Desulfurikation

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Als Desulfurikation (lat. Sulphur: Schwefel), auch Sulfatatmung oder dissimilatorische bzw. bakterielle Sulfatreduktion bezeichnet man die Reduktion von Sulfat zu Sulfid bzw. Schwefelwasserstoff durch bestimmte Bakterien und Archaeen (als Desulfurizierer oder Desulfurikanten bezeichnet). Als Reduktionsmittel werden verschiedene organische Stoffe oder elementarer Wasserstoff (H2) verwendet. Summengleichungen für Beispiele derartiger Redoxreaktionen lauten:

Sulfat und Wasserstoff umgesetzt zu Hydrogensulfid, Wasser und einem Hydroxidion. Schwefel wird von der Oxidationsstufe +VI auf -II reduziert, Wasserstoff von der Stufe O auf Stufe +I oxidiert.
Unter Standardbedingungen bei pH = 7 je Mol umgesetztes Sulfat freiwerdende Energie entsprechend der Änderung der Freien Enthalpie:
 ΔG0' = − 112 kJ/mol.
Sulfat und Lactat umgesetzt zu Sulfid, Acetat, Kohlenstoffdioxid, Hydrogencarbonat und Wasser
Unter Standardbedingungen je Mol umgesetztes Sulfat freiwerdende Energie entsprechend der Änderung der Freien Energie:
ΔG0' = − 157 kJ/mol.
Sulfat und Acetat umgesetzt zu Sulfid und Hydrogencarbonat
Unter Standardbedingungen je Mol umgesetztes Sulfat freiwerdende Energie entsprechend der Änderung der Freien Energie:
ΔG0' = − 47,6 kJ/mol.

Diese Umsetzungen sind exergon und dienen den sulfatreduzierenden Mikroorganismen als Energiequelle. Die Sulfatreduktion verläuft wie auch die aerobe Atmung über mehrere Zwischenstufen.

Zum Vergleich: Die aerobe Oxidation von Glukose liefert eine freie Enthalpie von 1140 kJ/mol.

Desulfurizierer und ihre Eigenschaften

Desulfovibrio vulgaris: Negativkontrastierung, Transmissionselektronenmikroskop-Aufnahme, Messstrich = 0,5 µm

Desulfurizierer sind obligat anaerobe Bakterien, kommen nur in anoxischen Milieus vor und verwerten als Reduktionsmittel hauptsächlich Stoffe, die im fermentativen Abbau organischer Stoffe durch fermentative Bakterien als Endprodukte entstehen, vor allem Alkohole, organische Säuren und elementaren Wasserstoff. Sie können durch ihre Fähigkeit, Sulfat als Oxidationsmittel zu nutzen, Energie aus der Oxidation von Stoffen gewinnen, die von fermentativen Bakterien nicht genutzt werden können und deshalb von diesen als Endprodukte ausgeschieden werden.
Die Fähigkeit zur Sulfatreduktion besitzen verwandtschaftlich auseinander stehende Bakterien-Gattungen. Das kann bedeuten, dass die Sulfatreduktion schon frühzeitig in der Organismen-Evolution entwickelt wurde. Alternativ wäre denkbar, dass der Mechanismus mehrfach unabhängig voneinander entwickelt wurde (konvergente Evolution).

Innerhalb der Proteobakterien findet man sie in der Deltagruppe und zwar in den Ordnungen Desulfobacterales, Desulfovibrionales und Syntrophobacterales. Beispiele für einzelne Gattungen sulfatreduzierender Bakterien der Deltaproteobacteria sind: Desulfovibrio, Desulfuromonas, Desulfobulbus, Desulfobacter, Desulfococcus, Desulfosarcina, Desulfonema und Desulfotomaculum.

Außer bei den Deltaproteobakterien tritt die Sulfatatmung weiterhin in dem Phylum Thermodesulfobacteria und in der Ordnung Clostridiales der Abteilung Firmicutes (Gattung Desulfotomaculum) auf.

Auch in der Domäne Archaea gibt es Desulfurizierer, beispielsweise die Gattung Archaeglobus.

Ökologische Bedeutung

Die bakterielle Sulfatreduktion ist ein wichtiger Abschnitt im Schwefelkreislauf der oberen Erdschichten. Sie ist dort neben vulkanischen Entgasungen eine der hauptsächlichen Quellen von Schwefelwasserstoff. Wie die Bruttogleichungen zeigen, wird der pH-Wert durch Desulfurikation erhöht (Bildung von OH-Ionen bzw. Verbrauch von Protonen). Desulfurikation findet in fast allen anoxischen Bereichen statt, die Sulfat und verwertbare organische Stoffe oder elementaren Wasserstoff enthalten. Schwefelwasserstoff wirkt auf Lebewesen giftig. Auch die Desulfurizierer sind empfindlich gegenüber dem von ihnen selbst gebildeten Schwefelwasserstoff. In natürlichen Habitaten ist der gebildete Schwefelwasserstoff jedoch meistens unschädlich, da er mit vielen Metall-Ionen schwer wasserlösliche Metallsulfide bildet. In natürlichen Habitaten ist besonders die Ausfällung von Eisen- und Sulfid-Ionen als schwarzes Eisenmonosulfid FeS von Bedeutung:

Entfernen von schwarzem Schlamm aus einem Teich

Dieser Vorgang ist die Ursache für die Schwarzfärbung von anoxischen Gewässersedimenten, zum Beispiel Schlammsedimenten von Teichen und Seen und etwas tieferen Schichten von Wattschlick. Bekannt sind die schwarzen Sedimente des Schwarzen Meeres, das daher seinen Namen erhalten haben soll. Durch weitere Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Eisenmonosulfid kann über mehrere Zwischenstufen Eisendisulfid FeS2 gebildet werden, also die Minerale Pyrit oder Markasit.

Technische Bedeutung

An der Oberfläche unedler Metalle wird in Kontakt mit Wasser unter Bildung von Metall-Ionen elementarer Wasserstoff gebildet. Als Beispiel sei Eisen bzw. eine Eisenlegierung, zum Beispiel Stahl, gewählt:

Die so gebildete Wasserstoffschicht haftet meistens auf der Oberfläche der Eisenlegierung und verhindert ein Fortschreiten des Vorgangs („Passivierung“). Unter anoxischen Bedingungen in Gegenwart von Sulfat kann es aber zu Korrosion durch sulfatreduzierende Bakterien kommen, die den Wasserstoff mit Sulfat oxidieren und so die Metalloberfläche freilegen, so dass es zur weiteren Bildung von Wasserstoff und weiteren Metallauflösung (Korrosion) kommt:

Durch sulfatreduzierende Bakterien verursachte Stahlkorrosion ist unter anderem in der Erdölgewinnung von Bedeutung. Außerdem kann es in Erdöllagerstätten und in Erdölgewinnungsanlagen zur Bildung von Schwefelwasserstoff durch bakterielle Sulfatreduktion kommen, wobei sich der so gebildete Schwefelwasserstoff nicht nur im Lagerstättenwasser anreichert, sondern auch im Erdöl und im begleitenden Erdgas („Versäuerung“, „Sauergas“). Dies führt zu Störungen wegen der Giftigkeit von Schwefelwasserstoff und wegen seiner korrosiven Wirkung. Zudem hat ein Schwefelgehalt im Erdöl und im Erdgas bei deren Verbrennung die Emission von unerwünschtem Schwefeldioxid (SO2) zur Folge (siehe saurer Regen), weshalb das Erdöl und das Erdgas entschwefelt werden müssen (Erdölentschwefelung, Gasentschwefelung).

Literatur

  • Larry Barton: Sulfate-reducing bacteria. In: Biotechnology handbooks. Plenum Press, New York u. a. O. 1995, ISBN 0-306-44857-2.
  • J. Martin Odom, Rivers Singleton (Hrsg.): The sulfate-reducing bacteria: Contemporary perspectives. In: Brock/Springer series in contemporary bioscience. Springer-Verlag, New York u. a. O. 1993, ISBN 0-387-97865-8 und ISBN 3-540-97865-8.
  • John R. Postgate: The sulphate-reducing bacteria. 2. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge GB 1984, ISBN 0-521-25791-3.

Weblinks