Zosimos

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Zosimos (griechisch Ζώσιμος, latinisiert Zosimus) war ein griechischer spätantiker Geschichtsschreiber, der wohl um 500 n. Chr. ein Geschichtswerk mit dem Titel Historia nea („Neue Geschichte“) verfasste. Es gilt als das letzte antike Geschichtswerk eines heidnischen Autors.

Leben und Werk

Zosimos stammte vermutlich aus dem syrisch-palästinischen Raum und genoss eine gute Ausbildung. Der Patriarch Photios I. von Konstantinopel bezeichnete ihn rückblickend als Comes und ehemaligen Advocatus fisci, er scheint also eine juristische Laufbahn verfolgt zu haben. Wohl zwischen 498 und 518 (nach Ansicht mancher Forscher zwischen 498 und 502) verfasste er eine Neue Geschichte (griech.:

Ίστορία νέα

/Historía néa) des Römischen Reiches in sechs Büchern, welche die Geschichte vom Trojanischen Krieg bis 410 behandelte, wobei die frühe Geschichte sehr gestrafft geschildert wird. Eine exakte Datierung ist nicht möglich; das Werk muss aber nach 425 verfasst worden sein und lag spätestens im späten 6. Jahrhundert vor, da Euagrios Scholastikos es zitiert. Nach einem sehr knappen Abriss der Kaiserzeit bis Diokletian (der Abschnitt über die Herrschaft dieses Kaisers fehlt heute) folgt eine ausführlichere Beschreibung der Geschehnisse im 4. und frühen 5. Jahrhundert. Die Schilderung bricht kurz vor der Eroberung Roms durch den Westgotenkönig Alarich I. im Jahr 410 ab. Es wird davon ausgegangen, auch aufgrund fehlender Endbearbeitungen, dass das Werk nicht fertiggestellt wurde.

Zosimos benutzte mehrere heute verlorene Quellen. So zog er unter anderem insbesondere die Werke der beiden Nichtchristen Eunapios von Sardes und Olympiodoros von Theben heran, für den Beginn seines Werks wahrscheinlich auch die Chronik des Publius Herennius Dexippus sowie für den Persienfeldzug Julians möglicherweise die Abhandlung des Magnus von Karrhai. Das Werk ist trotz mehrerer chronologischer und sachlicher Irrtümer für jene bewegte Epoche wertvoll, da es für Teile des späten 4. und frühen 5. Jahrhunderts die einzige erhaltene ausführlichere Darstellung ist; auch für das 3. Jahrhundert liefert Zosimos einige wichtige Informationen. Zosimos dürfte sich zumeist recht eng an seine Vorlagen gehalten haben: So wird etwa Stilicho in Anlehnung an das Werk des Eunapios, das Zosimos nach der Aussage des Photios, dem noch beide Werke vorlagen, sehr intensiv benutzt hat, zunächst negativ, später jedoch (wohl aufgrund der Heranziehung des Geschichtswerks des Olympiodoros) positiv geschildert. Die ihm vorliegenden Berichte sind aber mitunter auch absichtlich verändert und ergänzt worden – wie sehr, ist in der Forschung allerdings umstritten.

Zosimos war ein bekennender Pagane („Heide“) und ein dezidierter Feind des Christentums, was sich auch in seinem Werk bemerkbar macht. Oft wird angenommen, das Fehlen der Abschnitte über den Christenverfolger Diokletian und die Eroberung Roms (die die Nichtchristen als Rache der Götter am christianisierten Imperium verstanden) sei kein Zufall, sondern spätere christliche Kopisten hätten diese Schilderungen bei Zosimos als anstößig empfunden und die entsprechenden Passagen bewusst nicht überliefert. Doch auch so wird deutlich, dass Zosimos den Verfall des Imperiums als Bestrafung für die Abkehr von den alten Göttern auffasste: Indem Konstantin der Große 313 die fälligen Säkularfeiern nicht abgehalten habe, habe das Reich den göttlichen Beistand eingebüßt. Diese Position übernahm Zosimos zweifellos bereits aus seinen Quellen. Aber auch an anderen Stellen polemisierte Zosimos gegen die christlichen Kaiser, während er den letzten paganen Herrscher Julian ausgiebig preist. Das Geschichtsbild des Zosimos ist stark negativ gefärbt; für ihn ist der Untergang des Römischen Reiches bereits ein unausweichliches Faktum, obwohl das Ostreich ja noch sehr lange Zeit bestehen blieb. In diesem Sinne wollte er die Geschichte dieses vermeintlichen Untergangs beschreiben und aus explizit paganer Perspektive deuten, als Parallele zur Beschreibung des Aufstiegs des Imperiums durch Polybios.

Das Werk des Zosimos kann intellektuell nicht entfernt mit dem anderer spätantiker Geschichtsschreiber wie Ammianus Marcellinus, Olympiodoros von Theben (der, wie anhand von Fragmenten seines Werks erkennbar, genauere Angaben machte), Priskos oder Prokopios von Caesarea konkurrieren, die als Zeitgenossen über teilweise Selbsterlebtes berichteten und wesentlich objektiver urteilten. Zudem sind Zosimos mehrere inhaltliche Fehler unterlaufen (chronologische, ethnographische und geographische); so verwechselt er zum Beispiel die Flüsse Donau und Don. Dennoch stellt er, wie gesagt, aufgrund des Verlusts anderer spätantiker Geschichtswerke die Hauptquelle für die Ereignisse von 378 (nach dem Ende des Res gestae des Ammianus) bis 410 dar.

Von Zosimos’ weiterem Leben ist nichts bekannt. Dass es zu Beginn des 6. Jahrhunderts noch möglich war, ein offen antichristliches Werk zu publizieren, das offenbar auch sein Publikum fand und verbreitet wurde, ist ein Indiz dafür, dass das „Heidentum“ damals zwar seit langem auf dem Rückzug war, aber noch immer existierte und von gewisser Bedeutung war. Dennoch verhinderte die nichtchristliche Ausrichtung eine intensivere Nachwirkung von Zosimos’ „Neuer Geschichte“.

Ausgaben und Übersetzungen

Eintrag in Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris (CHAP).

  • Zosime. Histoire Nouvelle. Übersetzt und kommentiert von François Paschoud. 3 Bände, Budé, Paris 1971–1989 (mit Einleitung, französischer Übersetzung und umfangreichem Kommentar).
  • Zosimos. Neue Geschichte. Übersetzt und eingeleitet von Otto Veh, durchgesehen und erläutert von Stefan Rebenich (= Bibliothek der griechischen Literatur. Band 31). Hiersemann, Stuttgart 1990, ISBN 3-7772-9025-4 (weitere Literaturhinweise siehe dort).
  • Ronald T. Ridley (Hrsg.): Zosimus. New History. Canberra 1982 (englische Übersetzung mit Kommentar).
  • Zosimi comitis et exadvocati fisci Historia nova. Herausgegeben von Ludwig Mendelssohn, Olms, Hildesheim u. a. 2003 [2. Nachdruck der Ausgabe Teubner, Leipzig 1887], ISBN 978-3-487-05208-3.

Literatur

  • Walter A. Goffart: Zosimus, The First Historian of Rome’s Fall. In: The American Historical Review. Band 76 (1971), S. 412–441.
  • Wolfgang Kuhoff: Zosimos, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bd. 31, 2010, Sp. 1541–1555.
  • John H. W. G. Liebeschuetz: Pagan historiography and the decline of the Empire. In: Gabriele Marasco (Hrsg.): Greek and Roman Historiography in Late Antiquity: Fourth to Sixth Century A.D. Brill, Leiden u. a. 2003, ISBN 90-04-11275-8, S. 177–218.
  • Mischa Meier: Zosimos 5. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12/2, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01487-8, Sp. 843–845.
  • François Paschoud: Eunape, Olympiodore, Zosime (= Munera. Studi storici sulla tarda antichità. Band 24). Edipuglia, Bari 2006, ISBN 978-88-7228-455-1.
  • François Paschoud: Zosimos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band X A, Stuttgart 1972, Sp. 795–841.
  • Sebastian Schmidt-Hofner: An Empire of the Best: Zosimus, the monarchy, and the Eastern administrative elite in the fifth century CE. In: Chiron. Band 50 (2020), S. 217–252.

Weblinks

Wikisource: Zosimos – Quellen und Volltexte