Maruyamait

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. September 2022 um 11:45 Uhr durch imported>APPERbot(556709) (Bot: http => https bei handbookofmineralogy.org, Linkfix handbookofmineralogy.org, siehe WP:BOT/A).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Maruyamait
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

Kalium-Oxy-Dravit,[1] IMA2013-123[2]

Chemische Formel
  • K (MgAl2)(Al5Mg)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Ringsilikate
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol 3/mVorlage:Kristallklasse/Unbekannte Kristallklasse
Raumgruppe R3m (Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160
Gitterparameter a = natürlich: 15,955(1) Å; c = natürlich: 7,227(1) Å[3]
Formeleinheiten Z = 3[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7[3]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,081[3]
Spaltbarkeit keine[3]
Farbe blass braun bis braun[3]
Strichfarbe weiß bis sehr blass braun[3]
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz Glasglanz[3]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,634(2)[3]
nε = 1,652(2)[3]
Doppelbrechung δ = 0,018
Optischer Charakter einachsig negativ[3]
Pleochroismus blass braun bis braun[3]

Das Mineral Maruyamait ist ein extrem seltenes Ringsilikat aus der Turmalingruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung K(MgAl2)(Al5Mg)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O.[3]

Anhand äußerer Kennzeichen ist Maruyamait nicht von anderen farblosen oder braunen Turmalinen wie Dravit oder Oxy-Dravit zu unterscheiden. Er kristallisiert mit trigonaler Symmetrie und bildet braune Kerne in unregelmäßig geformten Kristallen von wenigen Millimetern Größe. Im Dünnschliff erscheinen sie farblos bis sehr blass braun.[3] Wie alle Minerale der Turmalingruppe ist Maruyamait pyroelektrisch und piezoelektrisch.

Maruyamait ist ein Mineral der Ultra-Hochdruckmetamorphose und bisher (2022) nur an zwei Fundorten in Kasachstan gefunden worden.[4] Die Typlokalität ist das Kumdy-Kol-Gebiet im Kökschetau-Massiv im Bezirk Serendi, Gebiet Akmola in Kasachstan.[1][5][3]

Etymologie und Geschichte

Die meisten Turmaline enthalten nur Spuren von Kalium. Bis zum Jahr 2004 waren hohe Kalium-Gehalte um 0,2 bis 0,5 Atomen pro Formaleinheit nur von bolivianischen Povondraiten bekannt.[6]

Seit Ende der 1960er Jahre sind Diamantvorkommen in Flusssedimenten des nördlichen Kasachstan bekannt. Als Quelle dieser Mikrodialmanten wurden später pelitische und karbonatische Sedimente sowie Basalte ozeanischer Kruste identifiziert, die an einem Kontinentalrand subduziert und bei extremen Drucken im thermodynamischen Stabilitätsfeld von Diamant in rund 100 km Tiefe metamorph verändert worden sind.[7] Diese Ultrahochdruckmetasedimente des Kumdy-Kol-Gebietes sind die ersten bekannten diamantführenden metamorphen Gesteine. Die darin enthaltenen Turmaline wurden lange als retrograde Bildung betrachtet, als Produkte späterer Überprägung bei niedrigen Drucken, bis Rentaro Shimizu und Yoshihide Ogasawara von der Waseda-Universität in Japan die hohen Kaliumgehalte der diamanthaltigen Kerne der Turmaline dokumentierten.[1][5] Als neues Mineral beschrieben wurde der Kalium-Oxy-Dravit im Jahr 2013. Den Namen Maruyamait erhielt er zu Ehren des Professors Shigenori Maruyama vom Tokyo Institute of Technology in Japan. Maruyama forschte zur Tektonik aktiver Kontinentalränder und leitete die Arbeitsgruppe, die die Mechanismen der Subduktion untersuchte und aufklärte, wie die Gesteine auch aus rund 120 km Tiefe wieder an die Erdoberfläche transportiert werden konnten.[3]

Synthetisiert wurde Kalium-Dravit, das OH-Analog von Maruyamait, von Mineralogen des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum und der TU Berlin. Sie konnten zeigen, dass Kalium bevorzugt bei hohen Druck und Temperaturen in Dravit eingebaut wird und die Anwesenheit von Natrium diesen Kaliumeinbau weitgehend verhindert.[8][9]

Klassifikation

In der strukturellen Klassifikation der IMA gehört Maruyamait zusammen mit Bosiit, Oxy-Schörl, Oxy-Dravit, Povondrait, Chromo-Alumino-Povondrait, Oxy-Chrom-Dravit, Oxy-Vanadium-Dravit, Princivalleit, Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit und Vanadio-Oxy-Dravit zur Alkali-Untergruppe 3 in der Turmalinobergruppe.[10]

Da Maruyamait erst 2013 als Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Nur das Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, führt das Mineral unter der System- und Mineral-Nr. VIII/E.19-16. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Ringsilikate“, wo Maruyamait zusammen mit Adachiit, Bosiit, Chromdravit (heute Chrom-Dravit), Chromo-Aluminopovondrait (heute Chromo-Alumino-Povondrait), Darrellhenryit, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit, Fluor-Dravit, Fluor-Elbait, Fluor-Liddicoatit, Fluor-Schörl, Fluor-Tsilaisit, Fluor-Uvit, Foitit, Lucchesiit, Luinait-(OH) (heute diskreditiert), Magnesiofoitit, Oxy-Chromdravit (heute Oxy-Chrom-Dravit), Oxy-Dravit, Oxy-Foitit, Oxy-Schörl, Oxy-Vanadiumdravit (heute Oxy-Vanadium-Dravit), Rossmanit, Schörl, Olenit, Povondrait, Tsilaisit, Uvit, Vanadio-Oxy-Chromdravit (heute Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit) und Vanadio-Oxy-Dravit die „Turmalin-Gruppe“ bildet (Stand 2018).[11]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Maruyamait ebenso wenig, wie die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana.

Chemismus

Maruyamait ist das Kalium-Analog von Oxy-Dravit und hat die idealisierte Zusammensetzung [X]K[Y](MgAl2)[Z](Al5Mg)([T]Si6O18)(BO3)3[V](OH)3[W]O,[3] wobei [X], [Y], [Z], [T], [V] und [W] die Positionen in der Turmalinstruktur sind.

Für den Maruyamait aus der Typlokalität wurde folgende Zusammensetzung bestimmt:

  • [X](K0,53Na0,19Ca0,260,02)[Y](Mg2+1,19Fe2+0,55Al1,07Fe3+0,05Ti4+0,14)[Z](Al5Mg) [[T]Si5,97Al0,03O18](BO3)3 [V](OH)3[W][O2-0,60(OH)0,24F0,16][3]

Kristallstruktur

Maruyamait kristallisiert mit trigonaler Symmetrie in der Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160 mit 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter des natürlichen Mischkristalls aus der Typloklaität sind: a = 15,955(1) Å, c = 7,227(1) Å.[3]

Die Kristallstruktur ist die von Turmalin. Kalium (K+) besetzt die von 9 Sauerstoffen umgebene X-Position, die oktaedrisch koordinierte [Y]-Position ist gemischt besetzt mit zwei Aluminium- (Al3+) und einem Magnesiumion (Mg2+) und die kleinere, ebenfalls oktaedrisch koordinierte [Z]-Position ist ebenfalls gemischt besetzt mit 5 Aluminium- und einem Magnesiumionen. Die tetraedrisch koordinierte [T]-Position enthält Silizium (Si4+). Die [V]-Anionenposition enthält (OH)--Gruppen und die [W]-Anionenposition mit einem Sauerstoffionen (O2-).[3]

Bildung und Fundorte

Maruyamait ist ein Mineral der Ultrahochdruckmetamorphose und bildet sich an aktiven Kontinentalrändern bei der Subduktion ozeanischer Kruste. Während natriumreiche, dravitische Turmaline bei Anwesenheit von Coesit bei Drucken oberhalb von 4–5 GPa abgebaut werden,[12] werden Kalium-Turmaline noch bei 6 GPa durch die Reaktion von bor- und kaliumreichen Lösungen mit pelitichen Gneisen neu gebildet.[3]

Weltweit wurde Maruyamait bislang (2022) nur an zwei Fundorten nachgewiesen.[4]

Die Typlokalität sind Turmalin-Quarz-Kalifeldspat-Gesteine, die in Form dünner Lagen in diamantführenden, pelitischen Gneisen des Kumdy-Kol-Gebietes im Kökschetau-Massiv im Bezirk Serendi, Gebiet Akmola in Kasachstan auftreten. Maruyamait bildet hier die kaliumreichen Kerne der ansonsten eher Oxy-Dravitischen Turmaline. Begleitminerale sind vorwiegend Quarz und Kalifeldspat sowie geringe Mengen Goethit, Titanit, Zircon, Phengit, Phlogopit, Apatit, Chlorit, Zoisit, Pumpellyit und Graphit. Maruyamait und Zirkon enthalten zudem Einschlüsse von Mikrodiamanten.[1][5][3]

Das zweite Vorkommen sind die metamorphen Gesteine des Barchi-Kol, ebenfalls im Kökschetau-Massiv im Bezirk Serendi, Gebiet Akmola in Kasachstan. Maruyamait tritt hier zusammen mit Garnat, Kyanit, Biotit, Muskowit, Kalifeldspat und Quartz auf.[13]

Weblinks

  • Maruyamait. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 23. Februar 2022.
  • Maruyamaite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 23. Februar 2022 (englisch).
  • Povondraite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 207 kB; abgerufen am 23. Februar 2022]).

Einzelnachweise

  1. a b c d Rentaro Shimizu, Yoshihide Ogasawara: Discovery of ‘K-tourmaline’ in diamond-bearing tourmaline-K-feldspar-quartz rock from the Kokchetav Massif, Kazakhstan. In: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft. Band 150, 2005, S. 141 (englisch, researchgate.net [PDF; 57 kB; abgerufen am 26. Februar 2022]).
  2. Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2021. Hrsg.: IMA/CNMNC, Marco Pasero. 2021 (englisch, cnmnc.main.jp [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 17. April 2021]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Aaron Lussier, Neil A. Ball, Frank C. Hawthorne, Darrell J. Henry, Rentaro Shimizu, Yoshihide Ogasawara, And Tsutomu Ota: Maruyamaite, K(MgAl2)(Al5Mg)Si6O18(BO3)3(OH)3O, a potassium-dominant tourmaline from the ultrahigh-pressure Kokchetav massif, northern Kazakhstan: Description and crystal structure. In: American Mineralogiste. Band 101, 2016, S. 355–361 (englisch, rruff.info [PDF; 1,3 MB; abgerufen am 20. Februar 2022]).
  4. a b Fundortliste für Maruyamait beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 23. Februar 2022.
  5. a b c Rentaro Shimizu, Yoshihide Ogasawara: Diversity of potassium-bearing tourmalines in diamondiferous Kokchetav UHP metamorphic rocks: A geochemical recorder from peak to retrograde metamorphic stages. In: Journal of Asian Earth Sciences. Band 63, 2013, S. 39–55 (englisch, academia.edu [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 26. Februar 2022]).
  6. Kurt Walenta and Pete J. Dunn: Ferridravite, a new mineral of the tourmaline group from Bolivia. In: American Mineralogist. Band 64, 1979, S. 945–948 (englisch, minsocam.org [PDF; 385 kB; abgerufen am 16. Februar 2022]).
  7. Eleanor J. Berryman, Bernd Wunder, Dieter Rhede: Synthesis of K-dominant tourmaline. In: American Mineralogiste. Band 99, 2014, S. 539–542 (englisch, academia.edu [PDF; 3,2 MB; abgerufen am 26. Februar 2022]).
  8. Eleanor J. Berryman, Bernd Wunder, Richard Wirth, Dieter Rhede, Georg Schettler, Gerhard Franz, Wilhelm Heinrich: An experimental study on K and Na incorporation in dravitic tourmaline and insight into the origin of diamondiferous tourmaline from the Kokchetav Massif, Kazakhstan. In: Contributions to Mineralogy and Petrology. Band 169:28, 2015 (englisch, academia.edu [PDF; 608 kB; abgerufen am 26. Februar 2022]).
  9. Darrell J. Henry, Barbara L. Dutrow: Tourmaline studies through time: contributions to scientific advancements. In: Journal of Geosciences. Band 63, 2018, S. 77–98 (englisch, jgeosci.org [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 12. August 2020]).
  10. Tsutomu Ota, Katsura Kobayashi, Tomoo Katsura, Eizo Nakamura: Tourmaline breakdown in a pelitic system: implications for boroncycling through subduction zones. In: Contributions to Mineralogy and Petrology. Band 155, 2008, S. 19–32 (englisch, researchgate.net [PDF; 480 kB; abgerufen am 16. Februar 2021]).