Lemniskate von Bernoulli

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Lemniskate mit durch die definierenden Punkte F1 und F2 gelegter Abszisse
Konstruktion einer Lemniskate durch einen Lemniskatenlenker.

Die Lemniskate von Bernoulli, benannt nach dem schweizerischen Mathematiker Jakob I Bernoulli, ist eine algebraische Kurve vierter Ordnung und Spezialfall einer Cassinischen Kurve. Die Figur einer Lemniskate zeigt einen schleifenförmigen Graphen in Form einer Acht. Meist ist mit „Lemniskate“ eben die Lemniskate von Bernoulli gemeint.

Definition

Die Lemniskate von Bernoulli wird durch folgende geometrische Eigenschaft definiert:

Gegeben seien eine positive reelle Zahl und zwei Punkte und im Abstand von voneinander. Die Lemniskate mit den Parametern ist dann der geometrische Ort aller Punkte P, für die gilt
.

Gleichungen

Es sei der Einfachheit halber vorausgesetzt, dass die Punkte und auf der Abszisse liegen und die Mitte zwischen ihnen gerade der Koordinatenursprung ist.

  • Gleichung in kartesischen Koordinaten:
  • Gleichung in Polarkoordinaten:
  • Parametergleichung:

Der Parameter ist der Abstand zwischen Koordinatenursprung und den beiden definierenden Punkten und . Die Strecke von zu hat also die Länge .

Eigenschaften

Lemniskate als am Kreis gespiegelte Hyperbel
Lemniskate als Fußpunkt-Transformation einer Hyperbel

Die Lemniskate von Bernoulli hat die folgenden Eigenschaften:

  • Sie ist achsensymmetrisch zur Verbindungsgeraden von und .
  • Sie ist achsensymmetrisch zur Mittelsenkrechten zwischen und
  • Sie ist punktsymmetrisch zum Mittelpunkt zwischen und
  • Auf der Verbindungsgeraden von und liegen von allen Punkten der Lemniskate nur der Mittenpunkt zwischen und und die diesem fernsten beiden Kurvenpunkte .
  • Der Mittelpunkt zwischen und ist ein Doppelpunkt der Kurve, er wird also zweimal durchlaufen. Er ist kein Berührungspunkt, sondern ein Schnittpunkt. Die beiden Tangenten in ihm schneiden die Verbindungsgerade von und in einem Winkel von 45°.
  • Ein Kreis um den Ursprung mit Radius schneidet sie in ihren Extremwerten, die bei liegen.
  • Die Lemniskate ist die geometrisch am Kreis invertierte Kurve einer gleichseitigen Hyperbel.

Fläche

„Quadratur“ der Lemniskate: A = 2·a²
  • Die beiden von der Lemniskate eingeschlossenen Teilflächen haben jeweils den Flächeninhalt .

Bogenlänge

Die Gesamtbogenlänge der Lemniskate ist linear in und kann unter Verwendung des von Giulio Carlo Fagnano dei Toschi um 1750 untersuchten elliptischen Integrals

explizit angegeben werden als

oder, mit Verwendung der im Jahr 1798 von Carl Friedrich Gauß eingeführten lemniskatischen Konstante

,

als

,

was ungefähr ist.

Die Untersuchungen von Fagnano waren über Leonhard Euler, der sie 1750 aufgriff als er Fagnanos Werke durchsah für dessen beantragte Aufnahme in die Berliner Akademie, der Ursprung der Theorie Elliptischer Integrale, woraus im 19. Jahrhundert die Theorie Elliptischer Funktionen entstand (Carl Gustav Jacobi, Niels Henrik Abel). Das betrachtete Integral in der etwas allgemeineren Form:

wird als Lemniskaten-Integral betrachtet und tauchte schon bei Jakob I Bernoulli 1691 auf (veröffentlicht 1694) im Rahmen der Elastizitätstheorie (curva elastica).[1] Bernoulli kannte auch den Zusammenhang mit der Lemniskate. Carl Friedrich Gauß untersuchte das Lemniskaten-Integral ebenfalls wahrscheinlich unabhängig von Euler und Fagnano und erzielte tiefliegende Resultate über elliptische Integrale und Funktionen (unveröffentlicht), über die zahlentheoretischen Aspekte der Lemniskate (Disquisitiones Arithmeticae und in seinem Tagebuch), was besonders von André Weil herausgestellt wurde, und er fand die Möglichkeit der gleichmäßigen Teilung der Lemniskate mit Zirkel und Lineal in fünf Teile.

Krümmung

Die Krümmung der Lemniskate lässt sich in Polarkoordinaten als angeben, ist also stets proportional zu ihrem Abstand . In obiger Parameterdarstellung wird diese Kurve jedoch anders durchlaufen. Hier ist für und für . Ist sie gar in impliziter kartesischer Form gegeben, lässt sich über das Vorzeichen der Krümmung nichts aussagen – da kein Durchlaufsinn gegeben ist –, und somit nur ihr absoluter Betrag bestimmbar ist. Fordert man ein möglichst natürliches Durchlaufen – differentialgeometrisch möglichst glatt, analytisch also Existenz von möglichst hohen Ableitungen nach der Bogenlänge längs des Kurvenweges – werden die beiden Schlaufen der Kurve jeweils andersherum durchlaufen und das Vorzeichen der Krümmung der Lemniskate ändert sich somit beim Durchgang der Kurve durch den Nullpunkt.

Vorkommen

Die Lemniskate tritt als Bewegungskurve im Wattschen Parallelogramm bzw. Wattgestänge auf sowie bei der Lemniskatenanlenkung eines Eisenbahnradsatzes.

Andere Lemniskaten

Die Lemniskate von Gerono ist eine weitere Lemniskate. Sie ist eine spezielle Lissajous-Figur.

Symbolik in der Freimaurerei

Die Freimaurerei kennt die Lemniskate als Symbol für die weltweite Bruderkette. Die Schleife wird mit der Zwölfknotenschnur oder auch beim Vereinigungsband (Liebesseil) gebildet. Man findet sie beispielsweise auf den sogenannten Arbeitsteppichen der kontinentaleuropäischen Johannislogen.

Siehe auch

Literatur

  • Max Koecher, Aloys Krieg: Elliptische Funktionen und Modulformen. 2. Auflage. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-49324-2.
  • Gino Loria: Spezielle algebraische und transzendente ebene Kurven: Theorie und Geschichte (= B. G. Teubners Sammlung von Lehrbüchern auf dem Gebiete der mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwendungen. V,1). 2. Auflage. Erster Band: Die algebraischen Kurven. B. G. Teubner Verlag, Leipzig / Berlin 1910.
  • E. H. Lockwood: A Book of Curves. Cambridge University Press, 1961, LCCN 61-065797, Kap. 12.
  • H. Martyn Cundy: The Lemniscate of Bernoulli. In: The Mathematical Gazette, Band 89, Nr. 514 (März 2005), S. 89–93, JSTOR 3620645

Weblinks

Commons: Lemniscate of Bernoulli – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Lemniskate – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Raymond Ayoub, The lemniscate and Fagnano’s contributions to elliptic integrals, Arch. Hist. Exact Sci., Band 29, 1984, S. 131–149