Povondrait

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Povondrait
Povondraite-657308.jpg
Povondrait aus einer metamorphen Evaporit-Lagerstätte im Alto Chapare Minenbezirk, Provinz Chapare, Departamento Cochabamba, Bolivien
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

IMA1978-075, Ferridravite,[1] Ferri-Eisen-Turmalin, IMA1990 s.p.[2]

Chemische Formel
  • Na Fe3+3(Fe3+4Mg2)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Ringsilikate
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol 3/mVorlage:Kristallklasse/Unbekannte Kristallklasse
Raumgruppe R3m (Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160
Gitterparameter a = natürlich: 16,186(2) Å; c = natürlich: 7,444(1) Å[4]
Formeleinheiten Z = 3[4]
Häufige Kristallflächen hexagonales Prisma 2. Ordnung {112̅0}, trigonale Pyramiden {101̅1}, {2̅O21̅}[1]
Zwillingsbildung nicht beobachtet
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7[1]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,26(3) berechnet: 3,33[1]
Spaltbarkeit keine[1]
Bruch; Tenazität uneben, muschelig[1]
Farbe schwarz[1]
Strichfarbe braun[1]
Transparenz nahezu opak[1]
Glanz Harzglanz[1]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,820(5)[4]
nε = 1,751(3)[4]
Doppelbrechung δ = 0,069
Optischer Charakter einachsig negativ[1][4]
Pleochroismus gelb-braun bis dunkelrot-braun[4] bis schwarz[1]

Das Mineral Povondrait ist ein sehr seltenes Ringsilikat aus der Turmalingruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Na(Fe3+3)(Fe3+4Mg2)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O.[3]

Povondrait ist anhand äußerer Kennzeichen nicht von anderen dunklen Turmalinen wie Schörl, Oxy-Schörl, Bosiit, Fluor-Buergerit, Dravit oder Oxy-Dravit zu unterscheiden. Er kristallisiert mit trigonaler Symmetrie und bildet schwarze, isometrische Kristalle von einigen Millimetern Größe. Diese untypische Morphologie macht es schwer, Povondrait im Handstück überhaupt als Turmalin zu erkennen. Im Dünnschliff erscheinen sie gelb-braun bis dunkelbraun.[1] Wie alle Minerale der Turmalingruppe ist Povondrait pyroelektrisch und piezoelektrisch.

Die Typlokalität ist die San Franzisco-Mine in der Nähe von Villa Tunari in der Provinz Chapare im Departamento Cochabamba, Bolivien. Povondrait tritt hier in Rissen und Hohlräumen des Glimmerschiefers auf, der das Nebengestein der Mine ausmacht.[1]

Etymologie und Geschichte

Turmaline, die statt Aluminium (Al3+) ferrisches Eisen (Fe3+) enthalten, kennt man seit Mitte der 1960er Jahre, als Fluor-Buergerit in einem Rhyolith in Mexico entdeckt wurde.[5]

Auf einer Reise nach La Paz im September 1976 erhielt der deutsche Mineraloge Kurt Walenta von der Universität Stuttgart von Dr. W. Wetzenstein eine Probe mit einem unbekannten, schwarzen Mineral aus der San Franzisco-Mine bei Villa Tunari. Zusammen mit dem amerikanischen Mineralogen Pete J. Dunn vom National Museum of Natural History beschrieb er das neue Mineral als Fe3+-Equivalent des Dravit und benannte diesen Turmalin folgerichtig Ferridravit.[1]

14 Jahre später wurden diese Ferridravite erneut untersucht. Einkristallstrukturverfeinerungen ergaben eine andere Verteilung von Magnesium und Eisen auf die Oktaederpositionen,[6] was schließlich zu einer Neudefinition und Umbenennung des Minerals durch eine Gruppe kanadischer Mineralogen führte. Sie nannten den Fe3+-Turmalin Povondrait nach dem Mineralogen Dr. Pavel Povondra von der Karls-Universität in Prag. Sie würdigten damit seine umfangreichen Arbeiten zur Kristallchemie der Turmaline.[4]

Im Zuge der Neustrukturierung der Turmalingruppe im Jahr 1999 wurde die Formel des Povondrait-Endgliedes festgelegt und Povondrait der Untergruppe der Oxy-Turmaline zugeordnet.[3]

Klassifikation

In der strukturellen Klassifikation der IMA gehört Povondrait zusammen mit Bosiit, Oxy-Schörl, Oxy-Dravit, Maruyamait, Chromo-Alumino-Povondrait, Oxy-Chrom-Dravit, Oxy-Vanadium-Dravit, Princivalleit, Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit und Vanadio-Oxy-Dravit zur Alkali-Untergruppe 3 in der Turmalinobergruppe.[7][8]

Da der Povondrait erst 1979 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Nur das Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, führt das Mineral unter der System- und Mineral-Nr. VIII/E.19-72. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Ringsilikate“, wo Povondrait zusammen mit Adachiit, Bosiit, Chromdravit (heute Chrom-Dravit), Chromo-Aluminopovondrait (heute Chromo-Alumino-Povondrait), Darrellhenryit, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit, Fluor-Dravit, Fluor-Elbait, Fluor-Liddicoatit (ehemals Liddicoatit), Fluor-Schörl, Fluor-Tsilaisit, Fluor-Uvit, Foitit, Lucchesiit, Luinait-(OH) (heute diskreditiert), Magnesiofoitit, Maruyamait, Olenit, Oxy-Chromdravit (heute Oxy-Chrom-Dravit), Oxy-Dravit, Oxy-Foitit, Oxy-Schörl, Oxy-Vanadiumdravit (heute Oxy-Vanadium-Dravit), Rossmanit, Schörl, Tsilaisit, Uvit, Vanadio-Oxy-Chromdravit (heute Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit) und Vanadio-Oxy-Dravit die „Turmalin-Gruppe“ bildet (Stand 2018).[9]

Auch die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Povondrait in die Abteilung der „Ringsilikate“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Größe, Verknüpfung und Verzweigung der Silikatringe, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „[Si6O18]12−-Sechser-Einfachringe mit inselartigen, komplexen Anionen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Chromdravit (heute Chrom-Dravit), Dravit, Elbait, Feruvit, Foitit, Buergerit (heute Fluor-Buergerit), Liddicoatit (heute Fluor-Liddicoatit), Magnesiofoitit, Olenit, Oxy-Vanadium-Dravit, Rossmanit, Schörl und Uvit die „Turmalingruppe“ mit der System-Nr. 9.CK.05 bildet.[10]

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Povondrait in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Ringsilikate: Sechserringe“ ein. Hier ist er zusammen mit Fluor-Buergerit, der hier noch Buergerit heißt, in der „Buergerit-Untergruppe“ mit der System-Nr. 61.03c.01 innerhalb der Unterabteilung „Systematik der Minerale nach Dana/Silikate#61.03c Ringsilikate: Sechserringe mit Boratgruppen (Eisenhaltige Turmalin-Untergruppe)“ zu finden.

Chemismus

Povondrait hat die idealisierte Zusammensetzung [X]Na[Y]Fe3+3[Z](Fe3+4Mg2)([T]Si6O18)(BO3)3[V](OH)3[W]O,[3] wobei [X], [Y], [Z], [T], [V] und [W] die Positionen in der Turmalinstruktur sind.

Für den Povondrait aus der Typlokalität wurde folgende Zusammensetzung bestimmt:

  • Walenta & Dunn: [X](Na0,80K0,24)[Y](Mg2+1,58Fe2+1,15)[Z](Fe3+5,49Al0,51) [[T]Si6O18](BO3)3 [V](O,OH)3[W](OH, F)[1]

Kristallstruktur

Povondrait kristallisiert mit trigonaler Symmetrie in der Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160 mit 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter des natürlichen Mischkristalls aus der Typloklaität sind: a = 16,186(2) Å, c = 7,444(1) Å.[4]

Die Kristallstruktur ist die von Turmalin. Natrium (Na+) besetzt die von 9 Sauerstoffen umgebene X-Position, die oktaedrisch koordinierte [Y]-Position ist überwiegend mit Eisen (Fe3+) besetzt und die kleinere, ebenfalls oktaedrisch koordinierte [Z]-Position ist gemischt besetzt mit vier Eisen- (Fe3+) und zwei Magnesiumionen (Mg2+). Die tetraedrisch koordinierte [T]-Position enthält Silizium (Si4+). Die [V]-Anionenposition ist vorwiegend mit (OH)- besetzt und die [W]-Anionenposition mit einem Sauerstoffionen (O2-).[6][3]

Bildung und Fundorte

Die Typlokalität sind feine Risse und Hohlräume im Nebengestein der San Franzisco-Mine in der Nähe von Villa Tunari in der Provinz Chapare im Departamento Cochabamba, Bolivien. In der Mine wird Krokydolith, die Asbest-Varietät des Riebeckit, abgebaut. Eingebettet sind die Krokydolithvorkommen in Schiefer der Cristalmayu-Formation, die aus Quarz, Kalifeldspat, Alkaliamphibol und Muskowit bestehen und in deren Spalten Povondrait zusammen mit Schörl auftritt.[1]

Weltweit wurde bislang (2022) nur von wenigen weiteren Vorkommen berichtet.[11]

Weblinks

  • Povondrait. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 12. Februar 2022.
  • Povondraite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 17. Februar 2022 (englisch).
  • Povondraite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 69 kB; abgerufen am 16. Februar 2022]).

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q Kurt Walenta and Pete J. Dunn: Ferridravite, a new mineral of the tourmaline group from Bolivia. In: American Mineralogist. Band 64, 1979, S. 945–948 (englisch, minsocam.org [PDF; 385 kB; abgerufen am 16. Februar 2022]).
  2. Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2021. Hrsg.: IMA/CNMNC, Marco Pasero. 2021 (englisch, cnmnc.main.jp [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 17. April 2021]).
  3. a b c d e Frank C. Hawthorne, Darrell J. Henry: Classification of the minerals of the tourmaline group. In: European Journal of Mineralogy. Band 11, 1999, S. 201–215 (englisch, researchgate.net [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 12. Oktober 2020]).
  4. a b c d e f g Joel, D. Grice, T. Scott Ercit, Frank C. Hawtharne: Povondraite, a redefinition of the tourmaline ferridravite. In: American Mineralogist. Band 78, 1993, S. 433–436 (englisch, minsocam.org [PDF; 453 kB; abgerufen am 13. Februar 2022]).
  5. Brian Mason, Gabrielle Donnay and L. A. Hardie: Ferric Tourmaline from Mexico. In: Science. Band 144(3614), 1964, S. 71–73, doi:10.1126/science.144.3614.71 (englisch).
  6. a b Joel, D. Grice, T. Scott Ercit: Ordering of Fe and Mg in the tourmaline crystal structure: The correct formula. In: European Journal of Mineralogie. Band 165(3), 1993, S. 245–266 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 20. Februar 2022]).
  7. Darrell J. Henry, Milan Novák (Chairman), Frank C. Hawthorne, Andreas Ertl, Barbara L. Dutrow, Pavel Uher, Federico Pezzotta: Nomenclature of the tourmaline-supergroup minerals. In: The American Mineralogist. Band 96, 2011, S. 895–913 (englisch, [1] [PDF; 617 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  8. Darrell J. Henry, Barbara L. Dutrow: Tourmaline studies through time: contributions to scientific advancements. In: Journal of Geosciences. Band 63, 2018, S. 77–98 (englisch, jgeosci.org [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 12. August 2020]).
  9. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. Hrsg.: IMA/CNMNC. 2009 (englisch, cnmnc.main.jp [PDF; 1,9 MB; abgerufen am 28. Februar 2021]).
  11. Fundortliste für Fluor-Buergerit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 17. Februar 2022.