Hauptwil
Hauptwil | ||
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Staat: | Schweiz | |
Kanton: | Thurgau (TG) | |
Bezirk: | Weinfelden | |
Politische Gemeinde: | Hauptwil-Gottshaus | |
Postleitzahl: | 9213 | |
frühere BFS-Nr.: | 4487 | |
Koordinaten: | 736708 / 260494 | |
Höhe: | 540 m ü. M. | |
Fläche: | 3,11 km² (Ortsgemeinde)[1] 12,49 km² (Munizipalgem.)[2] | |
Einwohner: | 1213 (31.12.2018)[3] | |
Einwohnerdichte: | 390 Einw. pro km² | |
Tortürmli mit zeitgenössischem Uhrwerk | ||
Karte | ||
Hauptwil ist eine Ortschaft[3] und eine ehemalige Orts- und Munizipalgemeinde des Kantons Thurgau in der Schweiz. Die südöstlich von Bischofszell gelegene Ortsgemeinde Hauptwil bildete von 1812 bis 1995 mit der Ortsgemeinde Gottshaus die Munizipalgemeinde Hauptwil und ist seit dem 1. Januar 1996 Teil der politischen Gemeinde Hauptwil-Gottshaus.[4]
Geschichte
Hauptwil wurde 1413 erstmals erwähnt als Hoptwill. Im Spätmittelalter war Hauptwil Teil der kleinen Gerichtsherrschaft Blidegg, zu der auch Zihlschlacht und Degenau gehörten.[5] Spätestens ab 1377 gehörte Blidegg als Lehen dem Bischof von Konstanz und der Fürstabtei St. Gallen den adeligen Ryff, genannt Welter von Blidegg, und ab 1561 den Freiherren von Hallwyl.[4] Eine besondere Stellung hatte der Weiler Freihirten, der ein eigener kleiner Niedergerichtsbezirk im Besitz der Herren von Andwil und der Blarer von Wartensee war und 1654 durch Kauf an die Familie Gonzenbach kam. Als ehemaliges Lehensgebiet der Fürstabtei St. Gallen hatte Freihirten eine überwiegend katholische Bevölkerung.[5]
Richtungsweisend für die spätere Entwicklung Hauptwils war, dass das Chorherrenstift St. Pelagius in Bischofszell um 1430 in der Talmulde zwischen Hauptwil und Wilen fünf Karpfenweiher anlegen liess, womit die Voraussetzung für die spätere Nutzung der Wasserkraft und somit der Industrialisierung Hauptwils geschaffen war.[5]
Prägend für die weitere Entwicklung des Dorfs im 17. und 18. Jahrhundert war die Textilhändlerfamilie Gonzenbach, die der patrizischen Oberschicht angehörte und wegen der innovationsfeindlichen Struktur der sanktgallischen Leinenindustrie nach Hauptwil zog.[5] Das Geschlecht, das schon vor 1600 mehrere Liegenschaften in Hauptwil besass, hatte von 1664 bis 1798 hatte das Niedergericht Hauptwil inne.[4] Nach dem Zuzug der Gonzenbach entwickelte sich das Bauerndorf zu einer von der Leinwandproduktion geprägten Manufaktursiedlung. Der Industrialisierung förderlich waren neben dem tieferen Lohnniveau die Wasserkraft und wirtschaftliche Freiheiten. 1664 erhielt Hauptwil das Marktrecht. 1664/1665 entstand das Schloss, das ab 1952 als Altersheim diente und 2020 in Privatbesitz gelangte.[6] 1661 bis 71 wurden im Stampflehmverfahren rund vierzig neue Fabrikations- und Arbeiterwohnbauten errichtet,[4] was ein einmaliges Ereignis in der ostschweizerischen Industriegeschichte war. Im Januar 1801 trat Friedrich Hölderlin als Hauslehrer in den Dienst der Familie Gonzenbach.[5]
Ende des 18. Jahrhunderts liessen sich die Brüder Enoch und Johann Joachim Brunschweiler aus Erlen in Hauptwil nieder. Nach der Stagnation in der Leinwandproduktion bauten sie im Dorf die Färbereiindustrie auf.[4] Zusammen mit Hans Jacob Gonzenbach (1754–1815) trieben sie die Befreiung des Thurgaus aus der eidgenössischen Untertanenschaft voran.[5]
Im Zuge der Industrialisierung fassten auch Stickereien und Webereien Fuss, ausserdem 1923 im nahe gelegenen Sorntal in der Gemeinde Waldkirch SG die Baumwollspinnerei Staub & Honegger. Die Eröffnung der Eisenbahnlinie Sulgen–Gossau 1876 sicherte die weitere wirtschaftliche Prosperität. Neben der Textilindustrie blieb in Hauptwil stets auch die Landwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftszweig. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte der Übergang vom Reb- und Ackerbau zur Vieh- und Milchwirtschaft. Die Käserei entstand 1909. Seit die Färberei der Familie Brunschweiler 1984 den Betrieb einstellte, zeugt nur noch die Zetag AG mit der ehemaligen Spinnerei im Sorntal von der einstigen Textilproduktion. Mit dem Bau von Einfamilienhäusern konnte die in den 1970er Jahren erfolgte Abwanderung nach 1980 gestoppt werden. Bis heute prägen die gut erhaltenen alten Bauten und die nunmehr umgenutzte industrielle Kulturlandschaft des 17. bis 19. Jahrhundert das Ortsbild. Hauptwil erhielt 1999 den Wakkerpreis zugesprochen.[4]
Der katholische Teil der Bevölkerung gehörte seit jeher zur Kirchgemeinde Bischofszell. Ab 1667 fanden in der Schlosskapelle der Gonzenbach Gottesdienste für die reformierte Bevölkerung statt, 1861 wurde die reformierte Kirchgemeinde eine Filiale von Bischofszell. 1886 erfolgte der Bau einer reformierten Kirche,[4] 1967/68 der katholischen Kirche St. Antonius.[7] Ausgehend von der Industriellenfamilie Brunschweiler formierte sich in Hauptwil im frühen 19. Jahrhundert eine Gemeinschaft evangelischer Taufgesinnter, der im Jahr 1880 10 % der Einwohner angehörten. Bis heute ist die Freie Evangelische Gemeinde in Hauptwil vertreten.[4]
1996 fusionierten die Ortsgemeinden Hauptwil und Gottshaus – letztere ohne die Ortsteile Stocken und Breite, die zur Einheitsgemeinde Bischofszell kamen – zur Politischen Gemeinde Hauptwil-Gottshaus.[8]
Wappen
Blasonierung: In Rot ein dreiteiliger weisser Torturm mit schwarzen Dächern[9]
Der Torturm ist eines der charakterististen Baudenkmäler Hauptwils.[9]
Bevölkerung
1649 | 1850 | 1900 | 1950 | 1990 | 2000 | 2010 | 2018 | |
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Munizipalgemeinde | 1379 | 1417 | 1617 | 1721 | ||||
Ortsgemeinde | ca. 50 | 598 | 741 | 819 | 910 | |||
Ortschaft | 522 | 457 | 1213 (mit Aussenhöfen) | |||||
Quelle | [10] | [11] | [3] |
Von den insgesamt 1213 Einwohnern der Ortschaft Hauptwil im Jahr 2018 waren 122 bzw. 10,1 % ausländische Staatsbürger. 433 (35,7 %) waren römisch-katholisch und 406 (33,5 %) evangelisch-reformiert.[3]
Verkehr
Hauptwil wird erschlossen durch die Hauptstrasse Gossau SG–Bischofzell und hat einen Bahnhof an der Strecke Gossau–Sulgen.
Persönlichkeiten
- Stefan «Steve» Blaser (* 1972), Musiker, Sänger, DJ und Produzent
- Arthur Dürst (1926–2000), Geograph und Kartenhistoriker
- Hans Jakob Gonzenbach (1754–1815), Politiker
- Friedrich Hölderlin, der deutsche Dichter unterrichtete ab Januar 1801 drei Monate ein Mädchen aus der Familie von Gonzenbach als Privatlehrer
- Fritz Honegger (1917–1999), Politiker
- Albert Schoop (1919–1998), Kunst- und Literaturhistoriker
- Lukas Speissegger (* 1969), Musiker, Produzent, Tontechniker
Sehenswürdigkeiten
In Hauptwil konnten Wohn- und Gewerbebauten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, als die Kaufmannsfamilie Gonzenbach das Dorf in ein Zentrum der Leinwandherstellung mit dazugehöriger Infrastruktur wie Bleichereien, Teiche und Lager verwandelt hatte, erhalten und neuen Nutzungen zugeführt werden.[12] Hauptwil ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgeführt.
Weitere Bilder
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Schweizerische Arealstatstik. Abgeschlossen auf 1. Juli 1912. Herausgegeben vom Eidg. Statistischen Bureau. (Memento vom 12. April 2016 im Internet Archive)
- ↑ Thurgau in Zahlen 2019. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (PDF-Datei; 1,8 MB), abgerufen am 28. April 2020.
- ↑ a b c d Ortschaften und ihre Wohnbevölkerung. Ausgabe 2019. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (Excel-Tabelle; 0,1 MB), abgerufen am 20. Juni 2022.
- ↑ a b c d e f g h i Verena Rothenbühler: Hauptwil. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Diese Abschnitte basieren weitgehend auf dem Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz (HLS), der gemäss den Nutzungshinweisen des HLS unter der Lizenz Creative Commons – Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) steht. - ↑ a b c d e f g Ernest Menolfi: Die Geschichte von Hauptwil-Gottshaus, Auf der Webseite der Gemeinde Hauptwil-Gottshaus, Mai 2012
- ↑ Georg Stelzner: Ein deutscher Graf kauft das Schloss Hauptwil – keine Chance für einheimische Genossenschaft. St. Galler Tagblatt, 27. März 2020.
- ↑ Antoniuskirche Hauptwil. Auf der Webseite des Pastoralraums Bischofsberg, abgerufen am 22. November 2019.
- ↑ Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden. Kanton Thurgau, 1850–2000. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (Excel-Tabelle; 0,1 MB), abgerufen am 28. April 2020.
- ↑ a b Gemeindewappen. Auf der Webseite des Staatsarchivs des Kantons Thurgau, abgerufen am 8. Dezember 2019
- ↑ Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis. Kanton Thurgau, Ausgabe 2005. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (PDF; 1,7 MB), abgerufen am 28. April 2020.
- ↑ Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis. Kanton Thurgau, Ausgabe 2012. Auf der Webseite der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau (PDF; 3,4 MB), abgerufen am 11. Mai 2020.
- ↑ Die bisherigen Wakkerpreise. Auf der Webseite des Schweizer Heimatschutzes, abgerufen am 18. April 2020