abschnitt umfasste den Bereich zwischen der Markthalle und der Stadtbahn sowie den rückwärtigen Bereich bis zur Rochstraße. Er wurde als Sommermarkt eingerichtet mit Kiosken zur Imbissversorgung, Sitzgelegenheiten und dem Markthallenbrunnen, geschaffen vom Bildhauer Gerhard Thieme[10] und 1973 fertiggestellt.[1][11]

Die neue Markthalle erfüllte nun ihre Versorgungsfunktion mit den Waren des täglichen Bedarfs bis zur Wende.

Nach Umbau: „Berlin Carré“

In den Jahren 1990/1991 wurde die Zentralmarkthalle vom städtischen Eigentum in den Besitz einer neu gegründeten Markthallengenossenschaft übernommen, die aus dem Zusammenschluss einiger Händler mit dem Eigentümer der Wohnzeile, der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) bestand. Die Genossenschaft veranlasste eine Sanierung im Zusammenhang mit einem luxuriösen Umbau unter völliger Veränderung des Innenraums und der Fassade zu einem zeittypischen Shopping-Center. Dem entsprach die neue Bezeichnung Berlin Carré. Die hier vermietete Verkaufsfläche betrug 7500 m². 1992 wurde das Berlin Carré wiedereröffnet, aber bereits 1995 musste die Genossenschaft Insolvenz anmelden, das Konzept hatte sich als unwirtschaftlich erwiesen, unter anderem weil die Betriebskosten mit mehr als 20 Mark pro Quadratmeter wesentlich zu hoch lagen. Parallel hierzu kamen in der näheren Umgebung stetig weitere Einkaufsmöglichkeiten hinzu, die Kunden wurden dadurch mehr und mehr abgezogen. Händler gaben ihre Kleinststände auf und zur Überbrückung des Missstandes stellte die WBM Künstlern einige Verkaufsabteilungen als Ausstellungsräume zur Verfügung.[12]

Ende und Nachnutzung ab 2013

Im April 2013 schloss das Berlin Carré endgültig. Die WBM hatte Pläne für eine vollständige Umgestaltung erstellt. Diese sehen vor, das Gebäude zu entkernen und eine durchgängige Zwischendecke einzuziehen. Die Verkaufsfläche würde sich dadurch um 25 Prozent auf 10.000 Quadratmeter vergrößern und soll nur noch an großflächigen Einzelhandel vergeben werden. Von den bisherigen Nutzern werden das Brauhaus Mitte und McDonald’s wieder einziehen. Mit weiteren Interessenten gab es bereits Gespräche. Im Herbst 2013 wurden die von den Architekten Reidemeister und Glässel im Rahmen eines Wettbewerbs erstellten Umbaupläne veröffentlicht.[13] In der Fernsehsendung rbb aktuell am 18. November 2013 waren erste Arbeiten zu sehen. Hauptnutzer ist seit August 2017 die Handelskette Kaufland.[14]

Literatur

Weblinks

Commons: Zentralmarkthalle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hochspringen nach: a b c d Markthalle historisch. In: Für Dich. Nr. 11, 1984, ISSN 0323-5947, S. 17.
  2. Knoll: Berliner Markthallen. S. 10.
  3. Lindemann: Die Markthallen Berlins. S. 3.
  4. Mit Charme und Melone. In: Der Tagesspiegel, 7. August 2006.
  5. Knoll: Berliner Markthallen. S. 19.
  6. Horst Straßburg: Die Olle am Stadtbahnbogen. In: B.Z. am Abend, 3. Dezember 1983.
  7. Kaiser-Wilhelm-Straße. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1900, Teil 3, S. 279 (Lage der Centralmarkthallen I und Ia beiderseits der Kaiser-Wilhelm-Straße).
  8. Verwaltungsberichte des Magistrats in Berlin für 1900. In: Centralblatt der Bauverwaltung. 22. Jahrgang, Nr. 73, 13. September 1902, S. 448–451, S. 450, urn:nbn:de:kobv:109-1-14115323 (Aufstellung der Kosten verschiedener Berliner Hochbauten.).
  9. Hochspringen nach: a b c Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850–1914 (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Bd. 3). C. H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44874-7, S. 180/181 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Hans Prang, Horst Günter Kleinschmidt: Durch Berlin zu Fuß. Wanderungen in Geschichte und Gegenwart. VEB Tourist-Verlag, Berlin/Leipzig 1984, S. 64.
  11. Markthallenbrunnen auf der Website des Senats von Berlin
  12. Uwe Aulich: Markthalle adieu. Das Wohnungsunternehmen WBM bricht am Alex mit einer Tradition. Statt kleiner Läden errichtet es nun moderne Geschäftszeilen. In: Berliner Zeitung, 21. Dezember 2012, S. 21
  13. Berliner Markthalle. Karl-Liebknecht-Straße 13 auf stadtentwicklung.de; abgerufen am 19. November 2013
  14. Kaufland am Alexanderplatz. auf www.berlin.de

Koordinaten: 52° 31′ 20,6″ N, 13° 24′ 27,7″ O