Hercynit

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Hercynit
Hercynite-73060.jpg
Mehrere kleine Hercynit-Kristalle aus dem Steinbruch „In den Dellen“, Niedermendig in der Eifel (Bildgröße: 5 mm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen
  • Hercinit
  • Ferrospinell
Chemische Formel FeAl2O4[1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
4.BB.05 (8. Auflage: IV/B.01)
07.02.01.03
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol kubisch-hexakisoktaedrisch; 4/m 3 2/m
Raumgruppe Fd3m (Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227[1]
Gitterparameter a = 8,13 Å[1]
Formeleinheiten Z = 8[1]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7,5 bis 8
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,40; berechnet: [4,26][2]
Spaltbarkeit undeutlich; Absonderungen nach {111} möglich[2]
Bruch; Tenazität muschelig
Farbe dunkelgrün bis schwarz
Strichfarbe dunkelgraugrün bis dunkelgrün
Transparenz undurchsichtig, durchscheinend in dünnen Kanten
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,80 bis 1,83[2]
Doppelbrechung keine, da optisch isotrop

Hercynit oder auch Ferrospinell ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung FeAl2O4[1] und gehört strukturell zur Gruppe der Spinelle.

Hercynit entwickelt nur mikroskopisch kleine Kristalle mit oktaedrischem Habitus und glasähnlichem Glanz. Meist findet er sich in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate von dunkelgrüner bis schwarzer Farbe bei dunkelgraugrüner bis dunkelgrüner Strichfarbe. Das Mineral ist im Allgemeinen undurchsichtig und nur an dünnen Kristallkanten durchscheinend.

Ähnlich der anderen Spinelle weist auch Hercynit eine hohe Mohshärte von 7,5 bis 8 auf und ist damit in der Lage, Fensterglas zu ritzen bzw. als Schmirgel optische Gläser oder Spiegel zu schleifen.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Hercynit in einer Pegmatit-Lagerstätte nahe der westböhmischen Kleinstadt Poběžovice (deutsch: Ronsperg) im Vorland des Oberpfälzer Waldes in Tschechien. Beschrieben wurde er 1839 durch Franz Xaver Zippe, der das Mineral nach eigenen Worten in Anlehnung an die lateinische Bezeichnung des Böhmerwaldes Silva Hercynia benannte.[3] In der ursprünglichen Bedeutung bezeichneten die Römer allerdings mit Hercynia allgemein die Waldgebiete vom Alpenrand bis zum Harz und mit hercynia silva den sogenannten Herzynischen Urwald, ein nördlich der Donau gelegenes Mittelgebirge östlich des Rheins.

Klassifikation

Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Hercynit zur Spinell-Supergruppe, wo er zusammen mit Chromit, Cochromit, Coulsonit, Cuprospinell, Franklinit, Gahnit, Galaxit, Jakobsit, Magnesiochromit, Magnesiocoulsonit, Magnesioferrit, Magnetit, Manganochromit, Spinell, Trevorit, Vuorelainenit und Zincochromit die Spinell-Untergruppe innerhalb der Oxispinelle bildet.[4]

Bereits in der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Hercynit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 3 :  4 (Spinelltyp M3O4 und verwandte Verbindungen)“, wo er zusammen mit Gahnit, Galaxit und Spinell die Gruppe der „Aluminat-Spinelle“ mit der System-Nr. IV/B.01 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Hercynit ebenfalls in die Abteilung der „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 3 :  4 und vergleichbare“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Brunogeierit, Chromit, Cochromit, Coulsonit, Cuprospinell, Filipstadit, Franklinit, Gahnit, Galaxit, Jakobsit, Magnesiochromit, Magnesiocoulsonit, Magnesioferrit, Magnetit, Manganochromit, Nichromit (N), Qandilit, Spinell, Trevorit, Ulvöspinell, Vuorelainenit und Zincochromit die „Spinell-Gruppe“ mit der System-Nr. 4.BB.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Hercynit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Mehrfachen Oxide“ ein. Hier ist er zusammen mit Spinell, Galaxit und Gahnit in der „Aluminium-Untergruppe“ mit der System-Nr. 07.02.01 innerhalb der Unterabteilung „Mehrfache Oxide (A+B2+)2X4, Spinellgruppe“ zu finden.

Kristallstruktur

Hercynit kristallisiert kubisch in der Raumgruppe Fd3m (Raumgruppen-Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227 mit dem Gitterparameter a = 8,13 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]

Bildung und Fundorte

Ein Spinell (Größe: 2,7 mm) und ein Mischkristall Spinell-Hercynit vom Wannenköpfe bei Ochtendung in der Eifel
Hercynit in körniger Ausbildung

Hercynit bildet sich als Nebengemengteil in intramagmatischen Magnetit- und Titanomagnetit-Lagerstätten sowie in Granuliten und anderen kristallinen Schiefern.[5] Als Begleitminerale treten neben dem Magnetit unter anderem noch Andalusit, Korund, Ilmenit und Sillimanit auf.[2]

Als eher seltene Mineralbildung kann Hercynit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Rund 300 Fundorte gelten bisher (Stand: 2012) als bekannt.[6] Neben seiner Typlokalität Poběžovice trat das Mineral in Tschechien noch an vielen weiteren Stellen in Böhmen und an einigen Stellen in Mähren auf.

In Deutschland konnte Hercynit bisher vor allem in der Eifel in Rheinland-Pfalz nachgewiesen werden, trat aber auch an einigen Fundpunkten in Baden-Württemberg (Sasbach), Bayern (Maroldsweisach, Bodenmais, Waldeck), Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen (Löbauer Berg) auf.

In Österreich fand sich das Mineral unter anderem am Pauliberg im Burgenland, bei Kollnitz/Sankt Paul im Lavanttal in Kärnten, an mehreren Stellen im Dunkelsteinerwald (Niederösterreich), im Leckbachgraben im Habachtal und bei Strobl in Salzburg, bei Luftenberg an der Donau in Oberösterreich sowie bei Kapfenstein, Klausen/Bad Gleichenberg und Klöch in der Steiermark.

In der Schweiz konnte Hercynit bisher nur im Kanton Graubünden, genauer am Wolfgangpass und im Val Forno bei Bregaglia, gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Ägypten, Algerien, der Antarktis, Argentinien, Äthiopien, Australien, Brasilien, Chile, China, Finnland, Frankreich, Grönland, Indien, Indonesien, Israel, Italien, Japan, Kambodscha, Kanada, Kasachstan, Korea, Kuba, Lesotho, Madagaskar, Marokko, Neuseeland, Norwegen, Oman, Peru, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Taiwan, Tadschikistan, Tansania, Uganda, Ukraine, Ungarn, im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika.[7]

Auch in Gesteinsproben vom Ostpazifischen Rücken sowie außerhalb der Erde auf dem Mond konnte Hercynit nachgewiesen werden.[7]

Siehe auch

Literatur

  • F. X. M. Zippe: Ueber den Hercinit, eine bisher unbekannt gebliebene Spezies des Mineralreiches. In: Verhandlungen der Gesellschaft des Vaterländischen Museums in Böhmen, 17. Verhandlung. 1839, S. 19–27 (rruff.info [PDF; 800 kB; abgerufen am 1. September 2018]).

Weblinks

Commons: Hercynite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 188.
  2. a b c d Hercynite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 110 kB; abgerufen am 1. September 2018]).
  3. F. X. M. Zippe: Ueber den Hercinit, eine bisher unbekannt gebliebene Spezies des Mineralreiches. In: Verhandlungen der Gesellschaft des Vaterländischen Museums in Böhmen, 17. Verhandlung. 1839, S. 19–27 (rruff.info [PDF; 800 kB; abgerufen am 1. September 2018]).
  4. Cristian Biagioni, Marco Pasero: The systematics of the spinel-type minerals: An overview. In: American Mineralogist. Band 99, Nr. 7, 2014, S. 1254–1264, doi:10.2138/am.2014.4816 (englisch, Vorabversion online [PDF]).
  5. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 358–359.
  6. Mindat – Hercynite (englisch)
  7. a b Mindat – Fundorte für Hercynit